“Tele-Kasper”: Dank feststeckender U-Bahn entwickeln Ärzte aus Halle ein Projekt zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes bei Kindern
Dr. Stefan Moritz befand in München bei einer Fortbildung. Doch zusammen mit Kollegen steckte er eine dreiviertel Stunde in einer U-Bahn fest, ohne Empfang. Und die Zeit hat der Mediziner der Universitätsmedizin Halle zusammen mit seinen Kollegen dazu genutzt, zunächst auf einem Schmierpapier ein Projekt zur Behandlung von Kindern zu entwickeln. Im Laufe der folgenden Wochen nahm der “Tele-Kasper” Gestalt an. Das steht für „Telemedizinisches Kompetenznetzwerk Antibiotic Stewardship in Pediatrics“.
Die Projektphase ist vorbei. Doch als “Tele-Kasper 2.0” kann es nun weitergehen. Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin WIllingmann hat am Freitag einen Förderbescheid über 500.000 Euro überreicht. “Das ist einfach ein tolles Projekt”, befand er. “Hier wird etwas gelebt, für das wir brennen: Vernetzung.” Denn 4 Unikliniken (Essen, Homburg, München und Halle) sowie 33 umgebende Kinderkliniken sind dabei. Fast 400 Nutzer hat die spezielle App, die sich an das medizinische Personal richtet. Ein Drittel der Nutzer sind Oberärzte.
Die App hat insbesondere den übermäßigen Einsatz von Antibiotika, insbesondere in der Kindermedizin, im Fokus. Denn oft werden Antibiotika bei Kindern falsch dosiert, häufig unnötig oder falsch eingesetzt. Diese Praxis hat erhebliche Folgen, denn der zu großzügige und ungezielte Einsatz von Antibiotika begünstig die Selektion und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien. Im Rahmen des vierjährigen Projekts „Tele-Kasper“ wurde deutschlandweit ein telemedizinisches infektiologisches Netzwerk aufgebaut, dessen Ziel es war, den Einsatz von Antibiotika bei Kindern mit Hilfe einer dafür eigens entwickelten App um mindestens 20 Prozent zu reduzieren. Wenngleich die endgültigen Ergebnisse derzeit noch nicht final vorliegen, zeigte sich doch schnell eine hohe Akzeptanz des Systems bei den teilnehmenden Kliniken. Aktive Nutzer:innen greifen durchschnittlich zehn Mal pro Tag auf das System zu, wodurch die „Tele-Kasper“-App vielerorts mittlerweile Bestandteil der täglichen Arbeit geworden ist.
Das Wissenschaftsministerium Sachsen-Anhalt fördert das Projekt nun für weitere zwei Jahre. Dafür haben die Dekanin der Medizinischen Fakultät der Universität Halle, Prof. Dr. Heike Kielstein, und der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Halle (Saale), Prof. Dr. Thomas Moesta, am Freitag (06.09.24) von Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann einen Fördermittelbescheid für „Tele-Kasper 2.0“ in Höhe von knapp 500.000 Euro erhalten. Im Fokus des bis 2026 laufenden Anschlussprojekts stehen die besonderen Herausforderungen bei der Nutzung telemedizinischer Angebote. So sollen Faktoren identifiziert werden, welche die Akzeptanz und Nutzung von telemedizinischen Angeboten beeinflussen, sowie Strategien entwickelt werden, um diese Barrieren abzubauen.
Stimmen zum Projekt „Tele-Kasper 2.0“
Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Armin Willingmann: „Dieses Forschungsprojekt hat das Potenzial, neue Maßstäbe in der telemedizinischen Versorgung in Sachsen-Anhalt und auch darüber hinaus zu setzen. Wenn es gelingt, die Nutzung solcher digitalen Lösungen in Kliniken und Praxen zu etablieren, lässt sich die Qualität in der Kindermedizin in ganz Deutschland signifikant verbessern.“
Prof. Heike Kielstein, Dekanin der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität: „Durch die gezielte Untersuchung der Verschreibungspraxis leisten wir einen wichtigen und dringend benötigten Beitrag zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Die Forschungsergebnisse werden weit über die Kindermedizin hinaus von Bedeutung sein. Die Unterstützung des Wissenschaftsministeriums gibt uns die Möglichkeit, diese Innovation weiter voranzutreiben.“
Prof. Dr. Thomas Moesta, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Halle (Saale): „Die App ‚Tele-Kasper‘ stellt eine herausragende Innovation in der telemedizinischen Versorgung dar, da diese gerade unseren Jüngsten zugutekommt, welche insbesondere auch im Bereich der Antibiotikavergabe eher benachteiligt sind. Ich freue mich in dem Zusammenhang ganz besonders, dass eines der kleinsten Bundesländer vor allen anderen beispielhaft vorangeht und zeigt, wie wichtig die wissenschaftliche Förderung in der Kindermedizin ist. Mein ganz ausdrücklicher Dank gilt daher dem persönlichen Engagement des Wissenschaftsministers, Herrn Prof. Minister Willingmann.“
Dr. Stefan Moritz, Projektleiter Tele-Kasper 2.0 an der Universitätsmedizin Halle: „Unser Ziel ist es, die Herausforderungen bei der Nutzung telemedizinischer Angebote von Kinderärzt:innen und umliegender nicht universitärer Krankenhäuser zu verstehen und gezielt anzugehen. Durch die Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten und die gezielte Beratung wollen wir die Verschreibungspraxis von Antibiotika wirklich flächendeckend optimieren.“
Hintergrund Projekt Tele-Kasper
Das Projekt ‚Tele-Kasper‘ steht für „Telemedizinisches Kompetenznetzwerk Antibiotic Stewardship in Pediatrics“. Es wurde von Mediziner:innen in Deutschland ins Leben gerufen und verfolgt das Ziel, die Verschreibungspraxis von Antibiotika in der Kindermedizin nachhaltig zu optimieren. Das Herzstück des Projekts ist eine eigens entwickelte App, die als zentrales Kommunikationsmittel und Nachschlagewerk dient. Sie ermöglicht die telemedizinische Kontaktaufnahme mit einem infektionsmedizinischen Zentrum, bietet Zugriff auf einen umfangreichen Antiinfektiva-Leitfaden und eine Streaming Plattform für Fortbildungsangebote. Zudem bietet die App die Möglichkeit, Anfragen zu stellen, direkt Patient:innenfälle zu besprechen und an wöchentlichen Fallkonferenzen teilzunehmen.
Beteiligt sind unter anderem das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, das Universitätsklinikum Halle (Saale), das Universitätsklinikum Essen und das Universitätsklinikum Homburg (Saarland) sowie regionale Krankenhäuser und die AOK Bayern. Das Projekt wurde für vier Jahre durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit rund 7,7 Millionen Euro gefördert. Die vier beteiligten Universitätsklinika fungieren als zentrale „Hubs“, die insgesamt 35 Kliniken aus ihren jeweiligen Regionen über drei Jahre hinweg beraten und unterstützen. Webseite: https://www.tele-kasper.de/hilfe-tele-kasper
Dann sollte man doch einfach deutsche Professoren öfter mal ohne Handyempfang in die U-Bahn stecken damit sie etwas sinnvolles machen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in ganz Deutschland keine Antibiotoka mehr hergestellt werden und in den letzten Wintern regelmäßig Antibiotika aus China für Kinder gefehlt haben. Wenn die Chinesen uns das Zeug einfach nicht mehr liefern, ist das verheerender als eine Atombombe.
…Profitmaximierung und Abhängigkeiten schaffen, die Andere.