(H)alle behindert? – immer noch! Protestmarsch am 5. Mai für Sichtbarkeit, Teilhabe und Gerechtigkeit

Inmitten einer Gesellschaft, die sich so gerne inklusiv nennt, ertönt ein mahnender Ruf: „(H)alle behindert? – immer noch!“ Es ist kein zynischer Spruch, sondern eine bittere Feststellung. Eine, die von jenen ausgesprochen wird, deren Alltag von Unsichtbarkeit, Barrieren und Ausgrenzung geprägt ist. Menschen mit Behinderung fordern das, was ihnen zusteht: Gleichberechtigung. Keine Sonderbehandlung. Keine Ausflüchte. Nur das, was für andere selbstverständlich ist.
Der Alltag als ständiges Hindernisrennen
Ob nicht barrierefreie Haltestellen, stufenreiche Zugänge zu öffentlichen Gebäuden oder Sportvereine, die Menschen mit Behinderung schlichtweg nicht mitdenken – überall offenbaren sich die Bruchstellen einer Gesellschaft, die noch lange nicht barrierefrei ist. „Ich will nicht ständig erklären müssen, warum ich nicht mit der Straßenbahn fahren kann“, sagt Anna-Lena Richter, die im Rollstuhl sitzt. Ihre Worte sind leise, aber fest. Sie steht für viele, deren Stimmen zu lange überhört wurden.
Ein Protest mit Herz, Mut und Forderungen
Am 5. Mai um 16 Uhr beginnt ein besonderer Demonstrationszug. Vom Steintor zum Markt gehen sie – angeführt von denjenigen, die sonst viel zu oft hinten anstehen müssen. Der Protest ist laut, aber niemals bloß wütend. Er ist voller Hoffnung, Zusammenhalt und der Überzeugung: Es muss sich etwas ändern. Es ist kein Marsch gegen, sondern einer für – für gelebte Inklusion, für offene Türen, für ein Halle, das niemanden zurücklässt.
An der Vereinshütte in der Leipziger Straße, betreut vom Special Olympics Sachsen-Anhalt e.V., wird Halt gemacht. Zwei Teilhabeberaterinnen sprechen dort über Hürden und Hoffnungen. Und wer mag, kann sich bei einem kleinen sportlichen Mitmachangebot selbst bewegen – ganz im Sinne des inklusiven Gedankens, dass jeder mitmachen darf. Und soll.
Wenn Worte nicht reichen
Der Protest wird getragen von Lebenstraum e.V., Special Olympics Sachsen-Anhalt und Aktion Mensch – Organisationen, die sich seit Jahren für echte Teilhabe einsetzen. Doch auch sie wissen: Gute Absichten allein verändern nichts. Es braucht politischen Willen, Investitionen, konkrete Maßnahmen. In Halle bleiben diese oft aus. Barrierefreiheit? Noch immer ein Nachgedanke. Inklusive Stadtplanung? Ein Schlagwort ohne Wirkung. Versprechen wurden gegeben – aber nicht gehalten. Die Geduld der Betroffenen ist aufgebraucht.
Ein Aufruf an uns alle
Dieser Protest ist mehr als ein Demozug. Er ist ein Aufruf an alle, endlich hinzusehen. Denn Ausgrenzung ist kein Randproblem – sie betrifft uns als Gesellschaft im Kern. Nur wenn wir Menschen mit Behinderung als gleichberechtigte Gestalter*innen unserer Zukunft anerkennen, kann daraus eine Gesellschaft für alle werden.
Die Demonstrierenden am 5. Mai gehen nicht nur für sich selbst. Sie gehen für uns alle. Für ein anderes Halle. Ein gerechteres. Ein barrierefreies.
Denn Inklusion ist kein Luxus. Sie ist ein Menschenrecht.
Bestes Beispiel ist der Ratshof, in dem der Aufzug schon eine gefühlte Ewigkeit defekt ist und Rollstuhlfahrer nicht in die oberen Etagen kommt.