Einfach hinsetzen und spielen: Piano Bombing bringt Halle (Saale) zum Klingen – Klavier wandert ins Neustadt Centrum
Enttäuschung und Freude liegen oft nah beieinander. Das zeigte sich am vergangenen Samstag am halleschen Hauptbahnhof. Eigentlich hatte der Verein „Piano Bombing“ aus Hannover vor, ein frei zugängliches Klavier mitten in der Bahnhofshalle aufzustellen – ein Instrument für alle, die Lust haben, in die Tasten zu greifen. Doch die Bahn machte dem Vorhaben kurzfristig einen Strich durch die Rechnung: keine Genehmigung.
Spontane Umplanung – mit Happy End
Was zunächst nach einem misslungenen Start klang, endete mit einem Happy End. Die Vereinsmitglieder dachten gar nicht daran, ihre Idee aufzugeben. Kurzerhand wurde umdisponiert: Gemeinsam mit dem Neustadt Centrum konnte ein alternativer Standort gefunden werden. Dort steht das bunt bemalte Piano nun dauerhaft – und darf während der Öffnungszeiten von allen bespielt werden.
Bevor das Instrument aber seinen festen Platz fand, sorgte es am Samstagmittag auf dem Hans-Dietrich-Genscher-Platz für musikalische Überraschungsmomente. Direkt vor dem Hauptbahnhof nahmen Passantinnen und Passanten spontan Platz, probierten sich an bekannten Melodien – oder einfach an der Freude, Töne zu erzeugen.
Ein Reisender strahlte, als er seine Hände über die Tasten gleiten ließ: „Ich habe vor zehn Jahren zuletzt an einem Klavier gesessen.“ Ein junger Mann erinnerte sich an den Musikunterricht in der Schule und nutzte die Gelegenheit, seine Kenntnisse aufzufrischen. Für absolute Anfänger gibt es eine kleine Hilfestellung: Auf der Tastatur sind die Noten für Beethovens „Für Elise“ markiert – ein niedrigschwelliger Einstieg in die Welt der Musik.
Von der Guerilla-Aktion zum Kulturprojekt
Was heute nach einem charmanten Kulturprojekt klingt, begann vor zweieinhalb Jahren als regelrechte Guerilla-Aktion. Damals stellten die Hannoveraner Initiatoren um Vereinsvorsitzenden Daniel Pflieger erstmals aufbereitete Klaviere an öffentlichen Orten auf – ohne offizielle Genehmigung, aber mit viel Idealismus.
„Inzwischen haben wir in ganz Deutschland rund 30 Klaviere aufgestellt“, erzählt Pflieger. „20 davon sind noch existent, ein paar andere sind geklaut oder zerstört. Das gehört leider auch dazu.“ Doch entmutigen lässt sich davon niemand. Im Gegenteil: Die Begeisterung wächst. In Hannover stehen heute fünf Instrumente in Unterführungen und auf Plätzen. Ableger gibt es in Berlin, Köln und Wiesbaden, wo lokale Gruppen die Klaviere betreuen.
Die Idee ist ebenso simpel wie charmant: Musik soll raus aus den geschlossenen Räumen und mitten ins Leben der Stadt. Jeder darf spielen – Profis, Straßenmusikerinnen, Kinder, Anfängerinnen. Oft entstehen spontane Mini-Konzerte, die Passanten anziehen und in sozialen Netzwerken viral gehen.
Leipzig als Vorbild, Halle als Neuzugang
Einen Tag vor der Hallenser Aktion wurde im Leipziger Hauptbahnhof ein Piano aufgestellt – prominent an Gleis 1. Sogar der Promenaden-Manager griff dort persönlich in die Tasten. In Halle lief es zunächst etwas holpriger, doch der Enthusiasmus des Vereins war größer als jede bürokratische Hürde.
„Vor ein paar Monaten habe ich einen Vortrag über die Aktion gehalten“, berichtet Pflieger. „Im Publikum saß eine Frau aus Leipzig, die uns ermutigt hat, auch dort und in Halle aktiv zu werden. Das haben wir uns nicht zweimal sagen lassen.“
Nun hofft der Verein, dass sich auch in Halle ein engagiertes Team bildet, das das Projekt langfristig begleitet: „Wir wünschen uns Menschen, die das Klavier pflegen, kleine Reparaturen übernehmen – und vielleicht irgendwann fünf, sechs weitere Pianos in der Stadt aufstellen. Das wäre unsere Traumvorstellung.“
Klaviere gibt’s genug – man muss sie nur finden
Die Beschaffung der Instrumente ist laut Pflieger erstaunlich unkompliziert: „Die gibt es wie Sand am Meer. Viele stehen ungenutzt in Wohnungen herum.“ Schwieriger sei der Transport – da braucht es starke Hände und Organisationstalent. Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Städten unterstützen das Projekt, indem sie die Pianos bemalen und ihnen individuelle Gesichter verleihen.
So wird jedes Instrument zum Unikat, zum Kunstwerk im öffentlichen Raum – und zum Symbol dafür, dass Kultur nicht immer teuer, kompliziert oder exklusiv sein muss.
Musik als Stadtgespräch
Mit der Aktion hat Piano Bombing nun auch Halle auf seine musikalische Landkarte gesetzt. Das Neustadt Centrum wird zum neuen Klangraum – offen, niedrigschwellig, lebendig. Ob Pendler, Kinder, Musikstudierende oder einfach Neugierige: Wer vorbeikommt, darf spielen.
Und vielleicht entsteht hier etwas, das größer ist als ein einzelnes Instrument: ein kleines Netzwerk musikbegeisterter Menschen, das zeigt, wie viel Kultur in einer Stadt stecken kann, wenn man sie einfach zulässt.
Denn manchmal reicht schon ein Klavier, um Menschen zusammenzubringen – und eine ganze Stadt zum Klingen zu bringen.













Wie jetzt? Die dachten wohl, die können einfach mal so ein Klavier anschleppen und da hinstellen, ohne vorher mal nachzufragen? Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen. Entweder war das eine ziemlich naive Aktion oder es wird hier ein bisschen an der Wahrheit gedreht und stellen es anders dar als es abgelaufen ist.
„Die dachten wohl, die können einfach mal so ein Klavier anschleppen und da hinstellen, ohne vorher mal nachzufragen?“
Warum nicht. Du darfst dich da auch einfach hinschleppen und hinstellen. Musst keinen Eintritt zahlen und brauchst auch keinen Fahrschein. Geht einfach so.
Schade ☹️ ich hätte mir das Piano in der Bahnhofshalle gewünscht. Ich fürchte einfach, im Neustadtcenter wird es nicht lange „überleben“.
Tolle Aktion!