„Die Situation ist dramatisch“: Land prüft Dürre-Hilfen für Bauern
Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert hat heute im Kabinett zur aktuellen Lage der Land- und Forstwirtschaft bei anhaltender Trockenheit berichtet. Die Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes seien eindeutig: „Die Situation ist sehr ungewöhnlich: Selbst in unseren guten Böden ist kaum noch Bodenfeuchte feststellbar. Es steht den Pflanzen kein Wasser mehr zur Verfügung. Das statistische Niederschlagsdefizit zeigt, dass wir es mit einer extremen Dürre zu tun haben.“
Die Ministerin berichtete von ihren Besuchen bei Landwirten vor Ort in der vergangenen Woche und zeigte deutlich ihre Betroffenheit. Sie wiederholte: „Wir lassen unsere Landwirtinnen und Landwirte nicht allein. Wir ergreifen alle möglichen Maßnahmen, um sie zu unterstützen.“
Jetzt, so berichtete sie im Kabinett, gehe es darum zu prüfen, ob die Trockenheit als ein einer Naturkatastrophe gleichgestelltes widriges Witterungsverhältnis anerkannt werde. Die Schätzungen zu den Ernteerträgen erwarten fast flächendeckend im ganzen Land ein Drittel oder mehr Ernteeinbußen. Dalbert: „Ich gehe davon aus, dass die Dürre mit einer Naturkatastrophe gleichgesetzt wird.“ Das sei gegeben, wenn mindestens 30 Prozent der durchschnittlichen Jahreserzeugung durch die Dürre zerstört wurde. Belastbare Ernteergebnisse würden Ende August vorliegen. Die Ministerin kündigte eine Vorlage für das Kabinett für September 2018 an, sodass dann das Kabinett über finanzielle Hilfsmaßnahmen entscheiden könne.
Auf der Amtschefkonferenz der Landwirtschaftsministerien hätten die Bundesländer die Initiative aus Sachsen-Anhalt positiv aufgenommen und mit einem Antrag unseres Landes sowie Mecklenburg-Vorpommerns den Bund um Hilfe gebeten. Hierzu werde es noch in diesem Monat ein Gespräch auf Arbeitsebene geben, erklärte die Ministerin.
Schließlich machte die Ministerin auf die Auswirkungen der Klimakrise aufmerksam: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte, aber beispielsweise auch unsere Kleingärtnerinnen und Kleingärtner oder alle, die gern in den wunderschönen Parks in unserem Land spazieren gehen, sehen und spüren, wie die Klimakrise uns direkt betrifft. Die Klimadaten zeigen, dass wir in Zukunft mit zunehmenden Temperaturen und größerer Trockenheit rechnen müssen. Es ist jetzt der Moment, in dem wir uns alle darauf einstellen müssen. Wir werden hierzu beispielsweise mit der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Informationsveranstaltungen zur Klimafolgenanpassung in der Landwirtschaft anbieten“, kündigte die Ministerin an.
In dieser Woche wird der „Supersommer“ weiter anhalten. Während sich Urlauber und Ferienkinder über das schöne Badewetter freuen, verstärkt sich die Katastrophe in der Landwirtschaft weiter. Besonders betroffen sind die Regionen Altmark, nördliche Börde, Jerichower Land, Salzlandkreis und Anhalt, heißt es vom Landesbauernverband. Noch nie habe die Getreide- und Rapsernte so früh, drei Wochen eher als normal, begonnen. Und auch alteingesessene Landwirte könnten sich nicht daran erinnern Mitte Juli mit der Mähdruschernte fertig gewesen zu sein. Die erreichten Erträge sind ein Desaster. Der Bauernverband hat dazu in der vergangenen Woche die Realerträge von fast 100 Mitgliedsbetrieben abgefragt. Bei einem Vergleich zum mittleren Ertrag der Jahre 2011 bis 2016 sei bei den Getreidearten Gerste, Roggen und Weizen zwischen 25 und 46 % weniger geerntet worden. Am niedrigsten waren die Erträge in Anhalt mit 25 dt/ha bei Roggen und 42 dt/ha bei Weizen. Raps ist seit Jahren in Sachsen-Anhalt eine stabile Kultur. Erträge um 40 dt/ha wurden auch auf leichten Standorten eingebracht. In diesem Jahr lag der Minderertrag mit 25 dt/ha 36 % unter dem langjährigen Mittel. Viele Betriebe hätten weniger als 20 dt/ha Raps geerntet. Zu den niedrigen Erträgen kämen noch Probleme bei der Qualität des Erntegutes. Bei Getreide ist besonders ein hoher Kleinkornanteil zu verzeichnen. Viele Partien seien nur Futter, das niedrigere Erlöse einbringt. Auch auf den guten Standorten in der Magdeburger Börde und im Süden Sachsen-Anhalts werde eine unterdurchschnittliche Ernte eingebracht. Extreme Dürre und hohe Temperaturen machen allen Kulturen zu schaffen. Das kennzeichnet die Ausnahmesituation in diesem Jahr. Rüben haben bisher kaum einen Rübenkörper angesetzt, die Kartoffelbestände fallen zusammen, der Mais wächst seit Wochen nicht weiter und hat oft keine Kolben angesetzt. Auch bei den Sonderkulturen, wie Zwiebeln und Arznei- und Gewürzpflanzen zeichnet sich teilweise eine Missernte ab. Feldgemüse wächst auch unter Beregnung nur schlecht. In den Grünlandregionen seien Weiden und Wiesen schon seit Wochen verdorrt, ein zweiter Aufwuchs ist nicht gewachsen. Alle Futterreserven werden genutzt, um die Tiere ausreichend zu versorgen. Nachbarschaftshilfe und verstärkter Einsatz von Stroh im Futter wird erforderlich sein, um die Tierbestände über den Winter zu bekommen. Der Bauernverband hat in einem Schreiben an die Landesregierung Hilfen für die Landwirtschaft als Branche gefordert. Diese Dürre entspricht einer höheren Gewalt. Die außergewöhnlichen Umstände durch geringe Niederschläge und hohe Temperaturen können von den Landwirten nicht allein getragen werden. Ein Jahr lang haben die Bauern Kapital und Arbeitskraft in die Feldbestände investiert mit dem Ergebnis, dass die Witterung nur eine Missernte hat wachsen lassen. Die Erlöse aus dieser Ernte werden nicht ausreichen um in wenigen Wochen mit der Aussaat für die Ernte 2018 zu beginnen, Betriebsmittel zu kaufen und Pachten zu zahlen. Die Krise kommt inzwischen auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen an, wo Lohnunternehmer, Maschinenhersteller oder Baufirmen Auftragsrückgänge verkraften und Weiterverarbeitungsbetriebe sich auf eine sehr viel kleinere Rohstoffbasis einstellen müssen. Der Präsident des Bauernverbandes, Olaf Feuerborn, sagt dazu: „Schnelle Entscheidungen sind erforderlich, damit diese Notsituation nicht zu Entlassungen oder Betriebsaufgaben führt. Damit die Landesregierung nicht auf den Abschluss der Ernte warten muss, hat der Bauernverband seine Ertragsermittlungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen die dringende Notwendigkeit eines Nothilfeprogramms. Die Landwirtschaft ist eine tragende Säule im ländlichen Raum. Damit sie es weiter bleibt, ist Hilfe durch die Gesellschaft erforderlich und berechtigt.“
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