Zoff zwischen CDU, Grünen und SPD zum neuen Kinderförderungsgesetz

Eltern in Sachsen-Anhalt sollen nur noch für ein Kind Gebühren in Kindertagesstätten bezahlen. Die Elternbeiträge für die Geschwisterkinder soll das Land ab dem 1. August 2018 übernehmen. Das sehen die Eckpunkte für ein neues Kinderförderungsgesetz vor, die Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne heute vorgestellt hat. „Das ist eine ganz praktische familienpolitische Entlastung, selbst bei Familien mit zwei Kindern kann das bis zu 2.000 Euro im Jahr Entlastung bedeuten“, sagte Grimm-Benne. Die Entlastung für Familien sei einer von drei zentralen Bausteinen der geplanten Änderungen. „Es geht um ein Plus für Kinder, Fachkräfte und die Kommunen.“
Sachsen-Anhalts Kinderförderungsgesetz muss bis zum Jahresende novelliert werden, die Finanzierungsregelungen sind zu überarbeiten. Das hat das Landesverfassungsgericht festgelegt. Um diese Frist halten zu können, müsse der Entwurf spätestens im Oktober in den Landtag eingebracht werden, sagte die Ministerin. Die notwendigen Abstimmungen im Vorfeld würden aktuell vorbereitet.
Das Ministerium reagiert mit der Novelle zudem auf erste Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Kita-Evaluierung, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Krankentage der Fachkräfte in den Einrichtungen in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. „Wir haben versprochen, Ausfallzeiten in die vom Land gezahlten Pauschalen einzubeziehen. Damit beginnen wir“, so Grimm-Benne. Zehn Krankheitstage sollen ab dem Start des nächsten Kindergartenjahres eingerechnet werden.
Zudem sollen die Gemeinden entlastet werden. Grimm-Benne: „Die Evaluierung zeigt: Es werden mehr Kinder betreut, und sie werden vor allem auch länger betreut. Darauf reagieren wir.“ Die Neuberechnung der Landespauschalen soll auf Grundlage der tatsächlich vereinbarten Betreuungszeiten von Kindern erfolgen. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes zum Betreuungsumfang zeigen: 29,5 Millionen in 2018 und 35 Millionen Euro in 2019 stehen den Kommunen zusätzlich zu. Auf die Anhebung hätten die Gemeinden nach § 12 (4) KiFöG einen Anspruch, so die Ministerin.
Grimm-Benne verwies auf die gemeinsame Verantwortung von Gemeinden, Landkreisen und Land bei der Gestaltung und Finanzierung der Kinderbetreuung. Die Landkreise und Gemeinden hätten hier einen entscheidenden Part.
Im Rahmen der Novelle ist geplant, diese Verantwortungsgemeinschaft zwischen Gemeinden, Landkreisen, Land und Trägern behutsam neu zu gestalten und die Rolle der Gemeinden zu stärken. Grimm-Benne: „Damit kommen wir den Vorgaben des Landesverfassungsgerichts nach und setzen Empfehlungen der Kita-Evaluierung um.“ Die Ministerin verwies zudem darauf, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Zuständigkeitsfragen beim KiFöG noch aussteht. „Die Hoffnung, dass bis zum Beginn dieses notwendigen Abstimmungsprozesses auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, hat sich leider nicht erfüllt. Der Termin für die Entscheidung ist weiter offen.“
Grimm-Benne sagte, der Dialog über die geplanten Veränderungen habe begonnen und werde in den kommenden Wochen weiter geführt. Wenn die Entscheidung aus Karlsruhe vorliege, werde die Vorlage vor diesem Hintergrund nochmals geprüft.
„Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Landesregierung nun Schritte zur Verbesserung der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt gehen möchte und stehen den Diskussionen in den Ausschüssen offen gegenüber“, sagt die kinder- und familienpolitische Sprecherin der Linken Monika Hohmann. „Die heute vorgestellten Eckpunkte geben jedoch Anlass zur Sorge, dass eine Chance vertan wird, die Finanzierung der Kinderbetreuung tatsächlich auf eine transparente und nachvollziehbare Basis zu stellen. Bei allen geplanten Verbesserungen, es bleibt im Kern das intransparente Pauschalsystem bestehen, das die jetzige Finanzierung unübersichtlich macht. Die 50/50-Regelung zu streichen, ändert nichts an der Tatsache, dass die Gemeinden weiterhin mit der Defizitfinanzierung im Boot sind und somit kommunale und freie Träger nicht im Rahmen der Entgeltverhandlungen mit den Jugendämtern gleichgestellt sind. Die Elternbeitragsbefreiung ab dem zweiten Kind ist grundsätzlich begrüßenswert, entlastet jedoch Familien mit nur einem Kind gar nicht. Diese Regelung behält außerdem die Zahlung der teureren Krippenbeiträge bei und ist in ihren gesamten Folgekosten für das Land nicht absehbar, da die Elternbeiträge nicht prozentual an die Gesamtpersonalkosten geknüpft werden. Erstaunlich ist außerdem, dass die Landesregierung nun nicht mehr auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wartet, sondern das Gesetz wohl vorher einbringen wird. Genau das ist der LINKEN bei der Einbringung ihres Gesetzes zum Vorwurf gemacht worden.“
Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Katja Pähle, hat die von Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) heute vorgestellten Eckpunkte für die Novellierung des Kinderförderungsgesetzes (KiFöG) begrüßt. „Das ist eines der wichtigsten Vorhaben der SPD in der Koalition und eines der anspruchsvollsten Projekte der Landesregierung in dieser Wahlperiode“, so Pähle. „Was die Sozialministerin jetzt vorschlägt, bringt Eltern und Kommunen deutliche finanzielle Entlastungen, verbessert die Betreuungsrelation ebenso wie die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher. Diesen Kurs unterstützen wir als SPD-Landtagsfraktion.“ Pähle begrüßte insbesondere den Einstieg in die Beitragsfreiheit. „Bildung muss kostenfrei sein – das gilt auch für die frühkindliche Bildung. Dass Eltern künftig immer nur für jeweils ein Kind Gebühren aufbringen müssen, ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung. Mit Unterstützung des Bundes können wir perspektivisch weitere Schritte gehen“, sagte die Fraktionsvorsitzende. Die Eckpunkte sehen auch eine veränderte Zusammenarbeit von kreisangehörigen Gemeinden und Landkreisen bei der Planung und Qualitätssicherung der Kinderbetreuung vor. Pähle: „Das Modell setzt auf Kooperation der kommunalen Ebenen und stärkt die Gemeinden. Ich setze darauf, dass wir uns manche Konflikte der Vergangenheit künftig ersparen können.“
„Heute wurden durch die Spitze des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration deren Vorstellungen zur Neuregelung des Kinderförderungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vorgestellt. Als CDU-Landtagsfraktion nehmen wir die gemachten Ausführungen lediglich zur Kenntnis. Der gewählte Zeitpunkt lässt vermuten, dass es mit Blick auf die Bundestagswahl dem SPD-geführten Ministerium möglicherweise darauf ankam, beim Bürger zu punkten“, sagt der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Tobias Krull. „Mit uns wird es kein neues Kinderförderungsgesetz ohne eine verlässliche Daten- und Rechtsbasis geben. Dazu gehört neben der Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung auch die sorgfältige Auswertung der Ergebnisse der umfangreichen Befragung in den Kindertageseinrichtungen. Letztere stehen der CDU-Landtagsfraktion noch nicht zur Verfügung. Wir hätten erwartet, dass ehe durch die Ministerin öffentlich Eckpunkte zum neuen KiFöG vorgestellt werden, beides vorliegt. Außerdem wird sehr genau zu prüfen sein, welche finanziellen Auswirkungen die unterbreiteten Vorschläge auf den Landeshaushalt und die weiteren Beteiligten – Landkreise, Kommunen, freie Träger und nicht zuletzt die Eltern – haben werden. Im Zweifelsfall hat hier eine umfangreiche Diskussion, inklusive öffentlicher Beteiligung, Vorrang gegenüber schnellen, aber möglicherweise unreifen, Entscheidungen. Im Rahmen der anstehenden Klausurtagung der CDU-Landtagsfraktion in der übernächsten Woche werden wir uns erneut intensiv mit der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt beschäftigen.“
Nach der überraschenden Vorstellung der Eckpunkte für das neue Kinderförderungsgesetz (KiföG) spricht sich Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, für Genauigkeit und Beteiligung statt Geschwindigkeit aus. „Der tatsächliche Betreuungsaufwand und der Tarifabschluss sind schon jetzt selbstverständliche Bestandteile des Gesetzes. Bei zu ändernden weiteren Punkten muss ein breiter Konsens im Vordergrund stehen“, sagt Lüddemann. Der Vorstoß für einen realistischeren Personalschlüssel geht laut Lüddemann in die richtige Richtung, ist aber viel zu zögerlich. „Es sollten mindestens weitere zwei Leiterstunden pro Kita angerechnet werden. Außerdem muss die duale Erzieherinnenausbildung ebenfalls berücksichtigt werden, die auf unsere Initiative bereits vom Landtag beschlossen wurde.“ Für Lüddemann ist die finanzielle Entlastung der Eltern ein wichtiges Zeichen der Politik an Familien, dass Kinder gewünscht und gefördert werden. Der Vorschlag, Eltern nur für das jüngste Kind zahlen zu lassen, greift zu kurz. „Das hilft keiner Alleinerziehenden, die mehrheitlich ein Kind versorgt. Zudem plädieren wir für die soziale Staffelung des Elternbeitrages. Das würde nicht mehr kosten, die Lasten aber gerechter verteilen“, sagt die Fraktionsvorsitzende. Im weiteren Verfahren werden wir Grüne auch auf die Realisierung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Sonderförderung für Kitas in „sozialen Brennpunkten“ drängen. „Angesichts der andauernden hohen Kinderarmut im Land ist es ein wesentlicher Baustein, um gezielt pro Kita reagieren zu können.“ Lüddemann sagt abschließend: „Die Vorschläge der Sozialministerin nehmen wir als ersten Aufschlag für die Novellierung des KiföGs in unsere weiteren Überlegungen auf. Gemeinsam mit dem zweiten Teil der Evaluierung werden wir unsere weitergehenden Vorstellungen in die Erarbeitung des Gesetzentwurfs einbeziehen.
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