“Gesundheit und Wohlergehen wird fahrlässig gefährdet”: Verein Medinetz kritisiert die Ausländerbehörde der Stadt Halle

Seit Monaten schon steht die Ausländerbehörde in Halle (Saale) in der Kritik. Anliegen werden nur schleppend oder gar nicht bearbeitet. Das hatte schon zur Folge, dass neue Arbeitsgenehmigungen nicht rechtzeitig ausgestellt werden konnten. Mehrfach hatte die Stadtverwaltung Besserung versprochen, der Chef wurde ausgetauscht, Stellen sind in der Dauerausschreibung. Doch an der grundsätzlichen Situation hat sich nichts geändert. Der Verein Medinetz Halle/Saale e.V. übt deshalb harte Kritik an der Untätigkeit der Ausländerbehörde Halle sowie der fehlenden Unterstützung Betroffener durch das Sozialamt Halle. 

Es gab eine Demonstration der Gruppe Migrant Voices. Viele Betroffene berichteten auf dieser Kundgebung von verschiedensten gravierenden Folgen dieser Untätigkeit. Aufgrund der fehlenden Bestätigung über Leistungsberechtigungen werden Menschen von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen und verlieren ihre Arbeit und Wohnungen, da sie Nachweise nicht erbringen und Zahlungsfristen nicht einhalten können. Auch der Verein Medinetz Halle machte bereits in einer Stadtratssitzung am 30.03.2022 auf diesen Missstand aufmerksam. „In dieser Sitzung wurde eine Besserung in etwa 6 Wochen versprochen, die aber nach nunmehr zweieinhalb Monaten in keinster Weise zu erkennen ist“ teilte eine Sprecherin des Vereins mit. „In der Sitzung wurde zudem behauptet, dass alle Personen, die Kontakt mit der Behörde aufnähmen, umgehend eine Fiktionsbescheinigung als Übergangslösung erhielten, um zumindest eine Grundversorgung in Anspruch nehmen zu können. Doch auch diese Aussage deckt sich nicht mit den vielen Fällen, die uns selbst bekannt sind und von denen Migrant Voices berichtet. Vielmehr erhalten Anfragende schlicht keine Antwort.“ (Im Regelfall erhalten Menschen eine Fiktionsbescheinigung, die einen Antrag auf Erteilung oder auf Verlängerung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis gestellt haben und deren Antrag noch nicht entschieden wurde. Bis der Antrag bestätigt oder abgelehnt wird, gilt der Aufenthalt damit als rechtmäßig und erlaubt.)

„Wir wurden seit 2020 von mehreren Personen aufgesucht, die über keine Krankenversicherung verfügen, weil die Ausländerbehörde Halle Anträge nicht bearbeitet und im Prinzip nicht erreichbar ist“ so die Sprecherin weiter. „Betroffene können während dieser langen Wartezeit keine medizinischen Untersuchungen oder Behandlungen in Anspruch nehmen. Das Sozialamt lehnt Leistungen mit Verweis auf die fehlenden Papiere ab. Lediglich Notfälle können über das Sozialamt abgerechnet werden. Diese gilt es aus medizinischer Sicht aber dringend durch Vorsorge zu vermeiden.“

Betroffene seien so zwischen Ausländerbehörde und Sozialamt in eine prekäre Situation gedrängt und erhielten in ihrer Notlage nicht die Hilfen, die ihnen aber dem Gesetz nach zustehen.

Letzte Woche fragten Mitglieder des Vereins, gemeinsam mit einer Aktivistin von Migrant Voices erneut nach dem aktuellen Stand und machten auf die Dringlichkeit des Problems aufmerksam. „Die Antworten der Stadtverwaltung waren absolut nicht zufriedenstellend“, hält die Sprecherin fest. „Die Stadt verwies lediglich auf bisher erfolglos laufende Dauerausschreibungen als Grund für den Missstand. Davon abgesehen wurden Kontakte für Einzelpersonen angeboten, die bei der großen Zahl an Betroffenen bei weitem nicht ausreichen. Hier Hilfe für Einzelne anzubieten, die zufällig über Unterstützende vermittelt werden können, stellt keinerlei adäquaten Umgang mit diesem gravierenden Versorgungsdefizit dar. Die Ausländerbehörde kommt schlicht ihren rechtlichen Pflichten nicht nach“, so die Sprecherin weiter, „Es ist Aufgabe der Stadt, ihre Behörde wieder zur arbeitsfähig zu machen, doch sie ist auch dazu verpflichtet, umgehend ein niedrigschwelliges Übergangsverfahren zu entwickeln. Es ist schockierend, dass dies nicht längst passiert ist und somit die Gesundheit und das Wohlergehen so vieler Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt seit nunmehr etwa 2 Jahren fahrlässig gefährdet wird.“