Bundespräsident Steinmeier in Halle: Oper, Leopoldina, Moritzburg
Im Berufsverkehr war am Donnerstagmorgen die Chance groß, plötzlich vor einer Polizeiabsperrung zu stehen. Denn das deutsche Staatsoberhaupt war zu Gast in Halle, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Schon den ganzen Morgen glich das Charlottenviertel einer Festung, Polizei-Transporter standen in den Straßen – schließlich übernachtete Steinmeier im Dorint-Hotel. Kurz vor 9 kam dann Hektik auf. Angeführt von einer Motorradstaffel bahnte sich der Dienst-Audi mit dem Kennzeichen 0-1 seinen Weg durch Halle. Andere Autofahrer oder die Straßenbahn konnten den Bundespräsidenten auf seinem Weg nicht ausbremsen. Magdeburger Straße, Joliot-Curie-Platz und Moritzburgring waren kurzzeitig von der Polizei abgesperrt. Gut zehn Minuten hieß es für den normalen Hallenser: Warten.
Erste Station für Steinmeier war die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Vor den Toren des Logenhauses am Jägerberg wurde er von Akademie-Präsident Jörg Hacker sowie Ministerpräsident Reiner Haseloff und seiner Gattin Gabriele begrüßt. Schnell noch ein paar Fotos für die Presse, dann ging es ins Gebäude, wo ihm eine Handschriften-Replik von Albart Einstein übereicht wurde. Nach einer kurzen Pause ging es dann in den Festsaal, wo bereits zahlreiche Gäste – darunter viele Gymnasiasten, warteten. Dort ging es um die Digitalisierung. Akademie-Präsident Jörg Hacker scherzte halb, in ein paar Jahren werde es vielleicht solche Treffen nur noch mit Hologrammen geben. Doch die Wissenschaftsakademien leben von persönlichen Gesprächen, auch wenn die Mitglieder über ganze Welt verteilt seien. Deshalb begrüße er die Gäste mal analog. Hacker dankte in seiner Eröffnungsrede auch der Stadtverwaltung, von der man immer wieder in Detailfragen Unterstützung erhalten.
Steinmeier selbst zählte seine vielen Reisen auf. Zwischen Harz und Elbe sei er in den letzten Monaten viel gewesen, auch durch das Luther.Jahr. „Herr Ministerpräsident, wir belagern Sie fast“, scherzte Steinmeier. Olympia, Buckingham Palast… nur ein Ort fehle: das Weiße Haus. „Doch heute ist es endlich soweit“, nahm Steinmeier Bezug auf das prachtvolle Gebäude der Leopoldina auf dem Jägerberg, dass die Presse liebevoll „Weißes Haus“ getauft hat. Ein Glücksfall für das ganze Land sei die Leopoldina. Politik und Gesellschaft bräuchten kluge Beratung, um Antworten auf Zukunftsfragen zu finden. Steinmeier ging aber auch darauf ein, dass von manchen Seiten immer wieder versucht werde, die Wissenschaft zu delegitmieren. Der Kampf gegen das sogenannte Establishment habe auch die Wissenschaft erreicht. Der Dieselskandal beispielsweise habe die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft beschädigt und sei Wasser auf die Mühlen der Wissenschaftsfeinde. Wie wird sich die Demokratie durch die Digitalisierung, durch soziale Medien verändern? Wie verhalten sich die Grundrechte mit den Monopolen digitaler Firmen? Welche Auswirkungen hat „Big Data“? Steinmeier nannte beispielhaft China. Das Land will ein System aufbauen, in dem alle Bürger digital mit einem Punktesystem erfasst sind – Bürger genauso wie Unternehmen oder Vereine. Das Punktekonto wächst an durch den Staat genehmes Verhalten und schrumpft, wenn man nicht mit dem Staat auf einer Linie ist. Das wiederum kann später Auswirkungen bei der Jobsuche oder die Aufnahme an eine Hochschule haben. „Zugewinne durch Wohlverhalten, Abzüge durch Schlechtverhalten“, sagte Steinmeier. Angesichts der Digitalisierung sei es nötig, den Menschen das nötige Rüstzeug mitzugeben. „Die Bildung für die digitale Welt muss mehr sein als ein Tablet im Unterricht.“ Die Aufgabe sei gewaltig, Vereifachung werde nicht helfen. Die komplette Rede Steinmeiers und die anschließende Podiumsdikussion gibt es in voller Länge am Ende des Artikels als Video.
Nach dem Abstecher in die Leopoldina ging es in die Oper. Hier stellte die Bürgerstiftung ihr Projekt „Max geht in die Oper“ vor. Paten ermöglichen Kindern aus bedürftigen Familien einen Theater- oder Museumsbesuch. Doch die Bürgerstiftung kümmert sich auf vielfältige Weise um Halles Kinder. So haben die Kleinen zum Beispiel ein eigenes kleines Kochbuch entwickelt. Ein davon wurde Steinmeier überreicht. Für ein paar Minuten setzte sich Steinmeier zu den Kindern an den Tisch, ließ sich von ihnen erklären, was sie in den Projekten der Bürgerstiftung schon erlebt haben. Die Kinder waren ganz auf den Staatsbesuch getrimmt, was auch zu absurden Situationen führte. So hat ein Mädchen am Tisch aus Zeitschriften Fotos von Steinmeier und Haseloff ausgeschnitten. Und damit die Fotos in den Zeitungen auch gut aussehen, wurden die Kinder und ihre Paten an den Tischen umgesetzt – es musste bis ins Detail stimmen. Und während Steinmeier in der Oper weilte, staute es sich rund um den Joliot-Curie-Platz. Die Polizei hatte hier für die Dauer des Besuchs die Abfahrt zum Moritzburgring gesperrt.
Nachmittags hat Steinmeier noch einen Abstecher nach Brehna ins Dauerlaufprüfzentrum gemacht. Und am Abend stand dann noch ein Besuch in der Moritzburg an.
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