Appell an die Menschlichkeit: “Marsch des Lebens” gegen Antisemitismus zieht im strömenden Regen durch Halle (Saale)

Im Jahr 2007 begann eine Bewegung, die bis heute Menschen weltweit bewegt: der Marsch des Lebens. Was mit einer kleinen Gruppe in Tübingen begann – Nachfahren von Tätern, die sich auf den Weg machten, um Verantwortung für die Geschichte ihrer Vorfahren zu übernehmen – hat sich in den letzten 18 Jahren zu einer internationalen Bewegung entwickelt. Immer mehr Kommunen in Deutschland und darüber hinaus schlossen sich an.
Vor genau zehn Jahren, im Jahr 2015, war auch Halle (Saale) zum ersten Mal Teil dieser Bewegung. In diesem Jahr, am Holocaust-Gedenktag Jom haShoa, setzte die Stadt erneut ein sichtbares und hörbares Zeichen gegen das Schweigen – und gegen das Vergessen.
Mit wehenden Fahnen durch den Regen
Am Donnerstagabend zogen rund 100 Menschen durch die Innenstadt von Halle – von der Synagoge am Wasserturm, über das Steintor bis hin zum Marktplatz. Es regnete in Strömen, doch das hielt niemanden auf. Auf dem Frontbanner stand in großen Lettern: „Wir schweigen nicht“. Es war ein stiller, aber kraftvoller Protest gegen das Vergessen – ein Ruf für Verantwortung und Versöhnung.
Die Veranstaltung war geprägt von Gedenkreden, musikalischen und tänzerischen Darbietungen sowie dem Entzünden von sechs Kerzen – jede eine Erinnerung, jede ein Licht im Dunkel der Geschichte.
Eine Ideologie, die nicht verschwand
„Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg“, erinnerte Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Doch die Ideologie, die ihn befeuerte, sei nie ganz verschwunden. Sie habe sich gewandelt, sei heute subtiler, moderner – aber nicht weniger gefährlich. Die Parolen von damals würden wieder salonfähig. Privorozki machte deutlich: „Israel ist untrennbar mit jeder jüdischen Seele verbunden.“ Die Hoffnung und Stärke, die von Eretz Israel ausgehe, helfe, den Schmerz der Gegenwart zu tragen.
Gedenken heißt handeln
Wolfgang Schneiß, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung, sprach nicht nur über die Geschichte. Er schlug die Brücke in die Gegenwart. Er erinnerte an das reiche jüdische Leben in Halle, das einst fester Bestandteil der Stadt war – und das auf brutalste Weise ausgelöscht wurde. Er sprach über den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 und die daraus folgenden Ängste und Sorgen der jüdischen Gemeinden weltweit.
„Die Gesellschaft als Ganzes ist gefordert, sich zu positionieren“, sagte Schneiß. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die enge Bindung jüdischer Gemeinden an Israel gegen sie verwendet werde. Kritik an Israel sei erlaubt – ja, sogar notwendig in einer Demokratie. Aber: Sie dürfe kein Einfallstor für Antisemitismus werden.
Mahnende Verantwortung für die Stadt Halle
„Der Marsch des Lebens ist ein lebendiges Zeichen gegen das Vergessen und für Versöhnung“, sagte Bürgermeister Egbert Geier. Auch Halle habe eine Verantwortung, denn hier seien jüdische Bürger während der NS-Zeit entrechtet, ausgegrenzt und deportiert worden. „Die Wunden dieser Zeit sind bis heute spürbar.“ Man sehe sie in den Stolpersteinen, die auf Halles Straßen an jüdische Opfer erinnern – und man spürte sie beim Anschlag auf die Synagoge im Jahr 2019, als der Hass erneut sein Gesicht zeigte.
Der Krieg der Herzen ist nicht vorbei
„Am 8. Mai 1945 titelten Zeitungen: ‘War is over‘ – doch das galt nicht für den Antisemitismus“, sagte der Theologe Stefan Haas von der TOS Freikirche. Der Hass gegen Jüdinnen und Juden habe sich weitergetragen, habe neue Formen gefunden – etwa als Antizionismus, der in der DDR sogar Staatsräson war.
Besorgniserregend sei heute das Erstarken der AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ihre Landesverbände, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, verharmlose die NS-Zeit und spiele mit einem völkischen Weltbild. „Das ist kein Zufall, das ist ein Rückfall“, so Haas. Er sprach auch eine unbequeme Wahrheit an: „Die Kirchen waren jahrhundertelang eine Hauptquelle für Antisemitismus.“ Ihre Botschaften seien missionarisch in die Welt getragen worden – mit katastrophalen Folgen für das jüdische Volk.
Zu Wort kam mit Viktor auch einer der Überlebenden des Warschauer Ghettos. Als Kind musste er dort ausharren, wurde Zeuge zahlreiche Pogrome. Das Leben sei dort im Prinzip so wie in einem Konzentrationslager gewesen. Die Bewohner des Ghettos musste selbst für Lebensmittel und Kleidung sorgen. Eine junge Frau gab Einblicke in ihrer Familiengeschichte. So seien ihre beiden Urgroßväter Wehrmachtssoldaten im Osten gewesen. Eine andere Frau ging auf den Hamas-Terroranschlag 2023 ein. Einer ihrer Bekannten sei bei dem Nova-Musikfestival entführt worden und sei heute noch immer eine Geisel. Eigentlich habe er nach dem Festival die Laubhütte bei seiner Familie abbauen wollen, eine jüdische Tradition ist das Laubhüttenfest. Seine Familie habe heute noch immer die Laubhütte bei sich stehen.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Der Marsch des Lebens in Halle war nicht nur ein symbolischer Akt – er war ein Appell. Ein Aufruf an jede und jeden, sich dem Hass entgegenzustellen. Gedenken heißt nicht nur zurückschauen – es heißt, heute und morgen Verantwortung zu übernehmen.
Denn die Geschichte darf sich nicht wiederholen. Und Schweigen ist keine Option.















Ähm … ja was denn nun? 🤔
Worte und ihre Bedeutung.
Wohl niemand hier, der deine Kommentare liest, hat dein zartes Stimmchen je gehört. Dennoch würden sich mindestens ebenso viele sehr freuen, wenn du wenigstens zu ein paar Themen auch mal schweigst.
Und Palästina wird von Israel ausgelöscht. Aber mit dieser Aussage wird man in Deutschland zum Antisemiten.
Naja, das schaffen die sogenannten Palästinenser schon selbst. #SowasKommtVonSowas