Schlosserstraße: Realität trifft auf Verwaltungswirklichkeit
Seit Monaten gärt es in der Schlosserstraße in Halle. Am Dienstag nun fand unter freiem Himmel eine erste Bürgersprechstunde statt. Tobias Teschner, Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit, sowie Vertreter der Polizei waren anwesend. Auf die Vertreter prasselten zahlreiche Vorwürfe der Anwohner ein, von Müll über Lärm bis hin zu Bedrohungen und sexuellen Belästigungen. Immer wieder hieß es von Seiten Teschners, er brauche konkrete Hinweise auf Personen, um etwas ausrichten zu können. Was in den Häusern passiere, darauf habe die Stadtverwaltung keinen Einfluss, dass sei Sache des Vermieters. Und so haben die Anwohner nach der gut zweistündigen Versammlung den Eindruck, es wird sich ohnehin nichts ändern. „Ich fühle mich hilflos“, sagte eine ältere Frau. Ein Anwohner meinte, die Stadt habe die Sprechstunde ja nur eingerichtet, „um unsere Gemüter zu beruhigen. Doch das wird nicht passieren.“ Ein weiterer Anwohner sprach schon von der Gründung einer Bürgerwehr.
Immer wieder drang durch, dass die Anwohner vor allem die „Roma“ als Problem sehen. „Wir haben Syrer und Türken im Haus, die benehmen sich auch“, sagte eine Frau. Von den Roma gehe dagegen Müll und Lärm aus. Die Musik schalle über den ganzen Hof, meinte eine Frau. Immer wieder würden die Türen und Kellerfenster eingeschlagen, Müll im Hof entsorgt. „Hier rennen die Ratten rum“, beklagte ein Anwohner. Ein Mann schlug vor, den Vermieter für das Verhalten verantwortlich zu machen. „Der Vermieter haftet nicht für das Verhalten der Mieter in der Öffentlichkeit“, stellte Tobias Teschner klar. Und was im Haus passiere regele der Vermieter, da habe die Stadt keine Einflussmöglichkeiten. Es bleibe in dem Falle nur der zivilrechtliche Weg, also eine Klage. Nachbarschaftsstreitigkeiten hätten ja in Deutschland eine gewisse Tradition.
Bis morgens um drei schalle die laute Musik und das Gebrüll durch den Hof, sagte eine Frau. Ihre Kinder könnten dadurch oft nicht schlafen und sich in der Schule nicht konzentrieren. Oft habe sie die Polizei gerufen, „aber die Beamten sind völlig überfordert.“ Ein Vorwurf, der an diesem Nachmittag öfter zu hören war. Rücke die Polizei an, sei schlagartig Ruhe, man warne sich mit einem Pfeifton, so die Anwohnerin. Tobias Teschner stellte immer wieder klar, allgemeine Hinweise würden nichts bringen. „Wir brauchen einen Verursacher.“ Es sei nötig, die Identität festzustellen. „Wir rufen jeden Tag die Polizei“, sagte eine Frau. Ein Mann berichtete, dass sei Auto schon dreimal beschädigt worden sei. Eine andere Anwohnerin berichtete, man habe ihr ans Auto gespuckt. Wegen Lärm habe sie die Polizei gerufen. Die sei auch gekommen, die Roma hätten dann eine Flasche gegen das Auto geworfen. Nach einer Verwarnung sei es zwar ruhig gewesen, aber nur für eine Viertelstunde. „Ich fühle mich nicht Ernst genommen.“ Eine weitere Anwohnerin berichtete, Roma-Kinder hätten sich vor ihr Auto gestellt und sie als deutsche Asischlampe bezeichnet. Wenn man sich dann dagegen wehre, werde gleich mit der ganzen Familie gedroht. „Die kommen mit einer ganzen Sippe“. Ein Anwohner beklagte, er bekomme Knöllchen, wenn er mal auf dem Gehweg stehe, doch den Roma passiere nichts.
Als problematisch bezeichnen die Anwohner auch den Schulweg zur benachbarten KGS. Die Kinder würden Umwege gehen und über Zäune klettern, nur um an den lauernden „Roma-Banden“ nicht vorbeizumüssen. „Meine Enkelin wurde schon belästigt“, berichtete eine Frau. Ein weitere Anwohner stieg hier mit ein. Auch seiner Frau und seiner elfjährigen Tochter sei es so gegangen, man habe versucht sie zu begrabschen. Und vor seiner fünfjährigen Tochter hätten die rumänischen Junge an ihrem Geschlechtsteil gespielt. Doch all die Vorwürfe haben eins gemeinsam: niemand hat Anzeige erstattet. Sprich: jene Taten tauchen gar nicht in den Statistiken auf. Ein Anwohner brachte den Grund dafür auf den Punkt: nach einer Anzeige hätten die Täter die Adresse, man befürchtet noch mehr Repressalien.
Doch nicht nur mit Roma gibt es ein Problem, ebenso mit einem überwiegend von Polen bewohnten Mietshaus. Das seien zumeist Arbeiter, die nach drei Wochen wechseln, meinte ein Anwohner. Dort werde ebenfalls Abends rumgelärmt, er habe auch bereits Beschwerdebriefe an die HWG, der das Nachbarhaus gehört, geschrieben, doch die könne auch nichts machen. Die Bewohner jener Arbeitsunterkünfte würden Abends in betrunkenem Zustand über die Balkone klettern. „Seit dem die da sind, ist der ganze Sozialfrieden gestört.“
Eine Anwohnerin meinte, es mangele an Tugenden. Der Deutsche sei intelligent, diszipliniert, habe Respekt und halte Ordnung. Wer sich nicht an Tugenden halte, müsse „raus, raus raus.“ Eine weitere Anwohnerin beklagte, die Personengruppe würde den ganzen Tag nur saufen. Tobias Teschner erklärte, Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken sei nicht verboten. „Es gibt keine rechtliche Grundlage.“ Erst wenn sich die betreffenden aggressiv verhalten oder rumgrölen, sei dies ein Grund, einzuschreiten. Das Problem mit Trinkern habe man auch an anderen Stellen in der Stadt, auf dem Markt seien es zum Beispiel Deutsche.
Als Fazit möchte Teschner trotz all der Probleme nicht von einer No-Go-Area reden. Die Stadt hat die Streifen vom Ordnungsamt erhöht, auch die Polizei sei vor Ort. Insbesondere zu Schulschluss schaue man genauer hin, „um die Sicherheit wieder herzustellen.“
Inzwischen wabert das Gerücht im Viertel herum, dass die Roma in den nächsten Tagen ausziehen werden. Angeblich solle ein Wohnhaus in der Südstadt bezogen werden. Dazu konnte die Stadt aber keine Aussagen treffen.
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