Ständiger Unterrichtsausfall: Proteste an der Grundschule Frohe Zukunft
Nach den Grundschulen Hanoier Straße und Büschdorf gehen jetzt auch die Eltern der Grundschule Frohe Zukunft auf die Barrikaden. Auch dort kommt es gehäuft zu Ausfällen.
„Auch an einer Schule am Stadtrand, von der man im Landesschulamt behauptet, es sei eine gut ausgestattete Schule, ist seit einem halben Jahr kein regulärer Unterricht mit festem Vertrauenslehrer mehr möglich“, heißt es in einem offenen Brief.
Anbei das komplette Schreiben:
Wir sind die Elternschaft der Klasse 3a der Grundschule Frohe Zukunft in Halle.
In Anlehnung an die Demonstrationen und den offenen Brief der Elternvertreter von der Grundschule „Hanoierstraße“ aus Halle, haben auch wir uns organisiert und möchten ebenso auf die unhaltbaren Umstände in den Schulen bezüglich der Mängel in der Unterrichtsversorgung, wegen der schlechten Personalausstattung, in Halle aufmerksam machen.
Im Gegensatz zu den Zuständen an der Grundschule „Hanoierstraße“ darf unser Schulleiter über ein Personalkontingent von 102 % verfügen. Die Zahl lässt erst einmal erwarten und vermuten, dass die Situation an unserer Grundschule gut,geradezu komfortabel ist. Dem ist jedoch nicht so! Der Altersdurchschnitt unserer LehrerInnen liegt bei 54 Jahren. Statistisch sind Menschen ab 50 Jahren häufiger bzw. von längerer Krankheit betroffen (Quelle: https://www.iwd.de/artikel/krankenstand-
in-deutschland-206883/, 28.03.17) und so ist es leider auch an unserer Schule.
Unsere Klassenlehrerin beispielsweise hatte bereits zu Schuljahresbeginn einen Langzeitausfall ab Jahresende ankündigen müssen. Seit Bekanntgabe im September 2016 ist unser Schulleiter regelmäßig im Landesschulamt vorstellig gewesen und hat um personelle Vertretung erbeten. Und
auch die Elternvertreter haben dem Landesschulamt Lösungsvorschläge unterbreitet, wie zum Beispiel die Verlängerung des Anstellungsvertrages unserer Referendarin bis zur Genesung der Klassenlehrerin. Da unsere Referendarin bereits seit dem Ausfall im November bis zu den Weihnachtsferien die Vertretung der Klassenlehrerin übernahm und als Vertrauensperson der Kinder, ähnlich wie die Klassenlehrerin selbst, galt. Bis zum 14.12.2016 (2 Tage vor den Weihnachtsferien erhielten wir keine Reaktion vom Landesschulamt). Der Vertrag unserer Referendarin lief trotzdem am 16.12.16 aus und wurde durch das Landesschulamt nicht als Vertretungsstelle verlängert, weil zum einen der Doppelhaushalt für das Jahr 2017/2018 noch nicht beschlossen war, dies geschah Ende Februar 2017. Glück hatten wir trotzdem, weil die Klassenlehrerin seit mehr als 6 Wochen fehlte und ab der 7. Krankheitswoche eine Ersatzkraft gestellt werden kann, wenn der Bedarf vorliegt. So bekamen wir für 3,5 Wochen eine abgeordnete Lehrerin. Kaum dass sie sich eingearbeitet hatte, wurde sie an die Grundschule „G.E.Lessing“ abgeordnet, weil dort der Bedarf noch größer war. An der Grundschule „G.E.Lessing“ fehlten bereits seit längerer Zeit 50 Wochenstunden, wegen Krankheit mehrerer Lehrkräfte. Nun spitzte sich die Situation aber auch an unserer Schule spürbar zu, da seit Januar auch an unserer Schule mehrere Lehrerinnen aus gesundheitlichen Gründen ausfielen. Ab jetzt hieß es fast täglich, eine Betreuung der Kinder innerhalb der gesetzlichen Zeiten können wir gewährleisten, aber Unterricht nicht. Wir beschränken uns auf den Fachunterricht und versuchen diesen so gut wie möglich halten zu können. Fachunterricht, das heißt im Klartext Mathe und Deutsch, wenn man Glück hat auch noch Sachunterricht. Jedoch wurde der Fachunterricht täglich von wechselnden LehrerInnen ausgeführt, so dass es einer großen organisatorischen Leistung bedurfte, zu koordinieren, welcher Lehrer welchen Lehrstoff vermitteln konnte und an welcher Stelle, die folgende Lehrerin ansetzen musste.
Alle anderen Fächer wie Musik, Werken, Gestalten, Englisch, Ethik, Religion, Sport und Schwimmen wurden kaum mehr oder zum Teil in Großgruppen von 2 Klassen also bis zu 45 Schülern durchgeführt! Auch Aufteilung innerhalb des Fachunterrichts auf andere Klassenstufen blieben nicht. aus. Hinzu kommt auch ein täglich anderer Stundenplan, so dass auch unsere Kinder nicht mehr wussten, was sie denn für Unterricht erwartet.
Die nächste Hiobsbotschaft hat uns auch schon erreicht. Ab kommenden Schuljahr wird an unserer Grundschule kein Schwimmunterricht mehr stattfinden, wenn die Schule keine pädagogischen Mitarbeiter bekommt. Warum? Unsere letzte verbliebene pädagogische Mitarbeiterin wird nach diesem Schuljahr in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Trotz dieser längst bekannten Tatsache hat das Landesschulamt bis heute keine Stelle ausgeschrieben, um langfristig für einen Ersatz zu sorgen und dass obwohl unserer Grundschule laut Schulleitung und geltendem Schulrecht; der Schülerzahl nach; 2,5 pädagogische Mitarbeiter zustehen.
Fazit: Auch an einer Schule am Stadtrand, von der man im Landesschulamt behauptet, es sei eine gut ausgestattete Schule, ist seit einem halben Jahr kein regulärer Unterricht mit festem Vertrauenslehrer mehr möglich! Und auch freiwillige Unterrichtseinheiten wie Schwimmunterricht in einem „scheinbar reichen Land wie Deutschland“ nicht mehr angeboten werden kann, weil die personellen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.
Deshalb besteht auch unserer Forderung nicht nur nach Lippenbekenntnissen, dass über 700 Lehrer pro Jahr eingestellt werden sollen, welche nicht einmal die Lehrkräfte ersetzen können, welche altersbedingt ausscheiden werden. Ein konkretes „WIE WOLLEN SIE Das SCHAFFEN?“, drängt sich uns gerade zu auf. Wie sieht die Einstellungspolitik des Landesschulamtes aus? Offiziell heißt es immer es gäbe nicht genug Lehrer, dem ist jedoch nach Aussagen verschiedenster Personen, die sich im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt umhören, nicht so. Denn gerade mal die Hälfte aller Lehramtsstudenten werden nach dem Studium im Landesschuldienst in Sachsen-Anhalt eingestellt.
Das Schlimmste dabei ist, was heute kaum jemand sagt, wir sind nicht mal annähernd in der Talsole angekommen! Die Situation wird sich die nächsten 5 Jahre weiterhin verschärfen, so dass allein in Sachsen-Anhalt in 5 Jahren 6.000.000, Unterrichtsstunden ausfallen werden! (Auskunft des Stadtelternrates in der Sitzung vom 14.03.2017)
Uns brennt aber auch noch eine andere Tatsache unter den Nägeln, was unsererseits eine Klarstellung erfordert. Im Artikel der „Volkstimme“ vom 23.03.2017 sagte Herr Tullner: „Wenigerode war ein Einzelfall!“ Gemeint war, dass die Schule für 3 Tage keinen Unterricht, sondern lediglich eine Betreuung der Schüler gewährleisten konnte. Ist das so? Ist das tatsächlich ein Einzelfall? NEIN! In der Grundschule „Wolfgang-Borchert“ in Halle begannen die Winterferien bereits 3 Tage früher, weil nicht mal eine Betreuung aller Kinder aufrechterhalten werden konnte. Am Tag des Lehrerstreikes, unter anderem für bessere Bildungsbedingungen für unsere Kinder, wies uns unser Schulleiter darauf hin, dass an diesem Tag eine Betreuung der Schüler aufrechterhalten werden könne, aber kein Unterricht stattfinden kann, weil einige wenige Lehrerinnen dem Streikaufruf folgen. Um es nochmal deutlich zu sagen, bei nur einigen wenigen fehlenden Lehrkräften kann der reguläre Schulferien nicht mehr aufrechterhalten werden!
Wir sehen das Land und auch unsere Bundesregierung in der Pflicht, für eine festgeschriebene Schulpflicht seitens Eltern und Kindern auch ihre Pflicht zu erfüllen, und zwar eine vernünftige gute Bildung unserer Kinder an den Schulen zu garantieren.
SCHULPFLICHT IST KEINE EINBAHNSTRASSE!
Deshalb fordern wir eine klare öffentliche Stellungnahme seitens der Landesregierung, wie der konkrete Plan inklusive dessen Finanzierung aussieht eine gute Unterrichtsversorgung zu garantieren.
Des Weiteren fordern wir die verantwortlichen Minister unangekündigt in die Schulen zu gehen und sich selbst einen ganzheitlichen Überblick zu verschaffen! Wie viele SchülerInnen sitzen in den Klassen? Wie viele davon haben einen erhöhten Förderbedarf? Wie viele SchülerInnen werden aktuell nicht mit Unterricht versorgt? Wie viele haben einen Vertretungslehrer? etc.
Für unsere Grundschule fordern wir:
– Ersatzlehrer, spätestens nach der 2. Krankheitswoche!
– Grundsätzlich ein Personalkontingent von 120 % statt 102 %!
– Eine personelle Besetzung mit pädagogischen Mitarbeiten nach Schulrecht!
All unsere Forderung basieren auf der Tatsache, dass unsere Kinder unsere Zukunft, also die Zukunft
Deutschlands sind!
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