Wiegand trifft Claus Strunz: Ein Plädoyer für Parteilosigkeit
„Ein Buch für alle, die nicht nur meckern, sondern etwas bewegen wollen“: mit diesen Worten hat Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand am Montag TV-Moderator Claus Strunz begrüßt. Im Rahmen der Reihe „Bernd, Buch, Bürger“ im Literaturhaus wurde über dessen neuestes „Geht’s noch, Deutschland?“ diskutiert. Ein Buch für „konstruktive Unruhestifter“, so Wiegand. Und Strunz zeigte in der Veranstaltung seine Abneigung gegen das derzeitige Parteiensystem. Und weil Wiegand ein parteiloser Oberbürgermeister sei, habe er zugesagt, „auch wenn wir sicher nicht in allen Punkten einer Meinung sind.“
Viele Kandidaten für den Stadtrat, vor allem aus der Wählerinitiative „Hauptsache Halle“ – waren anwesend. Die Wählergruppe gilt ja als Unterstützerverein von Amtsinhaber Wiegand. Und der wollte von Strunz wissen, was er denn den Kandidaten auf den Weg gibt. Eine „klar erkennbare Haltung“ fordere er ein. „Eine Mehrheit erlangt man mit einer klaren Haltung zu großen politischen Fragen.“ Die könne mal links, mal konservativ, mal liberal sein. Das „Festgetackertsein auf eine Parteifarbe“ störe ihn, die Unterscheidung ins Rechts und Links. Zeitgemäßer sei doch eine Entscheidung, ob etwas vernünftig oder unvernünftig ist. „Die kommunalen Parlamente müssen Vorreiter sein.“ Die Parlamentarier sollen als Mensch abstimmen und nicht danach, was der Fraktionszwang sage.
Politiker seien Angstmanager, so Strunz. Er mahnte auch an, beide Seiten zu hören – also die Intellektuellen ebenso wie das „einfache“ Volk. Er warnte davor, dass Intellektuelle auf beispielsweise Handwerker oder Krankenschwestern nach dem Motto herabschauen, die hätten vielleicht Ahnung von ihrem Beruf, aber nicht von der weiten Welt. „Politiker haben fünf Jahre den Leuten erklärt, sie sind zu dämlich die schwierigen Fragen in Europa zu verstehen. Die Zeit ist vorbei.“
Und dann ging es ums Buch. Wiegand pickte sich einige Thesen heraus und ließ dann das Publikum über diese Thesen abstimmen.
So fordert Strunz in seinem Buch mehr Bürgerbeteiligung bei der Wahl zum Bundespräsidenten, die Wahlversammlung sollte zur Hälfte aus normalen Bürgern bestehen. Aktuell besteht die eine Hälfte der Bundesversammlung aus den Abgeordneten des Bundestages. Die andere Hälfte wird von den Parteien bestimmt, bleibt also im Parteispektrum. Dabei reden die Politiker immer von mehr Bürgerbeteiligung. Hier ließe sich das einfach umsetzen. So stellte Strunz die Frage, warum Bundestrainer Jogi Löw in der Wahlversammlung saß – und nicht irgendein Jugendtrainer. Oder Schauspielerin Natalia Wörner, die Freundin von Außenminister Heiko Maas. „Warum nicht auch Schulsprecher oder Krankenschwestern?“ Die große Mehrheit sah es ähnlich und stimmte mit den gelben Karten im Saal seiner These zu.
Nicht so eindeutig war seine These, eine Wahlpflicht einzuführen. Wer nicht wählen geht, zahlt eine Strafe. Ein ungefähres Patt kam heraus. Strunz begründete seine Forderung damit, dass die Wahlbeteiligung immer weiter sinke. Bei der Europawahl gebe es teilweise nur eine Beteiligung von 30 Prozent, das sei ein Offenbarungseid für die Demokratie. Für Strunz ist klar, warum man in vielen Parteien gegen eine Wahlpflicht ist. „Weil dann die Leute wählen, die aus Sicher des Establishments keine Ahnung haben.“ Eine Besucherin machte gar den Vorschlag, statt einer Bestrafung auf ein Belohnungssystem zu setzen. Wer also wählen geht, bekommt etwas Geld.
Große Mehrheit gab es auch für die These, Deutschland-Fahnen vor allem Schulen aufzustellen und deutsch ins Grundgesetz aufzunehmen. „Das ist eine tägliche Erinnerung an Einigkeit, Recht und Freiheit“, so Strunz. Erdogan mache es vor. Vor allem DTIB-Moscheen hängen drei Fahnen – die deutsche, die europäische und die türkische Fahne.
Auch für die Aussage, Schulen müssen „radikal Digital“ werden, gab es eine Zustimmung
Und dann ging der Schwenk zu den wohl „kritischsten“ Themen: die Asylpolitik und ihre Folgen. Strunz spricht sich dafür aus, den Doppelpass abzuschaffen, und erhielt dafür die Mehrheit des Publikums. Halle hat im vergangenen Jahr 55 Personen mit einem Doppelpass eingebürgert, 29 weitere erhielten einen vorübergehenden Doppelpass. Strunz erinnert daran, dass sich zumindest einmal hier geborene Kinder von Einwanderern für eine Staatsbürgerschaft entscheiden mussten. Merkel habe dies abgeschafft. Strunz forderte aber auch eine Ausweitung der Abschiebehaft und eine Abschaffung der Duldung. Für diese These gab es ebenfalls eine Mehrheit im Publikum, wenn auch die Mehrheit nicht ganz so deutlich war. Eine deutliche Mehrheit gab es für die These zum Einwanderungsgesetz. Strunz hält dieses für einen Weg in die richtige Richtung. Asylbewerber, die einen Arbeitsvertrag vorweisen können, dürfen bleiben. Strunz äußerte aber die Befürchtung, dass es dann plötzlich wie aus dem Nichts Arbeitsverträge gibt und einen Markt dafür, so wie sich heute eine Industrie von Anwälten gegen Abschiebungen entwickelt habe.
Und dann ging es wohl um das Reizthema schlechthin: Angela Merkel. Mit der damaligen Öffnung der Grenzen habe sie entscheidendes falsch gemacht, das könne sie aber nicht zugeben. Strunz verwies auf ein Treffen mit Merkel, als diese noch nicht Kanzlerin war. Damals habe es sie gefragt, was für sie Politik sei. Das sei als Antwort gekommen „Politik ist die Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu finden.“ Strunz befindet, machtpolitisch sei niemand besser als Merkel, doch Haltung sei ihr nicht wichtig. Er bezeichnete die Kanzlerin als „Machtmaschine“ und „Mainstream-Manager“. Merkel höre dorthin, wo sie die Mehrheit vermute.
Ein verlorener Abend war das. Rhetorisch brilliant hat der Hr. Strunz nur Scheinthemen debattiert. Und dann die lächerliche Abstimmerei mit gelben Stadtratskarten. Als es in einer Nachfrage um soziale Gerechtigkeit ging, scheiterte der Bourgeoisie-Herold schnell und elend gründlich. Daß vielleicht auch er zuviel dem Land entnimmt, was dann anderen fehlt, kam ihm offenbar nicht inn den Sinn. Soziale Wohltaten wollte er auf keinen Fall weiter ausbauen. Da war er ganz deutlich. Ansonsten ginge er eher wortreich um die Themen herum. Ein paar Leuchttürme, keine Konzepte, nebulöse Finanzierungen der Vorschläge.
Was die alle so treibt? Den Herrschaften geht inzwischen die Muffe. Sie vermuten, daß die Lunte schon brennt. Angstvoll schauen die nach Frankreich. Und nun versuchen sie verzweifelt Blitzableiter zu etablieren: Bundespräsidentenwahl, Wahlpflicht, soziales Pflichtjahr, Solizuschlag für humanitäre Hilfe, Fahnen vor der Schule, Doppelpaßhetze.
Wiegand und die seinen fühlten sich recht wohl. Und so mancher von denen wollte auch Deutschlandfahnen vor die Schulen stellen. Na, da weißte ja bescheid! Grandiose Durchblicker, werden bestimmt schwergewichtige StadträtInnen, die alles rumreißen und besser machen.
Ich wähle die jedenfalls nicht!
So eine traurige Veranstaltung. Warum bin ich da bloß hin? Achso, es sollte Spaß mit HgR geben. Aber der fiel einfach aus … HalleGegenRechts mit 5 Hanseln dabei, was für Schaumschläger!
Freifutter gabs auch nicht! Mist.
Ich fand es interessant. Bis auf den intellektuell wirkend wollenden Schaumschläger am Ende der Fragerunde, der sich wahrscheinlich selber gern reden hört, sich dabei aber dermaßen verzettelt hat, dass bei den Anwesenden nur noch Kauderwelsch ankam. Selbst Herr Strunz könnte ihm nicht mehr folgen.
Herr Strunz bleibt halt immer ein BLÖD-Redakteur…
Oder, wie der große Philosoph Trappatoni einst postulierte: „Was erlaube Struuunz??1!“
Wenn ich mir nur das eine Foto ansehe, muss es sehr spannend gewesen sein: Zwei Zuhörer haben die Augen geschlossen, eine kaut an ihren Fingernägeln, der Pressevertreter der BILD schaut so interessiert wie eine satte Kuh.
Populismus in Reinkultur!! Was erlaube Strunz?
Wen es interessiert: Zu dem mitdiskutierten Thema ,Deutsch ins Grundgesetz‘ gibt es eine parteiunabhängige Petition unter http://www.deutsch-ins-grundgesetz.de.