Vergabegesetz: Sachsen-Anhalt will Mindestlohn von 10,33 Euro
Sachsen-Anhalt will Schluss machen mit Dumpinglöhnen. Wirtschaftsminister Armin Willingmann will einen Vergabemindestlohn von 10,33 Euro pro Stunde. Er hat jetzt die ersten Eckpunkte zur Novellierung des Landesvergabegesetzes vorgestellt. CDU und Handwerksammer lehnen das ab, SPD und Linke begrüßen die Pläne.
„Die Novellierung ist notwendig, weil sich die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen seit Inkrafttreten des aktuell gültigen Landesvergabegesetzes Anfang 2013 stark verändert haben“, erläuterte Willingmann. „Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen gut sechs Jahren deutlich leistungsfähiger geworden, die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen. Dennoch liegen die Verdienste in einigen Branchen lediglich auf Mindestlohn-Niveau, die Tarifbindung von Unternehmen ist sogar rückläufig. Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe sollte das Land insofern einen Beitrag dazu leisten, dass die Arbeitnehmer stärker von der positiven Entwicklung der Wirtschaft profitieren und für Unternehmen Anreize setzen, ihre Beschäftigten wieder nach Tarif zu bezahlen“, so der Minister. Weiter betonte Willingmann: „Angemessene Löhne dienen ganz wesentlich auch der Fachkräftesicherung. Wenn es uns nicht gelingt, in Sachsen-Anhalt attraktivere Arbeitsbedingungen zu bieten, wird der Fachkräftemangel weiter zunehmen und das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren empfindlich abbremsen.“
Nach den Vorstellungen des Ministers sollen öffentliche Aufträge für Bauleistungen oder andere Dienstleistungen deshalb grundsätzlich nur noch an Unternehmen vergeben werden, die entweder tarifgebunden sind oder sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistungen mindestens das am Ort tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen. Soweit ein Tarifvertrag bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht herangezogen werden kann, soll künftig ein vergaberechtlicher Mindestlohn greifen. Als Orientierung für die Höhe dieses Vergabemindestlohnes könnte künftig die Entgeltgruppe E1, Stufe 2, des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) dienen. Aktuell würde der Vergabemindestlohn damit bei 10,33 Euro pro Stunde liegen, der Monatsverdienst würde sich auf 1.797,44 Euro brutto belaufen. In den Folgejahren könnte der Mindestlohn in Anlehnung an die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst weiter steigen. „Mehr als die Hälfte aller Bundesländer, darunter auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, hat in den vergangen Jahren einen Vergabemindestlohn eingeführt. Thüringen wird mit einem Landesmindestlohn von 10,04 Euro nachlegen. Und in Brandenburg und Berlin wird über eine Anhebung auf 10,50 beziehungsweise 11,30 Euro diskutiert. Im Wettbewerb um Arbeits- und Fachkräfte muss Sachsen-Anhalt nachziehen“, forderte Minister Willingmann.
Betroffen vom Vergabemindestlohn wären nach gegenwärtigem Stand unter anderem Unternehmen, die gastronomische Leistungen (Catering, Großküchen, Service) sowie Callcenter-Dienstleistungen erbringen. Vom Vergabemindestlohn nicht betroffen wäre fast die gesamte Bauwirtschaft sowie das Bauhandwerk (Maler, Dachdecker, Gerüstbauer …) in Sachsen-Anhalt, weil in diesen Branchen bereits tarifliche Mindestlöhne gelten, die höher sind als der Vergabemindestlohn.
Weitere Eckpunkte zum neuen Landesvergabegesetz
Schwellenwerte: Die Schwellenwerte, ab denen das Landesvergabegesetz greift, sollen in der 2013 festgelegten Höhe bleiben. Bei Bauaufträgen beträgt der Schwellenwert 50.000 Euro und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 25.000 Euro.
Prüfrechte: In einem noch zu bestimmenden Umfang oder anlassbezogen soll der öffentliche Auftraggeber verpflichtet werden, die Einhaltung der Vertragspflichten des Auftragnehmers und seiner Nachunternehmer zu überprüfen. Die Prüfung soll als Bestandteil der Prüfung der Richtigkeit der vom Auftragnehmer gestellten Rechnung und auch durch eine ausreichende Zahl von Stichproben erfolgen.
Weitere Kriterien: Das neue Vergabegesetz soll künftig eine Aufzählung der zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen über Mindestentgelte, die ILO-Kernarbeitsnormen und das Wettbewerbsregister enthalten. Bei der Möglichkeit der Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Kriterien im Vergabeverfahren soll neu aufgenommen werden, dass bei der Vergabe eines Auftrags die Anzahl der sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse beim Bieter hinterfragt werden darf. Auch die Frage der Beschäftigung Schwerbehinderter soll ergänzt werden.
Formularwesen: Ein wesentlicher Kritikpunkt, der sowohl von Vergabestellen als auch von Unternehmen und gewerblichen Kammern im Rahmen der Evaluation des aktuellen Vergabegesetzes vorgetragen wurde, bestand im komplizierten Formularwesen. Ziel im Rahmen der Novelle ist es insofern, das Formularwesen bei Ausschreibungen zu vereinfachen, unnötige Bürokratie abzubauen. Willingmann: „Bei der Entwicklung belastbarer Vergabeformulare im Stile eines Vergabehandbuchs wie auch bei der Untersetzung einzelner Kriterien setze ich auch auf die Wissenschaft.“
Die weiteren Kritikpunkte im Rahmen der Evaluierung waren allgemeiner, grundsätzlicher Natur, widersprachen sich aber auch diametral je nach befragter Interessengruppe“, erläuterte der Minister. „Arbeitgeberseitig wurde beispielsweise die Erhöhung der Schwellenwerte gefordert, arbeitnehmerseitig hingegen eine Absenkung. Mein Ziel ist es, jetzt für eine Novellierung zu werben, die ausgleichend unterschiedliche Interessen berücksichtigt und gleichzeitig den geänderten wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt.“
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas, hat das Landesvergabegesetz als ein „Bürokratiemonster“ bezeichnet. Die Vergangenheit habe deutlich gezeigt, dass wegen sinnfreier und zusätzlicher Bürokratie immer weniger Unternehmen bereit seien, öffentliche Aufträge anzunehmen. Wenn dies das politische Ziel war, dann könne man in der Tat von einem Erfolg sprechen. Der Anspruch der CDU-Fraktion sei aber ein anderer. „Wir haben das Landesvergabegesetz immer als bürokratisch und demzufolge überflüssig bezeichnet. Das sieht auch die gesamte Wirtschaft Sachsen-Anhalts so. Wenn sich die Koalition noch ernst nimmt, dann muss sie für den im Koalitionsvertrag vereinbarten Abbau von Bürokratie sorgen. Die Nachweispflichten im Hinblick auf Kinderarbeit und Arbeitsnormen sind eine bürokratische Zumutung. Eine Novellierung des Landesvergabegesetzes, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, bedeutet für die CDU-Fraktion, dass wir das bestehende Gesetz verändern, aber nicht noch weiter verschlimmbessern. Darüber hinaus hätten wir uns gewünscht, ähnlich wie bei anderen Gesetzesnovellierungen, dass die Koalitionspartner frühzeitig in das Verfahren eingebunden worden wären. Es gibt bereits ein Bundesvergabegesetz indem die Kriterien der öffentlichen Hand für Ausschreibungen festgelegt sind und überdies gilt ein bundesweiter Mindestlohn. Ein von der SPD festgelegter neuer, höherer Mindestlohn ist weder im Koalitionsvertrag vorgesehen noch wird er mit der CDU zu machen sein. Wir haben den zuständigen Minister bereits über unsere Sichtweise in Kenntnis gesetzt“, so Thomas.
Die Handwerkskammer Magdeburg kritisiert unnötige Über- und Doppelregelungen und die Einbeziehung vergabefremder Aspekte, zum Beispiel in Hinblick auf soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien. „Das ist die blanke Bürokratie“, sagt Hagen Mauer, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg. Begrüßt wird aber, dass das Formularwesen vereinfacht werden soll, um Bürokratie abzubauen. Als lebensfremd sieht die Handwerkskammer Magdeburg auch die Verpflichtung der Handwerksbetriebe zur Kontrolle der ILO-Kernarbeitsnormen beim Material (keine Produkte aus Zwangs- und Kinderarbeit usw.) an. „Diese Verbote haben selbstverständlich ihre Berechtigung. In diesem Zusammenhang kann das aber kein Unternehmer tatsächlich weltweit kontrollieren“, so Hagen Mauer. Auch die Kontrollpflichten zu den Arbeitslöhnen, insbesondere auch der Unternehmer untereinander beim Nachunternehmereinsatz hält die Handwerkskammer für nicht vertretbar. Hagen Mauer: „Für die Kontrolle der Einhaltung der Mindestlöhne, der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern existieren bekanntermaßen hochspezialisierte Behörden. Es kann nicht sein, dass diese Kontrollen zusätzlich noch öffentliche Auftraggeber und die Handwerker untereinander durchführen müssen! Sie sollten sich lieber auf eine fachgerechte und schnelle Auftragsabwicklung konzentrieren.“
Zu den bekanntgewordenen Details zum geplanten Vergabegesetz der Landesregierung erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher Andreas Höppner: „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich der Wirtschaftsminister Herr Prof. Willingmann bei der Novellierung des Landesvergabegesetzes dazu durchringen konnte, einen Vergabemindestlohn zu verankern. Die Höhe von 10,33 € hält die Fraktion DIE LINKE allerdings für überholt und zu niedrig angesetzt. Die Fraktion DIE LINKE fordert einen allgemeinen Mindestlohn von 12 €, so auch bei Vergaben der öffentlichen Hand. Medienberichten ließ sich am Wochenende entnehmen, dass die CDU-Fraktion einen solchen Vergabemindestlohn grundsätzlich ablehnt. Interessant wird also bei der Behandlung des Gesetzes im Landtag auch sein, mit welcher Koalition die SPD dieses Gesetz durchbringen wird. Die Fraktion DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung für ein modernes Vergabegesetz dabei, dass öffentliche Aufträge verbindlich an soziale, ökologische und innovative Kriterien gebunden werden müssen, wie etwa Tariftreue, Mitbestimmung, Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und eine faire Beschaffung. Eine verbindliche Regelung für alle öffentlichen Auftraggeber würde gleichzeitig zu einem Bürokratieabbau und zur Rechtssicherheit beitragen. Die Fraktion DIE LINKE wird sich in die Novellierung daher mit eigenen Schwerpunkten und Vorschlägen einbringen, die die Aufträge der öffentlichen Hand attraktiver, rechtssicherer und besser für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen.“
Die SPD-Landtagsfraktion hat die von Wirtschaftsminister Armin Willingmann vorgelegten Eckpunkte für ein neues Landesvergabegesetz als einen wichtigen Meilenstein bei der Neuregelung der öffentlichen Auftragsvergabe begrüßt. „Angesichts der immer wichtiger werdenden Fachkräftesicherung dürfen Dumpingangebote bei der Zuschlagserteilung von Aufträgen keine Zukunft mehr haben“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Steppuhn. „Deshalb ist es gut, dass aus dem bisherigen Vergabegesetz jetzt ein richtiges Tariftreuegesetz werden soll. Hierbei hat der Wirtschaftsminister unsere volle Unterstützung.“ Überall dort, wo es Tarifverträge gibt, müssten diese absoluten Vorrang bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen haben, so Steppuhn weiter. Besondere Bedeutung hätten hier in vielen Bereichen bereits für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge, wie beispielsweise in der Bauwirtschaft. Steppuhn: „Richtig ist es auch, in den Branchen, in denen es keine Tarifverträge gibt, einen vergabespezifischen Mindestlohn einzuführen. Dieser schützt vor Lohndumping und Ausbeutung. Hier hat unser Land eine besondere Vorbildfunktion.“ Eine Verpflichtung zu Tariftreue und ein Vergabemindestlohn seien kein Wettbewerbsnachteil für die heimische Wirtschaft, unterstrich der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Holger Hövelmann: „Das Gegenteil ist der Fall. Die Tarifvorgaben im künftigen Gesetz schützen unsere Betriebe vor Preisdumping und unlauterer Konkurrenz. Und anständige Löhne zu zahlen, ist zudem ein Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte und Auzubildende.“ Hövelmann hob besonders hervor, dass bei der Vergabe von Verkehrsdienstleistungen zukünftig immer der repräsentativste Tarifvertrag zugrunde gelegt werden solle und bei den schienengebundenen Aufträgen auch die verbindliche Übernahme des Personals geregelt werden müsse.
Der ver.di Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen begrüßt die Regelungen zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Entwurf des Landesvergabegesetzes. „Bei der Vergabe von ÖPNV – Leistung nur Unternehmen sowie Subunternehmen zu berücksichtigen, die auch die einschlägigen und repräsentativen Tarifverträge anwenden, führt zu Erleichterung bei den Beschäftigten im ÖPNV,“ beschreibt Gerd Doepelheuer, Landesfachbereichsleiter für den Verkehrsbereich, die Stimmungslage. Durch die Regelungen zum Personalübergang bei Betreiberwechsel im ÖPNV ist damit der Tarifflucht ein Riegel vorgeschoben worden. „Fairer Wettbewerb ist aus unserer Sicht zu begrüßen, solange er nicht zu Lasten der Beschäftigten geht. Unter dem Strich muss die Qualität der abgelieferten Dienstleistung im Vordergrund stehen“, sagt der Gewerkschafter.
Offenbar will Sachsen-Anhalt nicht. Wie aus dem Bericht erkennbar ist, ist weder in der Landesregierung noch im Parlament eine Mehrheit absehbar. Bessere Überschriften wären schon schön.
Und was ist mit den paketboten! Hauptsache der dumme Fahrer bringt mir mein Paket in den 4 Stock für 8.84 Euro vor Steuern natürlich. Braucht sich keiner zu wundern das die boten nur noch unten klingeln. Aber ist ja schon okay wenn ich es hoch rechne jeden Tag Tag 10 h macht 88,40 *20 Arbeitstage =1770 Euro jetzt noch die Steuern ja 1290 Euro für Steuerklasse 1. Na wer steht den da nicht gerne auf und rennt jeden Tag bis in den 4 Stock mit einem Paket hundefutter auf der Schulter, natürlich ein 40 kg Sack oder möbel. Und nicht vergessen immer in der Tür stehen bleiben und Husten (bin grad sooo krank).
Noch eine Regelung als Ergänzung zum gesetzlichen Mindestlohn. Jetzt noch 50 Aufsichtsbeamte, die die Vergabebestimmungen kontrollieren. Sachsen-Anhalt ist nicht zuletzt wegen der Bürokratiesierung ein Armenhaus.