Trauerfeier für den letzten in Halle lebenden Holocaust-Überlebenden: Hunderte Menschen nehmen Abschied von Max Schwab

Am 13. April ist Max Schwab im Alter von 92 Jahren gestorben. Er war der letzte noch in Halle (Saale) lebenden Holocaust-Überlebende. Am Sonntag wurde er auf dem alten jüdischen Friedhof in der Humboldtstraße beigesetzt. Hunderte Menschen waren gekommen, um Abschied zu nehmen.
“Wir sind traurig, aber auch unendlich dankbar, was er für unsere Stadt gemacht hat”, sagte Halles Kulturdezernentin Judith Marquardt. Mit seiner Art habe er viele Menschen berührt. Obwohl er viel gelitten habe – sein Vater wurde im KZ ermordet, Max und sein Zwillingsbruder wurde vom NS-Regime als Halbjuden eingestuft und durften nicht zur Schule – habe er eine Herzenswärme ausgestrahlt und als Zeitzeuge bei vielen Veranstaltungen seine Erfahrungen weitergegeben. In der Dauerausstellung des Stadtmuseums ist Schwabs Biographie zu finden.
“Unser Vati war still, aber auch wehrhaft”, sagte Sohn Tobias, der heute als Kreisgeschäftsführer der CDU im Saalekreis tätig ist. Das habe sich auch bei mehreren Vorfällen in der DDR gezeigt. So habe ihn – Tobias – ein Mitschüler in den Papierkorb stecken und vergasen wollen. Daraufhin habe der Vater mit dem Vater des anderen Schülers Kontakt aufgenommen und die Geschehnisse aufgearbeitet. Noch heute habe er Kontakt zum damaligen Mitschüler. Als ihn während seines Studiums die Stasi anwerben wollte, habe er seinen Vater angerufen. Der habe ihm geraten, offen damit umzugehen. Also erzählte er in der Vorlesung davon. Das Ergebnis konnte er nach der Wende in seiner Stasi-Akte lesen: “Anwerbung abgebrochen wegen mangelnder Konspirationsfähigkeit.”
Als Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Jena ist Sohn Matthias tätig. Er berichtete, dass sein Vater “durch und durch pazifistisch” war. “Wir durften keine Spielzeugwaffen haben”, berichtete er und erzählte auch eine Geschichte aus der Kindheit seines Vaters. Die Familie lebte unweit des Güterbahnhofs. Dort haben Max und sein Zwillingsbruder Günther (er starb 1996 bei einem Unfall) gespielt und eines Tages sämtliche Zündschlüssel der auf einem Zug geladenen Militärfahrzeuge abgezogen. Erwischt wurden sie nicht, aber eine Standpauke der Mutter – die als Katholikin zur Zwangsscheidung von Julius gezwungen wurde – gab es. Denn sie wusste genau: wären sie erwischt worden, hätte das wohl die Todesstrafe bedeutet.
Mit Max Schwab ist nun der letzte Vertreter der alten jüdischen Gemeinde tot und der letzte, der noch die 1938 zerstörte Synagoge am heutigen Jerusalemer Platz besucht hat. Das ist auch Max Privorozki bewusst, dem heutigen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Zwar hatte es unmittelbar nach Kriegsende in der DDR wieder eine jüdische Gemeinde gegeben. “Doch die hatte nur Alibi-Funktion.” Deshalb trat Max erst zur Wendezeit wieder ein. Schwa habe etwas für die Verbindung zwischen beiden Zeiten getan. Nun sei es Aufgabe der heutigen Gemeindemitglieder – viele sind Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion – die reiche Geschichte der Gemeinde zu bewahren und fortzusetzen.
Dass Schwab auf dem alten jüdischen Friedhof beerdigt wurde, ist auch eine Besonderheit. Denn für Bestattungen gibt es seit Jahrzehnten den neuen jüdischen Friedhof in der Dessauer Straße. Doch in der Humboldtstraße befindet sich das Familiengrab der Schwabs. Und hier wurde auch Max nun beigesetzt. Er war oft auf dem Friedhof, zu dessen Gelände er einen eigenen Schlüssel besaß. Auch am Vorabend von Jom Kippur im Jahr 2019 befand er sich auf dem Friedhof. Am Feiertag selbst, der mit dem Terroranschlag mit zwei Toten in die hallesche Geschichte einging – war er aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Synagoge.
- Wenige Tage nach dem Anschlag gab Schwab der Jüdischen Allgemeinen ein Interview: https://www.juedische-allgemeine.de/gemeinden/ich-bin-der-letzte/
- Der Zeitgeschichte(n)-Verein hat einen Nachruf auf Max Schwab veröffentlicht, der als Geologe eine akademische Karriere gemacht hat. Seit 1984 war er auch Leiter des Geiseltalmuseums in der Neuen Residenz: https://www.zeit-geschichten.de/start-2/themen/nach-den-diktaturen/nachrufe/in-memoriam-max-schwab/





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