SV Halle Lions vor den Playoffs: Interview mit Trainer Spandauw
Diesen Sonntag beginnen für acht Vereine der Planet Cards Damen Basketball Bundesliga die Play Offs. Die SV Halle LIONS gehen dabei als Sechstplatzierte der Hauprunde ins Spiel und werden in der ersten Serie auf den Herner TC treffen. Der Verein holte zuletzt Platz 3 im DBBL Pokal. Wer zuerst zwei Siege für sich verbuchen kann, zieht in die nächste Runde ein, für den Verlierer ist die Saison vorbei. Vor der Serie haben wir mit LIONS-Headcoach René Spandauw über die bisherige, über die kommende Saison und die Erfolgschance in den Play-Offs gesprochen.
Frage: Wasserburg hat den Pokal geholt und auch die SV Halle LIONS im letzten Hauptrundenspiel hoch geschlagen. Hat man gegen dieses Team überhaupt eine Chance in der Zukunft?
Spandauw: Ich sag es mal so: in 90 Prozent der Spiele hast du keine Chance. Dennoch denke ich, dass man sie schlagen kann. Wir können sie noch nicht jetzt schlagen. Dafür sind sie zu tief besetzt, spielen viel körperlicher und brauchen nur kleine taktische Umstellungen, um ein Spiel für sich entscheiden zu können. Wenn Sie ihren Sponsorenpool halten können, werden sie auch in der kommenden Saison die klare Nummer 1 sein.
Wenn man sich die 1. Planet Cards Damen Basketball Bundesliga aktuell anschaut, muss man da in dieser Saison feststellen, dass sich mit Wasserburg, Saarlouis, Herne und Aufsteiger Keltern eine neue TOP4 gebildet hat?
Das seh ich nicht ganz so. Wir hatten auch unsere Chancen, in diese Gruppe vorzustoßen, aber wir haben diese Saison einige Spiele verbockt. Wir hätten eventuell zwei, drei Spiele mehr gewinnen können. Was ich aber auch feststellen muss, ist, dass es hinter Wasserburg kaum eine Mannschaft gab, die besser geworden ist. Wir haben jetzt das „Pech“, dass wir gegen Herne spielen, weil Herne eine der wenigen Mannschaften ist, die besser geworden ist. Ich finde, dass Saarlouis schlechter ist, als noch zu Beginn der Saison. Marburg auf Platz 5 ist schlechter. Keltern ist auch nicht besser geworden. Also alle Mannschaften, die wir in den Play Offs hätte treffen können, haben abgebaut und nur Herne hat sich verbessert. Das ist ein Nachteil für uns. Wir können es dennoch nicht ändern.
Muss man also die erste Runde der Play Offs bereits abhaken?
Nein, das würde ich niemals tun! Ich habe dem Team und allen anderen gesagt, wir können Herne schlagen, wir können uns aber auch selbst schlagen. Wir haben diese Saison viele Spiele nicht gewonnen, weil der Gegner zu stark war, sondern weil wir uns selbst besiegt haben. Herne kann uns auch schlagen. Aber ich glaube dass die Chance größer ist, dass wir uns selbst schlagen, als das Herne uns schlägt.
Erkläre für Play-Off-Neulinge, was in den Play Offs anders läuft, als in der Hauptrunde?
Du bereitest dich anders vor! Normalerweise sehen sich die Vereine aller 13 bis 14 Wochen zu einem Spiel. In einer Play-Off-Serie siehst du dich aller sieben Tage oder weniger. Du bereitest also nicht nur ein Spiel vor, du bereitest eine ganze Serie vor und du musst nicht nachdenken, was danach kommt, sondern du fokussierst dich genau auf diese Serie, gegen einen Gegner und schaust was er macht.
Kommen wir zur abgeschlossenen Hauptrunde. Wie zufrieden bist du mit dem Abschneiden deines Teams?
Sehr zufrieden! Wenn ich das sportliche Abschneiden sehe, dann hatte ich vor der Saison gesagt: wir müssen uns stabilisieren, deswegen haben wir auch nicht über einen Tabellenplatz gesprochen. Klar heimlich denkst du schon, wenn alles klappt, spielst du um Platz 4 bis 7 mit. Wenn du dann die Verletzung in Betracht ziehst, die von Noémi Rouault und von Laura Hebecker, von Ederaine und alles was sich danach noch getan hat, musst du sportlich sagen, wir haben das Maximum rausgeholt. Was mir sehr viel Freude macht, ist die Entwicklung der jungen Spielerinnen. Jeder weiß, das war sehr wichtig für mich.
Achtung lange Frage: 5 Spielerinnen des aktuellen WNBL-Teams hast du ihr Debüt in der ersten Mannschaft ermöglicht. Mit Ederaine, Juric, Kenyon, Szmutku, Hebecker und Rouault sind Spielerinnen gegangen oder mussten verletzt die Saison beenden. McCarthy, Horn, Pressley sind zur Mannschaft neu hinzugekommen. Muss man unter dem Strich sagen, es war zuviel Bewegung in der Mannschaft, um eine bessere Performance in der Hauptrunde abliefern zu können?
Was klar ist, ich arbeite gern von A bis Z mit der gleichen Truppe. Jetzt mussten wir im Januar einen Neuanfang machen, das war nicht ganz so gewollt, aber der Ausfall von Laura Hebecker hat uns schwer getroffen, weil wir einfach keinen Ersatz gefunden haben. Die Umstellung mit Szmutku und Horn für Kendall Kenyon war nicht so kompliziert, weil es noch recht am Anfang war. Und den Ausfall von Noémi Rouault haben wir ziemlich gut kompensieren können, wobei ich denke, wenn sie gespielt hätte, wir besser gewesen wären.
Welcher deiner Spielerinnen hat dich am meisten mit ihrer Leistung überrascht?
Wenn ich mal von einer positiven Überraschung ausgehen kann, denke ich, dass sich alle enorm entwickelt haben. Ich denke die größte Entwicklung von Anfang der Saison bis jetzt, hat meiner Meinung nach, Lauren Engeln gemacht. Sie hat ihre Rolle sehr gut verstanden, obwohl ich sie zuerst in einer ganz anderen Rolle gesehen, aber das habe ich falsch eingeschätzt. Aber ich bin auch sehr zufrieden mit der Entwicklung von Inken Henningsen, die zum ersten Mal nicht länger auf der Bank gesessen, als das sie gespielt hat. Sie hat ihre Chance genutzt. Auch eine Emiliya Yancheva hat sich verbessert. Das sieht leider niemand, weil sie das nicht im Spiel zeigen kann. Leute, die das Training sehen fragen mich: warum spielt die Yancheva nicht wie sie trainiert? Wenn ich das wüsste, bei ihr ist es reine Kopfsache.
Könnte man jetzt fragen, warum in solchen Fällen nicht, wie in anderen Sportarten, mit Psychologen gearbeitet wird?
Ich finde es könnte in Einzelfällen helfen. Aber als Trainer glaube ich, dass wir es bisher nicht gebraucht haben. Wenn du einen Psychologen dazu holst, dann kostet das für uns zusätzliches Geld. Und ich denke nicht, dass wir uns das leisten können. Der finanzielle Aufwand ist zu groß verglichen zum Ergebnis. Dennoch, wenn jemand meint, er ist Psychologe und möchte gern einmal mit einer Damenbasketballmannschaft arbeiten, hab ich kein Problem, einfach melden.
Gibt es für dich dennoch Sachen oder Methoden, die im Damen Basketball verbessert werden können, um eine stärkere Professionalisierung zu ermöglichen?
Es fängt für mich mit sehr guten Trainern an. Wenn ein Coach gut ist, dann erreichst du sehr viel. Dennoch liegt der Hauptgrund für die Entwicklung einer Spielerin bei der Spielerin selbst. Wenn eine Kristen McCarthy zu mir sagt: René kann ich mit dir eine zusätzliche Einheit werfen, weil mein Wurf nicht so gut ist, dann zeigt das eine Professionalität. Andere Spielerinnen sagen zwar auch mein Wurf ist nicht gut, aber entscheiden sich dann zwischen zwei Möglichkeiten: Variante 1, sie legen sich auf die Couch und hoffen, dass im nächsten Spiel der Wurf besser ist oder Variante 2, sie gehen in die Halle und werfen 500 Bälle Richtung Korb.
In Halle müssen wir aber festhalten, dass wir aus unseren Voraussetzungen schon das Optimale herausholen, auch von der Einstellung jeder einzelnen Spielerinnen her. Da ist nicht viel Zeit für andere Sachen. Wenn zum Beispiel Alina Hartmanns Wurf nicht so gut läuft, hat sie jetzt noch den Luxus, dass sie sagt, ich mach eine Extra-Einheit. Ihr Studium beginnt erst im Oktober. Sollte dann ihr Wurf nicht funktionieren, kann sie nicht noch mal eine Stunde in die Halle gehen, obwohl sie es gern möchte. Es fehlt dann einfach die Zeit.
Was können sich junge Spielerinnen von Aliaksandra Tarasava abschauen?
Ich glaube, man kann bei Sasha sehen, was man durch gezielt harte Arbeit erreichen kann! Sie ist die beste Spielerin, die ich je gecoacht habe. Sie hat meine Erwartungen weit übertroffen. Ich kannte sie aus ihrer Nördlingen Zeit, aber dass sie so gut ist, wie sie diese Saison gespielt hat, hätte ich mir auch nicht denken können. Sie ist extrem talentiert. Sie hat extrem viel Gefühl für das Spiel und extrem viel Gefühl, wie man Punkte erzielen kann. Zudem hat sie einen fantastisch guten Wurf und weiß wie man zielt. Auch wenn einige meinen, sie spielt egoistisch, dann sag ich nur, dass ich das nicht finde. Ich möchte sie in dieser Rolle haben. Wobei sie ab und zu für Außenstehende zu sehr forciert. Ich möchte aber auch, dass das gesamte Team mehr forciert. Nicht zu lang über Fehler nachdenken, das macht Sasha sehr gut.
Trotz Sashas MVP würdiger Performance in dieser Saison und Kristens starken Rebound-Spiels haben wir die zweitmeisten Punkte der Hauptrunde gegefangen. Spielen wir zu sehr Offensive-Basketball?
Nein, wir sind einfach zu wenig konzentriert, denn wenn diese Mannschaft ein was nicht kann, dann sich über 40 Minuten zu konzentrieren. Sie schwächt sich im Spiel bei kleinen Rückschlägen immer selbst, weil alle zu viel über geschehen Fehler nachdenken. Das haben wir schon mehrmals angesprochen. Ein Fehler passiert. Abhaken. Weiter! Was wir aber auch sehen müssen ist, dass wir dennoch nicht auf dem Niveau verteidigt haben, wir es sein sollte. Es liegt neben der angesprochenen Konzentration auch an der Zusammenstellung der Mannschaft und an der Verletzung unserer besten Verteidigerin, Laura Hebecker. Jeder kann aber auch sehen, dass wir nach Weihnachten hinter Wasserburg die meisten Punkte geholt haben. Im Ganzen geht es schon, denn alles können wir nicht leisten.
Alle sagen, wir haben die beste Halle der Liga, dennoch fallen immer wieder Trainingszeiten aus, wegen Wasserschäden oder anderer Veranstaltungen. Muss die Stadt Halle mehr für die beiden Teams, LIONS und Wildcats, tun, damit ihr in Ruhe arbeiten könnt?
Der Betreiber der Halle ist ein Wirtschaftsunternehmen und es muss die Situation wirtschaftlich gestalten. Wir wünschen uns dennoch immer mehr Unterstützung. Ich würde gern jeden Morgen eine Halle zur Verfügung haben, weil du dann noch bessere Bedingungen hast. Diese Möglichkeit haben wir leider nicht. Das Verhältnis mit den Sportlehrern, die am Vormittag drin sind, ist gut, aber wenn ich die Situation mit Saarlouis vergleiche, wo ich lange war, dort hatten wir die Halle alleine. Und die Stadt hat kein Geld verlangt, weil die Stadt gesagt hat, dass das Team die Stadt deutschlandweit vertritt. In der ERDGAS Sportarena zahlen wir noch Miete und haben auch keinen Ausweichbereich, weil die Burgstraße nicht mehr nutzbar ist. Aber diese Entscheidungen liegen vor meiner Zeit.
Wünschst du dir als Trainer mehr Entgegenkommen durch die Stadt?
Ich wünsche mir von überall her Entgegenkommen und Unterstützung. Überall wo wir Kosten drücken könnten, wäre es optimal. Es wäre ideal wenn ein Busunternehmen zu uns sagen würde, wir fahren für euch. 40 Leute, Fans und eventuell Sponsoren in den Bus passen würden. Das drückt die Kosten, genauso wie uns Sponsoren bei den Wohnungen unterstützen. Wir arbeiten mit extrem kleinen Etats in der Liga. Alle Wertsachen, mit denen wir unterstützt werden, sind Gold für uns. Von den freien Mitteln kannst du zum Beispiel eine weitere Spielerin holen. Oder eine Spielerin, wie Tarasava, halten.
Wichtig ist auch, dass wir attraktiv für die Fans bleiben und neue dazu gewinnen. Ich höre immer wieder von Fans, die zum ersten Mal zu uns kommen, dass bei uns mehr passiert, als beim HFC. Auf dem Feld und in der Halle. Wir müssen dafür sorgen, diese Leute wieder in die Halle zu bekommen. Wer einmal da war, kommt zu 80 Prozent zurück. Was wir auch besser vermitteln müssen, dass ein Spiel gegen den Tabellennachbarn Freiburg genauso attraktiv ist, wie gegen die Mannschaft Nummer 1 der Liga, Wasserburg. Gegen Freiburg kommen 700 Zuschauer, gegen Wasserburg aber nur 400. Ziel für uns, wir müssen den Kern der Zuschauer erweitern.
Ein kleiner Blick noch auf den Kader der kommenden Saison, wie wird er aus jetziger Sicht aussehen?
Unser Kader muss und wird tiefer werden. Besonders durch die jungen Spielerinnen, die dann nicht mehr WNBL spielen werden, wird uns das gelingen. Wir werden in der kommenden Spielzeit auch Laura Hebecker wieder zurück haben und auch Noémie Rouault ist dann wieder da. Von Inken Henningsen werden wir mehr erwarten können. Sie ist sehr athletisch, sie ist fit!
Schauen wir am Ende noch auf die Liga. Was sagst du in dieser Saison zum Niveau?
Ich war enttäuscht von der Liga. Ich hatte das Niveau nach der deutschen Regel und jetzt Agreement besser eingeschätzt. Es gab viele Vereine, die Spielerinnen geholt haben, wo ich dachte, da hätte auch eine Deutsche stehen können. Aber da hast du wieder das Problem, dass die Ausländerinnen für das Geld spielen, aber die Deutschen nicht und sie bleiben dann lieber in der zweiten Liga.
Aus der Betrachtung heraus, gab es diese Saison auch viele Probleme mit den Kampfgerichten. In Chemnitz hat es fast den Abstiegskampf mit entschieden und nach vielen Spielen stimmte die Anzeigetafel nicht mit dem Scouting überein. Haben wir an den Kampfgerichten ein Problem?
Ein bisschen schon. Wenn ich unsere Heimspiele anschaue, muss ich sagen, dass wir mit das zuverlässigste Produkt anbieten. Es gibt Spiele in der Liga, die haben nichts mit 1. Bundesliga zu tun.
Es könnten auch Zweitliga- oder Regionalligaspiele sein. Am Kampfgericht sitzen Leute, die im Schnitt 14 Jahre alt sind. An anderer Stelle gibt kein Scouting in der Halle, weil die Drucker fehlen. Das ist für eine Liga, die sich Bundesliga nennt schon traurig. Da sind diese Saison viele Dinge passiert, wo ich denke, da müsste die Liga eingreifen. Die ist aber zu schwach für Entscheidungen. Ein Fakt, den die Vereine mit verursachen. Ein Achim Barbknecht (Geschäftsführer DBBL) kann nicht entscheiden, weil das die Vereine entscheiden müssen. Ich würde mir wünsche, es gebe ein Mindestalter für Leute, die am Kampfgericht sitzen. Ich sehe schon, dass irgendwann jemand mit Kinderwagen rumsitzt.
Qualität der Schiedsrichter? Würde es teilweise dem Niveau der Spiele helfen, wenn regionale Schiedsrichter auch mal in Bayern oder Niedersachsen pfeifen würden?
Das ist eine Geldsache und die Vereine wollen Geld sparen, denn sie finanzieren die Schiedsrichterkosten. Im Allgemeinen ist das Niveau jedoch sehr gut. Es gab für mich nicht sehr viel zu bemängeln an den Leistungen der Schiedsrichter.
Wir wünschen dir und dem Team erfolgreiche Spiele in den Play-Offs. Danke für das Gespräch.
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