Beherbergungsverbot in Sachsen-Anhalt vorläufig außer Vollzug gesetzt
Gäste aus sogenannten Risikogebieten dürfen vorerst wieder in Sachsen-Anhalt übernachten. Das Oberverwaltungsgericht hat das sogenannte Beherbergungsverbot in der 8. Eindämmungsverordnung vorläufig außer Kraft gesetzt. Geklagt hatte der Inhaber und Betreiber von Ferienwohnungen in Naumburg. Die Landesregelung sei nicht verhältnismäßig. Auch habe die Landesregierung nicht dargelegt, dass durch die Beherbergung ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Dagegen gebe es gravierende negative Auswirkungen für die Berufsausübung der betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben.
Konkret schreibt das Gericht:
Mit einem Normenkontrollantrag vom 19. Oktober 2020 beantragte er die vorläufige Außervollzugsetzung des in § 5 Abs. 1 Satz 5 der 8. SARS-CoV-2-EindV angeordneten Verbots der Beherbergung von Personen zu touristischen Zwecken, die ihren ersten Wohnsitz in einer Region (Landkreis oder kreisfreien Stadt) innerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben, in der innerhalb eines Zeitraums von 7 Tagen vor dem Tag der Anreise die Rate der Neuinfektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 laut der Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts kumulativ höher als 50 von 100 000 Einwohnern ist (sog. Beherbergungsverbot). Er macht geltend, die Verbotsregelung begegne bereits formal-rechtlichen Bedenken und sei darüber hinaus weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Eindämmung der Corona-Pandemie zu erreichen.
Der Antrag hatte nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 47 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gebotenen summarischen Prüfung Erfolg. Nach Auffassung des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts spricht derzeit Überwiegendes dafür, dass das in § 5 Abs. 1 Satz 5 der 8. SARS-CoV-2-EindV geregelte Beherbergungsverbot rechtswidrig ist und wegen der damit einhergehenden Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit für unwirksam zu erklären sein wird. Der mit Beherbergungsverbot verbundene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 geschützte Berufsausübungsfreiheit genüge voraussichtlich nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Zur Begründung hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt:
Zwar bestehe nach der für die aktuell geltende 8. SARS-CoV-2-EindV maßgeblichen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts in der aktuellen Risikobewertung (Stand: 7. Oktober 2020) auch in Deutschland unverändert eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Dies zugrunde gelegt möge das Verbot von Beherbergungen zu touristischen Zwecken von Personen, die ihren ersten Wohnsitz in einem sog. innerdeutschen Risikogebiet haben, für sich gesehen als geeignet anzusehen sein, um das legitime Ziel der Vermeidung von neuen Infektionsketten und damit verbunden der Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zum Schutz von Leben und Gesundheit zu erreichen. Das touristische Beherbergungsverbot in seiner konkreten Ausgestaltung dürfte angesichts des Fehlens eines milderen Mittels auch erforderlich sein, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Etwaige alternative – mildere – Maßnahmen wie die bereits in der 8. SARS-CoV-2-EindV normierten und im Beherbergungsgewerbe anzuwendenden Hygienevorschriften seien nicht ebenso effektiv wie ein Beherbergungsverbot, das den potentiellen Eintrag von Infektionen am Beherbergungsort durch Touristen in Gänze ausschließt.
Die Regelung sei jedoch selbst unter Berücksichtigung der weiten Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Die vorzunehmende Zweck-Mittel-Relation offenbare, dass die mit der Maßnahme erreichbare Wirkung in Bezug auf den Eingriffszweck in keinem angemessenen Verhältnis zu dem hiermit verbundenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit stehe. Ziel des Beherbergungsverbots solle es – neben der Eindämmung der Ausbreitung des Virus – auch sein, zu verhindern, dass das Coronavirus aus stark von Neuinfektionen betroffenen Regionen innerhalb Deutschlands über den Tourismus nach Sachsen-Anhalt eingebracht werde. Inwieweit dieses (Teil-)Ziel mit der getroffenen Regelung tatsächlich erreicht werde, sei jedenfalls nicht ohne Weiteres feststellbar. Denn die zentrale Lage des Landes Sachsen-Anhalt innerhalb der Bundesrepublik ermögliche auch einen ungehinderten Tagestourismus aus benachbarten Bundesländern, die ihrerseits wiederum über keine einschränkenden Regelungen zur Beherbergung von innerdeutschen Touristen aus Risikogebieten verfügten. Personen aus Risikogebieten sei damit die Einreise bzw. der Aufenthalt zu (tages-)touristischen Zwecken (ohne Übernachtung) weiterhin gestattet. Auch die daneben bestehende Möglichkeit, private Übernachtungsmöglichkeiten (bei Familien und Freunden) zu nutzen, ermögliche Personen aus einem innerdeutschen Risikogebiet sogar einen fortlaufenden Aufenthalt zu touristischen Zwecken. Daneben bestünden weitere Möglichkeiten zur Einreise aus Risikogebieten und eines hieran anknüpfenden Aufenthalts im Land Sachsen-Anhalt.
Dies zugrunde gelegt handele es sich bei dem Beherbergungsverbot um eine Maßnahme, die nur eingeschränkt zu einer Reduzierung des touristisch veranlassten Bewegungsstroms aus innerdeutschen Risikogebieten in das Land Sachsen-Anhalt führen könne, obgleich der Verordnungsgeber an anderer Stelle der Einreise und dem Aufenthalt von Personen aus einem innerdeutschen Risikogebiet zu touristischen und sonstigen Zwecken nicht begegne. Dass gerade Beherbergungsbetriebe, in denen nicht zwangsläufig eine große Zahl fremder Menschen aufeinandertreffen, sondern Gäste in abgeschlossenen Räumlichkeiten ggf. mit einer überschaubaren Personenanzahl übernachten und deren Kontaktdaten hinterlegt sind, davon ausgenommen sind, Reisende aus innerdeutschen Risikogebieten zu empfangen, erschließe sich nicht. Das Land Sachsen-Anhalt habe auch nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe.
Dagegen gingen vom Beherbergungsverbot gravierende negative Auswirkungen für die Berufsausübung der betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben aus. Diese seien verpflichtet, sich fortlaufend über die täglich aktualisierte Veröffentlichung des Robert-Koch-Institutes zu innerdeutschen Risikogebieten zu informieren und hierbei den Erstwohnsitz und Anreisezeitpunkt zu überprüfen sowie durch Stornierungen gebuchter Aufenthalte und durch Abweisung Reisewilliger aus Risikogebieten das Verbot umzusetzen, um einen mit einer Geldbuße von bis zu 1.000 EUR bewehrten Rechtsverstoß zu vermeiden. Die sich aus diesem erheblichen Organisationsaufwand ergebenden Belastungen würden noch erhöht durch finanzielle Einbußen, die sich aus Stornierungen und mangelnde Wiederbelegungen ergeben können. Neben den die Betreiber von Beherbergungsbetrieben betreffenden beträchtlichen Folgen seien auch die Auswirkungen für betroffene Reisewillige und die Allgemeinheit in die Betrachtung einzubeziehen. Denn das Beherbergungsverbot greife in die allgemeine Handlungsfreiheit der Reisenden und Reisewilligen nach Art. 2 Abs. 1 GG ein.
Aufgrund der gegebenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache und der von dem Antragsteller glaubhaft gemachten – im Übrigen auf der Hand liegenden – beträchtlichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteile infolge des in Beherbergungsverbotes in seiner konkreten Ausgestaltung liege der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach alldem im überwiegenden Interesse des Antragstellers.
Wegen des bestehenden engen Regelungszusammenhangs zwischen der hier streitbefangenen Norm des § 5 Abs. 1 Satz 5 der 8. SARS-CoV-2-EindV und den Sätzen 6 bis 8 der Vorschrift waren auch diese (nichtselbstständigen) Teilregelungen vorläufig außer Vollzug zu setzen.
richtig so
Komisch, bisher hast du immer bei den Beiträgen Maskenfaschisten geklatscht und Zulagen verlangt. Drakonische Strafen eingefordert. Usw. Was ist denn los mit dir? Haben sie deinen Namen weggekapert?
Nee gar nicht richtig so. Die Leute sollen zu Hause bleiben und nicht ihre Krankheiten verbreiten.
Die Entscheidung ist vollkommen nachvollziehbar, da die bisherige Regelung unausgegoren ist. Das Beherbergungsverbot knüpft einzig an den melderechtlichen ersten Wohnsitz in einem innerdeutschen „Risikogebiet“ an. Alle anderen durften im Land in Hotels übernachten. Z.B. Touristen, die nicht ihren ersten Wohnsitz im Risikogebiet haben, aber vorher mehrere Tage selbst im Risikogebiet waren; private Besuche aus Risikogebieten; Tagestouristen; Bewohner mit gemeldetem zweiten Wohnsitz und überwiegendem Aufenthalt im Risikogebiet….
Ich glaube, die Richter haben in virologischer Hinsicht nichts kapiert. Wenn ich den Einzelfall betrachte, so scheint es kein großer Beitrag zum Infektionsgeschehen durch das Beherbergen zu geben. Aber es ist eben die Summierung vieler kleiner Geschehnisse, welche die Pandemie beschleunigen. Auch der wirtschaftliche Schäden im Falle einer unkontrollierten Pandemie ist weit größer als der Schaden eines Lockdowns. Hier muss die Politik weiterhin einen Einschätzungsspielraum haben, was jetzt wichtig ist und was nicht. Die Argumentation ist daher nicht nur an den virologischen Erkenntnissen vorbei, sondern auch verfassungswidrig, weil damit der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems riskiert wird.
Wenn Politik und Gericht versagen, kann man nur noch hoffen, dass viele freiwillig ihre Kontakte eindämmen.
Es ist nicht sinnvoll, die Richter für eine schlecht verfasste Regelung zu kritisieren. Mit dem Beherbergungsverbot werden einzelne Gewerbetreibende / Wirtschaftszweige herausgepickt, die an der Verbreitung des Virus keinen wesentlichen Beitrag leisten. Im Übrigen verweise ich auf oben: warum soll jemand, der in Köln gemeldet ist, nicht in einem hallischen Hotel übernachten dürfen, dafür aber bei Freunden auf einer Party mit 25 Personen teilnehmen, wohingegen ein Schweriner, der die letzten zwei Wochen in Köln oder Berlin war und dort ausgiebig die Nachtszene genossen hat, problemlos im Hotel in Sachsen-Anhalt absteigen darf?
„Mit dem Beherbergungsverbot werden einzelne Gewerbetreibende / Wirtschaftszweige herausgepickt, die an der Verbreitung des Virus keinen wesentlichen Beitrag leisten.“
So argumentieren die Gastronomen, die Hoteliers, die Saunen, die Fitnessstudios. Merkst du was? Niemand will es sein, aber alle zusammen sind sie es.
Ich merke es und versuche sachlich zu bleiben. Wenn es bisher keine belegten Infektionsherde in Hotels und Gaststätten, die sich an das Hygienekonzept gehalten haben, gegeben hat, ist es eben schwer verständlich, warum „nur“ oder „gerade“ diese die Verantwortung tragen oder den Sündenbock spielen müssen. Wenn die „Einreise“ ins Land Sachsen-Anhalt zu privaten Feiern und Übernachtungen und umgekehrt weiter möglich bleibt, ist die derzeitige Regelung des Beherbergungsverbots eben nicht nachvollziehbar. Merkste was?
Eindämmungsregelungen sind wichtig und erforderlich, allerdings müssen sie auch wirksam sein bzw Sinn ergeben. Was anderes besagt auch nicht die Entscheidung des Gerichts.
So. Gut gemacht. Alle, die hier sich mit „Allmacht durch Corona“ an Freiheitsrechten vergriffen haben, haben stellvertretend aufs Maul gekriegt.
Sehr gut, daß man den Politfutzis, auch in der Landesregierung, gerichtlich die Hosen herunterreißen kann. Das ist gelebte Rechtsstaatlichkeit.
Endlich mal ein guter Tag für LSA!
Ich glaube es hackt!
Das ist Alltag (statistisch mehr als 1 Normenkontrollverfahren pro Tag in D), auch wenn dir das noch nie aufgefallen ist. Allerdings war das hier bisher nur eine vorläufige Maßnahme, keine abschließende Regelung. Die Hose ist noch an, die Maske muss noch getragen werden. Aber schön, dass du wieder ein kleines bisschen Hoffnung hast.
@Hallenser
Klar ist die Hose runter: das Beherbergungsverbot in Sachsen-Anhalt ist außer Vollzug gesetzt. „Vorläufig“ spielt da keine Rolle mehr. Das Hauptsacheverfahren findet so schnell nicht statt.
Ein grandioser Sieg über das Corona-Deutungs- und Auslegungsmonopol in Sachsen-Anhalt – das ist diese Entscheidung. Ein Sieg über alle Apologethen des Eingrabens. Und auch ein Triumpf über diese ständig scharfe Maßnahmen fordernden und begrüßenden „Freunde“ von „Hauptsache Halle“ … hihihi!
Corona wurde weder ausgelegt noch gedeutet, auch nicht vom Oberverwaltungsgericht. Lediglich die Verhältnismäßigkeit eines Beherbungsverbots wurde durch einen Bürger angezweifelt. Das Gericht hat entschieden, dass diese Zweifel nicht völlig unberechtigt sind, die Verhältnismäßigkeit also nicht gewahrt sein könnte. Mehr nicht.
Ob deine Freunde mit einer Ferienwohnung in Naumburg zu tun haben, ist höchst zweifelhaft. Aber da weißt du sicher mehr. Schließlich kennst du auch die korrrräkte Schreibweise von Apologeten und die dazugehörige Bedeutung bestimmt noch besser.
In so einer Situation muss man nicht verreisen und auch in einem Fremden Hotel wohnen, das sollte doch jeder denkende Mensch begreifen
Die Leute die jetzt verreisen haben von Solidarität noch nie etwas gehört in ihrem Leben, schade
Lasst Euch nicht andauernd kirre machen. 95% der Infektionen sind innerhalb Deutschlands.
Die Legende, dass die „zweite Welle“ durch jene verursacht wird, die sich nicht an Regeln halten, hat nichts mit der Realität zu tun․
Der Aberglaube, wenn alle die von der Politik aufgestellten Verhaltensvorschriften befolgen, dann verschwindet das Virus SARS-CoV-2 und endet die Pandemie, sitzt anscheinend bei vielen Menschen tief․ Ihre Enttäuschung, dass die Maßnahmen, die das gesellschaftliche Leben einschnüren, und die Regeln anscheinend nichts bringen und nicht enden, wird an jenen ausgelassen, die diesem Aberglauben nicht folgen․ Die Regierenden fördern diese Stimmung, die die Gesellschaft noch tiefer gespalten hat․ Sie sind verantwortlich dafür, dass die Angst bei vielen Menschen den Verstand ausschaltet․ Doch der Traum beziehungsweise der Wahn von der allumfassenden Kontrolle ist eine gefährliche Illusion․ …
Quatsch. FREIHEIT „ist eine gefährliche Illusion“. Für alle Herrschenden, zu allen Zeiten.
„Der Aberglaube, wenn alle die von der Politik aufgestellten Verhaltensvorschriften befolgen, dann verschwindet das Virus SARS-CoV-2 und endet die Pandemie, sitzt anscheinend bei vielen Menschen tief․“
Was fabulieren Sie hier für einen abratigen Unsinn? Nie hat „die Politik“ das behauptet. Es ging lediglich um die drohende Überlastung des Gesundheitssystems.