“Freude schöner Götterfunken” erklingt auf dem Marktplatz in Halle: am Freitag wurde der Europatag begangen – OB Vogt will sich für europäischere Stadt einsetzen

Es war ein sonniger Freitagnachmittag, als die ersten Takte von Beethovens „Ode an die Freude“ über den historischen Marktplatz in Halle erklangen. Die Melodie, seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union, bildete den musikalischen Auftakt zu einer Veranstaltung, die sich schnell als mehr entpuppte als ein feierliches Bekenntnis zur europäischen Idee. Der Europatag in Halle wurde zum politischen Statement – für ein geeintes Europa, gegen rechte Kräfte, für Transformation, Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Ein Ort des Wandels im Herzen Europas
Den Rahmen für die Veranstaltung bot ein Ort mit Symbolkraft. Die Stadt Halle, geprägt von tiefgreifendem wirtschaftlichem, sozialem und politischem Wandel seit der Wiedervereinigung, wird künftig Heimat des „Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ sein. Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt, selbst acht Jahre lang als Mitarbeiter im Europäischen Parlament tätig, stellte dieses Vorhaben in den Mittelpunkt seiner Rede.
„Für mich ist es wichtig, dass Halle europäischer wird“, erklärte Vogt gleich zu Beginn. Der Standort sei nicht zufällig gewählt: Halle habe Transformation durchlebt – nicht als abstraktes Konzept, sondern als konkreten sozialen Prozess, mit Brüchen, mit Widerstand, mit Anpassung. Andere Regionen können künftig von den Erfahrungen Halles lernen.
Das geplante Zukunftszentrum solle nicht nur wissenschaftliche Arbeit leisten, sondern ein echter Ort des Austauschs und der Begegnung werden. Vogt kündigte an, demnächst nach Brüssel zu reisen, um Gespräche mit der Europäischen Kommission zu führen – Ziel sei eine enge Vernetzung mit europäischen Institutionen. „Halle soll ein Ort sein, an dem sich Europäer begegnen, um gemeinsam über die Zukunft unseres Kontinents zu sprechen“, so Vogt.
Europa im Krisenmodus – und der Ruf nach Verantwortung
Doch die Rede des Oberbürgermeisters blieb nicht bei institutionellen Fragen stehen. Vogt machte unmissverständlich deutlich, dass Europa an einem historischen Wendepunkt steht. „Europa ist heute ein einmaliges Friedensprojekt in der Welt“, sagte er – und fügte hinzu: „Aber wenn Europa nicht einig ist, wenn nationale Egoismen überwiegen, dann gefährden wir diesen Frieden.“
Besonders kritisch sieht Vogt das Einstimmigkeitsprinzip, das noch immer bei vielen Entscheidungen der EU gilt. Es reiche ein einzelnes Land, um wichtige Vorhaben zu blockieren – ein Risiko, das in Zeiten geopolitischer Spannungen brandgefährlich sei. Die EU müsse handlungsfähiger werden, um auf Herausforderungen wie Trump, Putin oder globale Krisen zu reagieren.
Vogt forderte eine neue europäische Sicherheitsarchitektur. „Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg müssen wir aufrüsten – nicht aus Aggression, sondern zur Verteidigung der Demokratie“, betonte er. Europa müsse eine Führungsrolle übernehmen – politisch, wirtschaftlich, militärisch. Dabei warnte er ausdrücklich vor einer Welt, in der Demokratien zur Minderheit werden: „Das finde ich sehr beängstigend.“
Deutschland müsse – gerade auch mit Blick auf seine Geschichte – alles dafür tun, proeuropäisch zu bleiben. In diesem Zusammenhang sprach sich Vogt auch für eine gemeinsame europäische Sozialpolitik aus. Eine Union, die nur wirtschaftlich, aber nicht sozial integriere, verliere ihre Bürger.
Jusos kritisieren Vogts Handeln und fordern klare Haltung gegen Rechts
Kritik an Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt übte Musa von den Jusos. Dessen Umgang mit der AfD – Vogt hatte gesagt, für ihn gibt es keine Brandmauer – mache fassungslos und wütend. Vogts Vorgehen sei ein “Türöffner für Faschisten”, so Musa. „Herr Vogt. Mit Nazis arbeitet man nicht. Punkt. Wir mit Faschisten zusammenarbeitet, macht ihre Politik salonfähig. Wer Diskurse mit Rechten sucht, verschiebt die Grenze der Sagbaren und verliert jede Glaubwürdigkeit im Kampf um Demokratie.” Muse forderte daher von Vogt, eine rote Linie gegenüber der gesichert rechtsextremen AfD zu ziehen. Es dürfe keine Zusammenarbeit mit Faschisten geben. “Wenn Sie das nicht tun, Herr Vogt, sind sie mitverantwortlich, dass rechte Politik in Halle Normalität wird. Das werden wir nicht zulassen, Wir Jusos werden nicht schweigen, wenn die Demokratie angegriffen wird.”
Junge Stimmen für ein starkes, solidarisches Europa
Neben der Kritik an Vogt wurde auch der Blick in die Zukunft gewagt. Rebecca, ebenfalls von den Jusos, sprach mit Leidenschaft über die Notwendigkeit von Wandel: „Die Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, soziale Ungleichheit, Flucht und Vertreibung – sind so groß, dass wir sie nur gemeinsam bewältigen können.“ Ein starkes Europa müsse politisch, sozial und ökologisch sein. In ihrer Rede wurde deutlich: Für die junge Generation ist Europa kein technokratisches Konstrukt, sondern eine Frage von Gerechtigkeit, Zukunft und Überleben.
Migration, Freiheit und die Bedrohung von außen
Igor Matviyets, Sprecher des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt, erinnerte daran, wie selbstverständlich viele Menschen in Deutschland ihre täglichen Freiheiten nehmen – und wie wenig ihnen bewusst sei, dass diese Freiheiten andernorts fehlen. „Der Nationalismus ist das Gegenteil der europäischen Idee“, sagte er. Er forderte mehr persönliche Gespräche über Europa – im Freundes-, Familien- und Kollegenkreis: „Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, wie viel Glück wir haben, auf europäischem Boden zu leben.“
Auch Jascha Riem von den Grünen sprach über das gefährdete Erbe Europas – diesmal aus ökologischer Sicht. Die Natur Europas, die Lebensgrundlage von Millionen Menschen, stehe unter Druck. „Dürren, Überschwemmungen, brennende Wälder – das ist die Realität vieler Regionen in Europa“, sagte er. Der Klimawandel sei eine Bedrohung der europäischen Freiheit, Lebensqualität und Selbstbestimmung.

Eine Stimme aus dem Krieg
Eine der eindrucksvollsten Reden hielt Anastasia aus der Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges lebt sie in Halle. In ihrer Rede erinnerte sie an die 14 Angriffskriege, die Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion geführt habe – stets mit denselben Mitteln: Lüge, Gewalt, Angst. „Moskau bringt mit seiner Armee Finsternis“, sagte sie. Doch die Ukrainerinnen und Ukrainer wollten nicht zurück in die Dunkelheit der Vergangenheit, sondern ins Licht der europäischen Demokratien. Ihre Rede war eine eindringliche Mahnung an die Anwesenden, Europas Werte nicht aufzugeben.
Volt: Kritik und Visionen für ein neues Europa
Als Mitveranstalter trat auch die Partei Volt auf – eine Bewegung, die für ein föderales, demokratisches und geeintes Europa kämpft. Ein Sprecher der Partei kritisierte das Einstimmigkeitsprinzip als gefährliches Hemmnis für politische Handlungsfähigkeit. „Ein einzelnes Land kann alles blockieren – das ist nicht zeitgemäß“, sagte er. Volt fordert daher auch europaweite Wahllisten, mehr Transparenz in den Institutionen und eine klarere demokratische Struktur. Trotz aller Kritik lobte er die EU als das fortschrittlichste politische System der Gegenwart: Bewegungsfreiheit, ein gemeinsamer Binnenmarkt, Freizügigkeitsrechte, faire Handelsbeziehungen, Austausch in Bildung und Kultur – all das seien Errungenschaften, die man gegen nationalistische Tendenzen verteidigen müsse.
„europäischere Stadt“ – wenn ich dieses Geschwurbel schon wieder höre/lese, da rollen sich meine Augen bis in den Hinterkopf. 🙄 🤦♀️
Was soll daran bitte nicht gehen? „Europäischere Stadt“ heißt nicht, dass plötzlich alle Ampeln die Ode an die Freude spielen. Es bedeutet schlicht, Europa nicht nur als geografische Fußnote zu betrachten, sondern als Haltung. Wenn du musikalischer sein willst, stellst du ja auch nicht einfach dein Radio auf Klassik und wartest, dass dir ein Cello aus dem Rücken wächst. Und sportlicher wirst du eher selten dadurch, dass du in Sportklamotten Chips auf dem Sofa isst und dabei an Bewegung denkst. Mehr sein heißt: auch mal was tun. Nicht nur reden – oder motzen. Obwohl Letzteres offenbar olympische Disziplin ist.
Nulli beachtet nur noch, was Paulsuhallenser antwortet.
Europa ist keine Haltung, sondern ein Kontinent. Halle ist in Europa, „europäischer“ geht es da nicht. Genau das ist es, was ich meine: diese Verklärung eines geografischen Begriffs zu einer kulturellen Vision. Größenwahn war noch nie gut.
Laber nicht, Europa ist (auch) ein Konzept. Du weißt ja nicht mal, warum Europa so heißt…
Jeder weiß hier dass du alt bist und es einfach nicht verstehen kannst, dass es wichtig ist europäisch zu denken.
So ist es. In diesen Zeiten ist es besonders wichtig. Zudem hat Halle durchaus noch unerschlossenes Potential bei Tourismus und Wirtschaftsförderung außerhalb des Landes. Was soll er denn machen als OB, den Orban oder die Sarah imitieren als Russenspeichellecker für Arme. Besser nicht!
Der OB handelt eben nach dem Motto: THINK BIG. Das ist auch gut so. Halle braucht keine erneute Schlafwagen-Verwaltung und auch keine Rentner-Agenda. Halle braucht einfach mehr Selbstbewusstsein, mehr Strahlkraft und keine Dauernnörgler. Wenn interessieren da schon Mimimi-Jusos oder nette alte Menschen, die eine Fotoallergie gegen den OB haben.
Man hatte wohl für eine zahlreiche Teilnehmeranzahl kein Geld mehr? Oder wurden nur Mittel für die heutige Demo genehmigt? Bin gespannt auf die heutige „Vielfalt“ der Demonstranten.
Herr Vogt hat mit seiner Aussage schon Recht. EU-Länder wie Ungarn, Polen und Finnland mit ihren Kulturen und der Besinnung auf den Nationalstaat sollten Vorbild für uns sein. Woke und Multikulti ist vorbei.
Was ist dein Problem mit Woke und Multikulti? Davon bist du doch gar nicht betroffen.
Und du nicht von Faschismus.
Weshalb ich auch nicht jammere.
Dann geh wieder schlafen?
Da bin ich aber baff! Erst mit der AfD liebäugeln und dann eine europäischere Stadt schaffen wollen.
Es erscheint mir etwas sehr widersprüchlich aber diese vom netten Herrn Vogt formulierten Gedanken und diese ganze Veranstaltung lässt mich tatsächlich etwas Hoffnung schöpfen das er mehr kann als Worthülsen werfen.
Die AfD ist nicht darauf angewiesen, dass die Jusos mit ihnen reden. Wer sich hinter einer Brandmauer verschanzt, kann nicht in die Offensive gehen. Wie wollen die Jusos Wähler erreichen, wenn sie die Diskurse der AfD einfach ignorieren?
Wer glaubt, man müsse die Narrative der AfD „ernst nehmen“, verkennt, worum es in der politischen Auseinandersetzung wirklich geht: Es geht um den Schutz unserer Demokratie, unserer Freiheit und eines friedlichen, geeinten Europas. Die AfD steht nicht für eine legitime politische Alternative, sondern für ein rückwärtsgewandtes, nationalistisch aufgeladenes Weltbild, das in weiten Teilen offen rechtsradikal und demokratiefeindlich ist.
Gerade am Europatag wird deutlich, was auf dem Spiel steht. Europa ist ein Projekt des Friedens, der Zusammenarbeit und der Menschenrechte – Werte, die die AfD systematisch angreift. Wer diesen Angriffen mit Gesprächsangeboten begegnet, verleiht ihnen Legitimität. Demokratische Kräfte wie die Jusos haben deshalb nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, klare Grenzen zu ziehen. Eine Brandmauer gegenüber rechtsradikaler Hetze ist kein Rückzug, sondern ein Bekenntnis zu den Grundwerten, auf denen unsere offene Gesellschaft beruht.
Und wenn deine starre Haltung einfach nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen will?
Wenn der Schutz unserer Demokratie, Menschenwürde und der europäischen Idee als „starre Haltung“ bezeichnet wird, dann nehme ich das gerne in Kauf. Es geht hier nicht um taktische Kompromisse, sondern um Prinzipien. Die Geschichte hat oft genug gezeigt, wohin es führt, wenn man extremen Kräften zu viel Raum lässt – gerade in Deutschland.
Der Erfolg darf nicht allein daran gemessen werden, ob man Stimmen gewinnt, sondern daran, ob man Haltung zeigt und unsere demokratische Gesellschaft verteidigt. Eine klare Abgrenzung zur AfD ist kein Hindernis, sondern Voraussetzung dafür, glaubwürdig für ein offenes, vielfältiges Europa einzutreten.