Sozialarbeit an der Gutjahr-Schule: Flüchtlinge als Herausforderung
Die steigenden Flüchtlingszahlen schlagen sich mittlerweile auch an den halleschen Schulen nieder. Und dort sorgen sie insbesondere bei den Sozialarbeitern für neue Aufgaben. Die zuständige Sozialarbeiterin der Gutjahr-Schule in Halle-Neustadt hat jetzt die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses über die aktuelle Situation informiert.
Seit November hat die Schule sogenannte BOS-Klassen. Dabei handelt es sich um eine Berufsorientierung mit Sprachkenntnissen beziehungsweise eine Einstiegsqualifizierung. Die jungen Flüchtlinge sollen hier also fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. Insgesamt 96 Schüler werden in diesem Rahmen betreut, 42 davon sind unbegleitete Minderjährige. 12 weitere stehen auf der Warteliste. Zudem haben sich zehn Jugendliche schon wieder abgemeldet, fünf weitere kommen nicht und wurden dem Ordnungsamt gemeldet. Ein Großteil der Jugendlichen, mehr als 80 Prozent, kommt aus Syrien und Afghanistan. Auch Rumänen, Kroaten und Afrikaner sind dabei. Viele Flüchtlingsschüler würden nur unregelmäßig zur Schule gehen, seien teilweise nur stundenweise anwesend.
Die Probleme sind vielfältig. So stehe kein Dolmetscher zur Verfügung, beklagen die Sozialarbeiter. Meist seien nicht einmal Grundkenntnisse der Deutschen Sprache vorhanden. Die Jugendlichen hätten ein sehr unterschiedliches Bildungsniveau vom Analphabet bis zur 11.Klasse. Der Bildungsstandard sei komplett verschieden zu Deutschland. Das deutsche System der Berufsausbildung wird von den Flüchtlingen nicht angenommen, stellen die Sozialarbeiter fest. Eine Berufsausbildung habe in ihrer Auffassung einen schlechten Stellenwert, die Berufsschule werde deshalb abgelehnt. Das hängt auch damit zusammen, dass in den Herkunftsländern viele Berufe oft mit einem Studium verbunden sind, zum Beispiel Krankenpfleger.
Die Sozialarbeiter der Gutjahrschule berichteten den Ausschussmitgliedern aber auch von einer Reibung zwischen den Nationen und Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Die Religion werde in die Schule hineingetragen. Problematisch seien auch das Frauenbild, Rollenverständnis, Familienstrukturen und Antisemitismus. Daneben gebe es unter den Flüchtlingsschülern eine große Abneigung gegenüber Homosexualität. Auch sei die Konfliktlösung problematisch. Daneben beklagen die Sozialarbeiter die Forderungsmentalität zum Beispiel nach Tickets oder die geübte Beziehungskultur in den Heimatländern wie der Kauf des Führerscheins. Als weitere Herausforderung sehen die Sozialarbeiter die Anerkennung von Gesetzen und Strafen zum Beispiel bei Drogenmissbrauch.
Doch nicht nur Flüchtlingsschüler stehen auf der Problemliste. Denn die Gutjahrschule mit ihren drei Häusern in Halle-Neustadt, auf die rund 2.000 Schüler gehen, hat als Bildungsgänge das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und das Berufsgrundjahr (BGJ). 450 Schüler hätten einen gutachterlich festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf, doch Sonderpädagogen und Inklusionslehrer gebe es nicht. 230 Schüler würden häufig „schwänzen“.
(Foto: aus dem Vortrag der Sozialarbeiterin)
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