Bildungsminister auf Schulbesuch
Am Donnerstag hat das neue Schuljahr begonnen. Bildungsminister Marco Tuller (CDU) hat aus diesem Grund der Reil-Sekundarschule in Halle einen Besuch abgestattet. Zum Dank gab es für ihn eine kleine Zuckertüte. „Alles Gute zum Schulstart. Und viel Spaß beim Lernen“, twitterte der Minister von seinem Besuch.
Natürlich war die Unterrichtsversorgung Thema. Allein an der Reil-Schule fehlen derzeit 17 Wochenstunden, das entspricht laut Schulleiter Michael Götz einer halben Stelle. Immer noch kein Ideal-Zustand, aber gegenüber dem Vorjahr eine Verbesserung. Da fielen teilweise 100 Stunden pro Woche aus. Und weil die Schülerzahlen steigen, könnte auch wieder eine Verschlechterung der Unterrichtsversorgung eintreten. Zudem stößt die Reil-Schule an ihre räumlichen Grenzen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW Sachsen-Anhalt sieht weitere massive Verschlechterungen in der Unterrichtsversorgung auf die Schulen des Landes zukommen. Mehr als ein Viertel der ausgeschriebenen Stellen konnte nicht besetzt werden, gleichzeitig steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler. Die GEW schaltet ab sofort einen „digitalen Kummerkasten“, damit alle Betroffenen über die Zustände an den Schulen direkt berichten können. Entgegen der langjährigen Tradition verschiebe das Bildungsministerium die Vorstellung der Basisdaten zum neuen Schuljahr auf einen späteren Zeitpunkt. Für Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, ist dies ein weiteres Zeichen des absehbaren Desasters: „Erstmals droht eine Situation, in der auch auf dem Papier die Unterrichtsversorgung unter 100 % liegt, in der also auch ohne Krankheit, Mutterschutz, Fortbildung von Lehrkräften Unterricht ausfallen wird.“ Minister Tullner wisse sehr genau, warum er mit den Zahlen hinter dem Berg halte. „Steigende Schülerzahlen, weniger Lehrkräfte, immer mehr Krankheitsfälle durch Überlastung – das ist die Realität an den Schulen. Dies lässt sich auch durch Rechentricks nicht ins Positive kehren“, sagte Gerth weiter. Mit dem „digitalen Kummerkasten“ wolle man allen Betroffenen, also Eltern, Lehrkräften aber auch den Schülerinnen und Schülern, die Möglichkeit geben, ihre Eindrücke vom Schuljahresstart und der Unterrichtsversorgung öffentlich zu machen. Der Kummerkasten ist unter gew-sachsenanhalt.net/blog erreichbar und kann auch anonym genutzt werden. Dabei werden alle datenschutzrechtlichen Normen beachtet. Über die eingehenden Fakten wird die GEW die Öffentlichkeit aber auch die politisch Verantwortlichen in geeigneter Weise in Kenntnis setzen.
Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Thomas Lippmann, sagte: „Die Vorbereitung eines neuen Schuljahres und der Start nach den verdienten Sommerferien ruft immer ein größeres öffentliches Interesse hervor. Und so ist es eine lange und gute Tradition, dass der zuständige Minister in der Vorwoche in einer Pressekonferenz darlegt, wie die sich Bedingungen für die Aufnahme des Schulbetriebes entwickelt haben und welche Neuerungen bzw. Schwerpunkte es für die Arbeit in den Schulen gibt. Nicht so in diesem Jahr. Minister Tullner verantwortet den schlechtesten Start in ein neues Schuljahr – und hofft, damit durchzukommen, indem er den Eltern und der Öffentlichkeit die Fakten verschweigt. In der ganzen Reihe seiner Fehlentscheidungen und unterlassenen Maßnahmen ist das erneute Scheitern bei der vollständigen und rechtzeitigen Besetzung von ausgeschriebenen Lehrerstellen der bisher letzte Akt in einem einzigen Trauerspiel. Statt angesichts der prekären Lage an den Schulen zumindest den ernsthaften Versuch zu unternehmen, die Möglichkeiten des Haushaltes durch die Ausschreibung von mindestens 500 Stellen auszuschöpfen und durch eine durchgreifende Änderung der Ausschreibungs- und Einstellungspraxis dann auch geeignete Bewerber ab dem ersten Schultag in die Klassenzimmer zu bringen, wurden nur 370 Stellen ausgeschrieben und das dann auch noch so, dass davon 100 Stellen nicht besetzt werden konnten. Gleichzeitig wurden erneut mehr als 100 Bewerber abgewiesen, obwohl sie eine vollständige Lehrerausbildung hatten oder schon als Sprachlehrkräfte erfolgreich in den Schulen gearbeitet haben, weil sie auf die Ausschreibung nicht „gepasst“ haben. Dies geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage hervor. Statt auf ausgebildete Lehrkräfte zurückgreifen zu können, müssen die Schulen darauf hoffen, dass immer mehr Seiteneinsteiger ohne pädagogische und didaktische Ausbildung (von 60 Einstellungsangeboten kamen 37 Einstellungen zustande) und ab diesem Schuljahr auch die Lehrer im Vorbereitungsdienst ohne Unterrichtserfahrung mit den ihnen übertragenen Unterrichtsaufgaben klarkommen. Man kann den Schulen nur wünschen, dass dies möglichst oft der Fall sein wird – ein Erfolgsrezept ist dies aber nicht und wachsende Probleme sind hier in jedem Fall zu erwarten. Stellt sich der Erfolg nicht ein, sind die Schulen ohne Alternative zum Ausfall des Unterrichts. Die Fraktion fordert von der Landesregierung, über eine sofortige offene Ausschreibung dafür Sorge zu tragen, dass spätestens bis zu den Oktoberferien alle Stellenoptionen, die der aktuelle Haushalt bietet, durch weitere Neueinstellungen ausgeschöpft werden und sich die Situation an den Schulen zumindest teilweise entspannen kann. Außerdem fordert sie den Bildungsminister auf, unverzüglich die üblichen Daten zur Situation an den Schulen zum Schuljahresbeginn dem Parlament und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.“
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