Studie der Unimedizin Halle: nach überstandener Corona-Erkrankung höheres Sterberisiko bei Operationen
Operationen sollten nach einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 erst mindestens sieben Wochen nach dem Nachweis stattfinden. Das zeigt eine neue weltweite Studie des Forschungsnetzwerks „COVIDSurg“, an dem auch die Universitätsmedizin Halle (Saale) beteiligt ist.In der aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Anaesthesia“ (https://doi.org/10.1111/anae.15458) belegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass Operationen innerhalb von sechs Wochen nach dem Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen. Demnach haben Patienten während der ersten sechs Wochen nach einem SARS-CoV-2-Nachweis verglichen mit einem später stattfindenden Eingriff ein über zweieinhalbfach erhöhtes Risiko, nach der Operation zu versterben.
„Die Entscheidung über den Aufschub einer Operation muss immer individuell mit der Patientin oder dem Patienten getroffen werden. Planbare Eingriffe, bei denen kein Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung oder zwischenzeitlicher Komplikationen besteht, sollten jedoch mindestens diese sieben Wochen aufgeschoben werden“, so Prof. Dr. Jörg Kleeff, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Viszerale, Gefäß- und Endokrine Chirurgie der halleschen Universitätsmedizin und einer der Autoren. Wenn nach den sieben Wochen die COVID-19-Symptomatik noch andauere, solle möglichst noch länger abgewartet werden, bis entsprechende Symptome abgeklungen seien. Bei dringlichen Eingriffen, wie etwa Tumoroperationen, müsse das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung streng gegen das erhöhte Operationsrisiko abgewogen und in bestimmten Fällen auch früher operiert werden, so Kleeff weiter.
Bereits im Mai 2020 lagen Daten von „COVIDSurg“ vor, dass die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten bei Operationen nach Coronavirus-Infektionen erhöht ist, weswegen Richtlinien bereits seitdem empfehlen, Operationen möglichst aufzuschieben. Allerdings gab es bis jetzt keine ausreichende Datenbasis, wie lange eine solche Verschiebung dauern sollte.
Die aktuellen Daten beziehen sich auf Patientinnen und Patienten, die im Oktober 2020 operiert wurden. Studienendpunkt war die Sterblichkeit der Patienten innerhalb von 30 Tagen nach Operation. Zur Auswertung wurden Modelle verwendet, die Charakteristika der Patientinnen und Patienten, der Erkrankung sowie der Operation berücksichtigten. So konnte die Sterblichkeit für unterschiedliche Zeitabstände zwischen SARS-CoV-2-Nachweis und Operation berechnet werden. Von den in die Studie eingeschlossenen Personen waren 3.137 (2,2 Prozent) mit SARS-CoV-2 infiziert. Die Zeit zwischen Virusnachweis und Operation betrug bei 1.144 (0,8 Prozent) null bis zwei Wochen, bei 461 (0,3 Prozent) drei bis vier Wochen, bei 327 (0,2 Prozent) fünf bis sechs Wochen und bei 1.205 (0,9 Prozent) sieben oder mehr Wochen.
Bei jenen, die in den ersten vier Wochen nach der Corona-Infektion operiert wurden, betrug die 30-Tage-Mortalität vier Prozent und nach fünf bis sechs Wochen immer noch 3,6 Prozent. Nach sieben bis acht Wochen erreichte die Sterblichkeit hingegen wieder das Niveau nichtinfizierter, operierter Patientinnen und Patienten von 1,5 Prozent im Mittel. Die Ergebnisse waren über alle Altersgruppen hinweg und unabhängig von der Schwere der Begleiterkrankungen, der Dringlichkeit und dem Ausmaß der Eingriffe konsistent. Allerdings hatten Patientinnen und Patienten mit anhaltenden COVID-19-Symptomen auch nach sieben Wochen mit sechs Prozent eine stark erhöhte Sterblichkeit verglichen mit jenen, bei denen die Symptome abgeklungen waren (2,4 Prozent) beziehungsweise die stets asymptomatisch waren (1,3 Prozent).
Das Forschungsnetzwerk COVIDSurg unter der Leitung der Universität Birmingham umfasst über 25.000 Chirurginnen und Chirurgen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Im Herbst 2020 wurden in der Studie Daten von 140.727 chirurgischen Patientinnen und Patienten in 1.674 Krankenhäusern (davon 54 aus Deutschland) aus 116 Ländern gesammelt. Eingeschlossen wurden sowohl kleinere als auch umfangreichere Eingriffe und sowohl geplante Operationen als auch Notfalloperationen. Das Projekt ist eine der größten klinischen Studien, die jemals durchgeführt wurden.
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