Kursdebatte zur Energiewende im Landtag von Sachsen-Anhalt: Zwischen Optimismus, Kritik und Forderung nach klarer Linie

Geht es mit der Energiewende voran oder braucht es politische Kurswechsel? Am Donnerstag hat der Landtag in einer Aktuellen Debatte über die Ergebnisse des Energiewende-Monitorings der Bundesregierung beraten. Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann sieht die Energiewende in Deutschland im Lichte der Monitoring-Ergebnisse auf einem guten Weg, auch in Sachsen-Anhalt. Daher empfiehlt Willingmann Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, programmatische Vorstellungen möglichst präzise zu formulieren, um Irritationen in Wirtschaft und Öffentlichkeit zu vermeiden. Er fordert einen klaren Kurs in der Energiepolitik.
„Das Monitoring zur Energiewende ist die Grundlage für seriöse Energiepolitik, die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von uns erwarten – im Bund und in den Ländern. Die wichtigste Botschaft der zum Monitoring berufenen Experten lautet, dass die Energiewende in Deutschland alles in allem auf einem guten Weg ist, es lediglich stellenweise Nachbesserungsbedarf gibt“, betonte Willingmann zunächst. Aber: „Wenn man das Monitoring und die Folgerungen der Ministerin nebeneinanderlegt, wird man den Eindruck nicht los, dass die Bundesministerin einen energiepolitischen Ansatz verfolgt, der jedenfalls nicht deckungsgleich ist mit dem, was im Monitoring oder gar im Koalitionsvertrag steht.“
Willingmann weist darauf hin, dass die Bundesministerin von einem vergleichsweise niedrigen Strombedarf in den kommenden Jahren ausgeht. „Während im Monitoringbericht der Rahmen von 600 bis 700 Terawattstunden (TWh) als realistisch erachtet wird, ist im Reiche-Papier klar die Größenordnung um die 600 TWh festgelegt. Warum der niedrigere Ansatz? Entweder wird hier eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung oder eine Verfehlung des Pfads zur Klimaneutralität bis 2045 in Kauf genommen. Beides wäre aus meiner Sicht sehr bedenklich“, so der Minister. Dies passe auch nicht zu Reiches durchaus optimistischer Prognose für das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr, so Willingmann, der im Weiteren darauf hinwies, dass das Ziel der Klimaneutralität gesetzlich verankert sei und sich die Berliner Koalition dazu vielfach und wiederholt bekannt habe.
Willingmann: Verpressung von Kohlendioxid kein industriepolitisches Allheilmittel
Kritik äußerte der Energieminister auch an den „Schlüsselmaßnahmen“ Reiches, zu denen sich im Monitoring keine Empfehlungen finden. So trat der Minister beim Thema Abscheidung und Verpressung von klimaschädlichem Kohlendioxid (CCU/CCS) auf die Bremse: „Wir werden noch sehr intensiv die Abscheidung und Verpressung des klimaschädlichen Gases prüfen und debattieren müssen. Gerade Bürgerinnen und Bürger etwa in der Altmark haben nicht immer die besten Erfahrungen mit Bergbau und seinen Folgen gemacht, wenn ich an Brüchau und die Gasförderrückstände denke. Wir werden für unvermeidbare Emissionen aller Voraussicht nach Abscheidung und Verpressung einschließlich Nutzung und Lagerung von Kohlendioxid benötigen. Aber wie nun gefordert wird, Gaskraftwerke damit auszustatten und zu betreiben, wäre zunächst einmal geradezu sündhaft teuer.“ Nicht ohne Grund werde beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern gefordert, dass Gaskraftwerke künftig wasserstofffähig sind, der bekannte H2-ready-Status. „Ich wäre der Bundeswirtschaftsministerin dankbar, wenn wir hier schneller zu Ergebnissen kommen würden!“, fügte Willingmann hinzu.
Der Energieminister sagte weiter: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen und davor warnen, CCU/CCS als industriepolitisches Allheilmittel anzusehen! Wir werden um die klimaneutrale Transformation nicht herumkommen, CCU/CCS kann bestenfalls eine Option für wenige Branchen sein.“ Pragmatische Politik bedeute, grundsätzlich technologieoffen zu sein. Es gehe aber auch darum, Prioritäten richtig zu setzen.
Energieminister spricht sich für modifizierte Solarförderung aus
Mit Blick auf das von Reiche angestrebte Aus für die Solarförderung mahnte Willingmann Verlässlichkeit der Politik an: „Wir können es uns als Politik nicht mehr leisten, Zickzackkurse – oftmals auch noch aus ideologischen Gründen – zu fahren. Was sollen denn diejenigen denken, die in den vergangenen zwei Jahren für Tausende Euro aus ihrem Ersparten PV-Anlagen installiert haben?“, so der Minister. „Wir brauchen pragmatische Lösungen! Und das wäre aus meiner Sicht ein schrittweises, sozialadäquates Abschmelzen der Förderung – in Verbindung mit Bestandsschutz für bereits getätigte Investitionen!“
Mit Blick auf eine bezahlbare Energieversorgung bekräftigte Willingmann seine Forderung nach Entlastungen durch den Bund: „Die Stromsteuersenkung für Alle muss kommen“, sagte der Minister. „Es wurde versprochen und hier muss der Bund Wort halten. Erste Schritte werden jetzt mit der Senkung der Netzentgelte und der Abschaffung der Speicherumlage umgesetzt. Aber auch hier muss Politik zeigen, dass es sich bei der Stromsteuersenkung nicht um ein leeres Versprechen handelt. Auch hier geht es um Akzeptanz für die Energiewende!“ Sie sei lokal und global in vollem Gange und Sachsen-Anhalt habe alle Voraussetzungen, als Vorreiterland bei erneuerbaren Energien und Wasserstoff in der Spitzengruppe zu bleiben.
„Wir brauchen eine Kurskorrektur. Schluss mit pauschalen Windflächenzielen, mehr Tempo beim Netzausbau, bessere Netzqualität und eine ehrliche Debatte über den Braunkohleausstieg“, erklärt Michael Scheffler, Energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt anlässlich des Monitoringberichts „Energiewende. Effizient. Machen.“ des Bundeswirtschaftsministeriums.
CDU: Kurskorrektur für mehr Tempo
„Sachsen-Anhalt muss sich wieder als verlässlicher Industriestandort positionieren. Wir müssen unser Potenzial nutzen, Vorreiter bei neuen Energietechnologien zu werden. Das gilt beispielsweise für den Einsatz von Fusionskraftwerken.
Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit dürfen kein Widerspruch sein und die wirtschaftlichen Auswirkungen energiepolitischer Entscheidungen müssen stärker in den Blick genommen werden.
Gaskraftwerke sind als flexible Brückentechnologie unverzichtbar. Diese Realität muss sich auch in der Landespolitik widerspiegeln.
Sachsen-Anhalt darf bei der Umsetzung der Empfehlungen des Bundesministeriums nicht den Anschluss verpassen. Nur eine bundesweit einheitliche Umsetzung kann Perspektiven für Industrieländer wie Sachsen-Anhalt eröffnen“, so Scheffler.
Grüne: CDU auf fossiler Irrfahrt
In der heutigen Landtagsdebatte zur aktuellen Energiepolitik des Bundes warnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor einem politisch gewollten Einbruch bei Erneuerbaren Energien in Ostdeutschland.
„Die frühere CDU-Politik hat bereits mehrfach den Markt für Solar- und Windenergie destabilisiert. Mit ihrem aktuellen Kurs droht die CDU genau dasselbe noch einmal an, obwohl mittlerweile klar ist: Die Energiewende ist ein globales Erfolgsmodell“, erklärt Sebastian Striegel, energiepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion.
Statt Unternehmen langfristige Planungssicherheit zu geben und Bürger*innen bezahlbare Energie zu ermöglichen, soll der Fokus wieder auf fossile Energien gelegt werden. „Diese rückwärtsgewandte Politik führt nur zurück in Abhängigkeiten von autokratischen Staaten. Abhängigkeiten, die wir in den letzten Jahren erfolgreich verringern konnten“, warnt Striegel.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht deshalb die Chancen der Energiewende vor allem in mehr Bürgerbeteiligung und sozialer Gerechtigkeit. „Bürgerenergieprojekte gewinnen an Bedeutung, erneuerbare Technologien werden kostengünstiger. Jetzt gilt es, Förderprogramme breit und für einkommensschwache Haushalte leicht zugänglich zu machen und Technologien effektiv in den Markt zu bringen“, so Striegel.
Abschließend betont Striegel: „Ohne Klimageld scheitert die Energiewende. Die Bundesregierung bleibt hier noch ein Wahlversprechen schuldig.“
SPD: Energiepolitik ist immer auch Freiheits- und Standortpolitik
In der von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte „Energiewende bezahlbar gestalten und konsequent umsetzen“ hat Juliane Kleemann, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, für eine konsequente, verlässliche und zukunftsgerichtete Energiepolitik geworben und den jüngsten Kurswechsel im Bundeswirtschaftsministerium scharf kritisiert.
„Ohne eine konsequente Energiewende und ohne Klimaschutz ist alles andere nichts.“ sagte Kleemann im Landtag. „Mit einer weiter konsequent betriebenen Energiewende bekommen wir Mehreres auf Dauer besser gelöst: bezahlbare Energiepreise, deutliche Einsparungen von CO₂, mehr Unabhängigkeit von fossilen Lieferanten – und damit mehr Freiheit.“
Die Energiewende sei kein optionales Projekt, sondern Grundlage für wirtschaftliche Stärke und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Kleemann verwies auf die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021: „Der Staat muss Vorsorge treffen, damit die Freiheit künftiger Generationen nicht durch unterlassene Klimaschutzmaßnahmen eingeschränkt wird.“
Mit Blick auf den von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vorgelegten Monitoringbericht betonte Kleemann, dass die SPD an einer konsequenten Umsetzung festhalte: „Während die Gutachter klar sagen, dass der Ausbau der Erneuerbaren in hohem Umfang notwendig bleibt und auf den dringenden Ausbau von Netzen und Speichern hinweisen, redet die Ministerin von einem ‚Überangebot‘. Das ist energiepolitisch falsch und verfassungsrechtlich bedenklich. Wer die gesetzlich verankerten Klimaziele unterläuft, handelt gegen den Geist des Klimaschutzurteils von Karlsruhe.“
Kleemann verwies auf die Verantwortung der Länder und die Chancen, die gerade Sachsen-Anhalt in der Transformation habe: „Die Energiewende ist hier kein Risiko, sondern eine historische Chance. Sie schafft neue Arbeitsplätze in der Wind- und Solarindustrie, stärkt die Versorgungssicherheit und bringt Wertschöpfung in die Regionen.“
Sie hob hervor, dass Sachsen-Anhalt mit seinem SPD-geführten Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt unter Armin Willingmann bereits wichtige Weichen stellt: „Mit dem Gesetz zur Steigerung der Akzeptanz bei der Energiewende, mit der Förderung kommunaler Wärmenetze und dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zeigen wir, dass eine sozial ausgewogene, effiziente und akzeptierte Energiewende möglich ist, wenn man sie will.“
Abschließend machte Kleemann deutlich, dass die SPD-Fraktion die Energiewende als umfassende Zukunftsaufgabe versteht: „Energiewende ist nicht nur Klimapolitik, sie ist Industriepolitik, Strukturpolitik und Sozialpolitik. Wenn wir die Menschen überzeugen, gelingt sie. Wenn wir sie verlieren, scheitert sie – egal, wie viele Gesetze wir schreiben.“
Politik mit der Brechstange, am gesunden Menschenverstand vorbei. Kauft Euch schon mal eine Kiste Haushaltkerzen. Wer daran glaubt, dass das billiger wird, ist ein Träumer. Der Rückzug der Industrie ist im vollem Gange, Wertschöpfung schwindet, Steuereinnahmen sinken und die Spirale dreht sich solange weiter, bis das Land nicht einmal die Politiker, die das vezapft haben bezahlen kann. Und erst dann, wenn Alles tot ist, wird der Verstand siegen. ich habe den Eindruck, dass manche Menschen, ihr Gehirn abschalten, um nicht aufzufallen.
@Armin Mützenbecher:
Woher nehmen Sie diese Einschätzung?
Erinnern Sie sich nicht mehr, wie der Politikwechsel der CDU damals die Solarindustrie in LSA kaputt gemacht hat? Ich finde es sehr gut dass Willingmann da klare Worte findet.Kleemann ebenso. Wirtschaft braucht Verlässlichkeit, damit sie planen kann. Und diese Verlässlichkeit weicht Ministerin Reiche von der CDU gerade massiv auf.
Danke an DbH, dass das so ausführlich berichtet wurde.
„…wie der Politikwechsel der CDU damals die Solarindustrie in LSA kaputt gemacht hat?…“
Das hat wohl eher mit massiv subventionierten Herstellern und Vertreibern aus Asien zu tun.
„Erinnern Sie sich nicht mehr, wie der Politikwechsel der CDU damals die Solarindustrie in LSA kaputt gemacht hat?“
Klara,
an welcher Stelle hat denn die CDU die Solarindustrie in LSA kaputtgemacht. Die CDU hat damals die Subventionen eingestellt, den Geschäftsbetrieb der Solarunternehmen hat die Partei allerdings niemals angetastet.
„Wirtschaft braucht Verlässlichkeit, damit sie planen kann.“
Es gibt kein Grundrecht auf Subventionen.
Planwirtschaft ist zum Glück lange vorbei.
Politik am gesunden Menschenverstand vorbei ist, mehr Ressourcen zu verbrauchen als die Erde nachproduzieren kann, und dabei gleichzeitig noch zur Zerstörung selbiger beizutragen, indem man Kohle und Öl verbrennt, nur weil es kurzfristig einfacher und bequemer ist als die Alternativen.
Du hast insofern recht, dass erst wenn alles tot ist, der Verstand siegen wird. Aber anders als du selber denkst.