Klosterkirche Neuwerk und 3000 Jahre alte Siedlungsreste am Botanischen Garten entdeckt
Ganze Arbeit hat Kardinal Albrecht vor rund 500 Jahren geleistet. Er hat in der Innenstadt seine Neue Residenz gebaut und das Augustinerkloster Neuwerk geschlossen und bis auf die Grundmauern abreißen lassen. Die Steine wurden sorgsam herausgebrochen und für den Bau der Neuen Residenz verwendet. Ein Statement, das Kloster sollte auch aus dem Gedächtnis getilgt werden. Doch mit Hilfe der modernen Archäologie ist jetzt die einstige Klosterkirche wieder zu Vorschein gekommen. Denn die Gruben ließ Albrecht damals mit Erde verfüllen. Und durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Erdschichten bilden sich heute die Grundrisse ab. Zudem konnten die Archäologen doch noch einen kleinen Mauerrest bergen.
Möglich wurden die Arbeiten, weil die UNiversität ein Herbarium bauen will. Und bevor die Bauarbeiter anrücken, haben die Archäologen das Gebiet am Wirtschaftseingang untersucht. Dort zeichnete sich die südliche Seitenapsis ab, ebenso der Beginn der Hauptapsis eines großen Kirchenbaus – hier konnte nicht weiter gesucht werden, der Bau setzt sich unter der heutigen Straße Kirchtor fort. Bislang hatten Forscher die Kirche näher an der Saale vermutet.
Auch am Bauort für das neue Forschungsgebäude wurde gegraben. Hier haben die Forscher 21 Bestattungen entdeckt. Sie gehörten zum Friedhof der Laurentiuskirche, der ursprünglich größer war als heute.
Insgesamt haben die Archäologen 20.000 Knochen- und 10.000 Keramik-Funde gemacht. Denn schon vor dem Klosterbau war das Gebiet besiedelt. Die Besiedlungsspuren reichen in diesem Bereich bis in die Späte Bronzezeit / Frühe Eisenzeit, also etwas 9./8. Jahrhundert vor Christus zurück. Einzelne Pfosten- und Siedlungsgruben sowie die dazugehörigen Keramikfunde lassen auf eine dörfliche Ansiedlung von Salzwirkern schließen, deren Häuser Nordwest-Südost ausgerichtet waren.
Die landes- und kirchengeschichtliche Bedeutung des im Jahr 1116 in topographisch exklusiver Lage zwischen Halle und Giebichenstein gegründeten Augustinerstifts kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Vermutlich waren es Augustinerchorherren aus dem damals zur Diözese Passau gehörigen Kloster Reichersberg, die sich auf dem Bergsporn oberhalb der Saale niederließen. Zur Kirchenweihe 1124 wurden dem Kloster die Reliquien des Heiligen Alexander übertragen. Es muss spätestens zu diesem Zeitpunkt baulich wie liturgisch etabliert gewesen sein. Bereits 1121 war das Augustiner-Chorherrenstift zum Neuen Werk mit privilegierten Markt- und Zollrechten ausgestattet und besaß umfangreichen Besitz an Land, Mühlen (Steinmühle) und Pfarrrechten. Die mit dem Bau des Klosters erfolgte Ansiedlung von Tagelöhnern und Handwerkern wurde zur nova villa erhoben und bekam nach 1194 (erst 1241 erwähnt) die in der Nähe zur Klosterkirche gelegene Pfarrkirche St. Laurentius. Der Ort an der strategisch singulären Heer- und Handelsstraße, die über Burg Giebichenstein nach Magdeburg führte, entwickelte sich zur vorstädtischen Siedlung und späteren Amtsstadt Neumarkt, die jahrhundertelang wirtschaftlich stark mit Halle konkurrierte.
Der legendär reiche Besitz des Klosters, das 1184 als Moritzstift sogar ins hallesche Stadtgebiet expandierte, ist aufgrund der historischen Quellenlage gut bekannt. Dagegen ist seine Stellung als einflussreiches Archidiakonat im Erzstift Magdeburg und Ort monastischer Gelehrsamkeit nur stiefmütterlich tradiert. Mit der spektakulären Aufhebung des Klosters in der Reformationszeit gerieten wichtige Ereignisse der Klostergeschichte in Vergessenheit, wie etwa die Heiligsprechung des 1144 verstorbenen Probstes Lambert von Neuwerk, an dessen Grab es 1153 eine Wunderheilung gab.
Ausgelöst durch ihren Ordensbruder Martin Luther geriet das Kloster der Augustinerchorherren in den Strudel der Reformation. Ab 1520 begann Kardinal Albrecht von Brandenburg mit dem Bau eines neuen Stifts, das bereits 1523 geweiht wurde. Zentrum des neuen Stifts war die heutige Domkirche zu Halle, auf sie sollte der Besitz des Klosters Neuwerk übergehen. Das Neue Stift übernahm die Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen von Neuwerk, das dadurch in Bedeutungslosigkeit versank, 1528 wurde das Kloster an den Kardinal übergeben. Zu der Zeit befanden sich dort neben Probst und Prior noch 20 Augustinerchorherren. 1530 wurde Neuwerk aufgelöst, die letzte Messe am 24. August 1531 gesungen, und danach zunächst die Kirchen- sowie Klausurgebäude abgetragen. Sämtliches Vermögen ging auf das Neue Stift über. Das Abbruchmaterial der Klosterbauten kam dem Bau der Neuen Residenz am Neuen Stift zugute, wobei einige exklusive Bauteile im Innern aufwändig als Spolien präsentiert wurden.
Dennoch blieben Teile des Klosterareals erhalten, vor allem die Wirtschaftsgebäude bzw. dementsprechend veränderte Klausurbereiche. Sie wurden vornehmlich zur späteren Brauerei des Amtes Giebichenstein umgenutzt. Die letzten bekannten Reste verschwanden – mit Ausnahme des Braukellers – erst mit der städtebaulichen Verdichtung ab Ende des 19. Jhs. Sämtliche Pläne und Ansichten zeigen uns lediglich die Situation nach dem Abbruch der Sakralgebäude 1531 und führten somit zu Fehlinterpretationen.
Zur Kirche selbst ist nur sehr wenig überliefert. Aufgrund einer Siegeldarstellung ist von einer viertürmigen romanischen Kirche auszugehen, mit Portal und rundbogigen Fenstern. In der „Dreyhauptschen Chronik“ aus der Mitte des 18. Jhs. ist von Kapellen sowie mehreren (Stiftungs-)Altären die Rede. Die Kubatur und Dimension von Kirche, Klausur und Wirtschaftsgebäude ist nicht bekannt, dürfte aber beeindruckend gewesen sein.
Angesichts der historischen Bedeutung des Klosters Neuwerk, das bis zu seinem Niedergang in der Reformationszeit das mächtigste Kloster im Süden des Erzbistums Magdeburg war, kann die Wiederentdeckung des Kirchenstandortes als bauarchäologische Sensation von mehr als stadtgeschichtlicher Relevanz gewertet werden.
Vor allem östlich der Hauptapsis der Klosterkirche wurden 117 Bestattungen von Männern, Frauen und Kindern freigelegt. Sie datieren ins Hoch- und Spätmittelalter. In einem Grab lagen in der Beckengegend mehrere Münzen, bei denen es sich um Brakteaten Herzog Bernhards von Sachsen-Wittenberg aus der Zeit zwischen 1183 und 1212 handelt. Hervorzuheben ist ferner eine Bestattung in unmittelbarer Nähe der Seitenapsis mit einem stark korrodierten Eisenobjekt in der Herzgegend. Ein Kindergrab enthielt zudem neben dem Kopf ein zusammengefaltetes Bleitäfelchen mit Inschrift. Gemäß mittelalterlichem Volksglauben besaß Blei magisch heilende Kräfte, christliche Beschwörungstexte sollten Unheil abwehren.
„Ganze Arbeit hat Kardinal Albrecht vor rund 500 Jahren geleistet. Er hat in der Innenstadt seine Neue Residenz gebaut…“
„Er“ hat gar nix gebaut, genauso wenig wie all die anderen Herrscher. Die Bauleute und Handwerker haben stets gebaut, die Herrscher haben nur beauftragt und mit ergaunertem Geld bezahlt, wie üblich.
„…ebenso der Beginn der Hauptapsis eines großen Kirchenbaus – hier konnte nicht weiter gesucht werden, der Bau setzt sich unter der heutigen Straße Kirchtor fort.“
Na und? Dann sperrt man diese Straße eben mal auf unbestimmte Zeit, das kann Halle doch sonst auch ohne Bauchschmerzen, sogar bei wesentlich wichtigeren Straßen.
„Halle“ hat überhaupt noch nix gesperrt, genauso wenig wie all die anderen Städte und Gemeinden. Die Verwaltungsmitarbeiter, Beauftragten und Subunternehmer haben die Sperrungen stets veranlasst und eingerichtet. Die Städte und Gemeinden haben auch nie derartige Aufträge verteilt, wie sie auch keine Bauchschmerzen haben können.
Es geht hier nicht um linguistische Feinheiten, sondern um eine häufig verwendete Formulierung, die die wahren Verhältnisse bewusst oder aus Nachlässigkeit verschleiert.
Eine Formulierung wie „[Straßen auf unbestimmte Zeit sperren] kann Halle doch sonst auch ohne Bauchschmerzen“, obwohl „Halle“ keine Straßen sperren kann und schon gar nicht auf unbestimmte Zeit?
Sie verrennen sich weiter und weiter.
„Dann sperrt man diese Straße eben mal auf unbestimmte Zeit“
Warum? Was soll es für Erkenntnisse bringen?
Das war ein Versuch in Sarkasmus. Warte mal noch vier Jahre, vielleicht verstehst du es dann. ?
Schön, dass man auf diesem Portal auch mal was zu lernen kriegt, wenn’s auch wieder nicht ohne verbalen Nahkampf abgeht. Die Verbissenheit der Äußerungen sagt so manches über die Mentalität des hiesigen Menschenschlags aus.
Aber zurück zum Thema: Die Straße „Am Kirchtor“ (Straße? Aphaltierter Feldweg mit Beleuchtung!) aus temporärem Forschungsinteresse zu sperren, sollte ja wohl möglich sein. Man setze dazu in Beziehung den international breitgetrommelten Aufwand in Sachen Himmelsscheibe. Da wurde bekanntermaßen auch nicht gerade gekleckert.
Eins aber habe ich doch einzuwenden gegen die Verfahrensweise. Mitmenschen auszugraben, die die vor etlichen hundert Jahren ihre Ruhe fanden, ist nicht akzeptabel, finde ich. Schon gar nicht, um so was zu finden:
„… mit einem stark korrodierten Eisenobjekt in der Herzgegend.“ Die heutige Kardio-IT arbeitet mit deutlich verfeinerten Werkstoffen.
„… Blei magisch heilende Kräfte“ Bekanntlich waren die Wegwerf-Arbeiter in Tschernobyl derart gekleidet.
Aber das ist eine Abschweifung.