Zukunftsvision Freie Kultur in Halle: Kandidierende der OB-Wahl präsentieren sich in der Palette zum Thema Kultur

Am Sonntag wird in Halle (Saale) ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Im letzten Forum vor der Wahl präsentieren sich die Kandidierenden in der “Palette”. Wo sonst gefeiert wird, stellten sich Egbert Geier, Kerstin Godenrath, Dörte Jacobi, Andreas Wels und Alexander Vogt den Fragen zum Thema Kultur. Die IG Freie Theater, die IG Bildende Kunst und das Netzwerk Musikveranstaltende hatten gemeinsam eingeladen.
Man decke ein großes und breites Spektrum ab, sagte Nicole Tröger von der IG Freie Theater. Gefordert wird unter anderem, dass die Stadt den Freien Theatern fünf Prozent ihres Kulturetats zur Verfügung stellt, außerdem wünscht man sich mehrjährige Förderungen. Momentan hat die freie Szene in Halle aber noch ein akutes Problem: Da der Haushalt der Stadt nicht genehmigt ist, fließen auch keine Mittel. “Wir wissen bis heute nicht, wieviel wir bekommen”, sagte Nicole Tröger. “Das ist eine Katastrophe, die uns vor Existenzängste setzt.” Eine angemessene, faire Belohnung und ein existenzsicherndes Einkommen, forderte eine Vertreterin der IG Bildende Kunst. Und als “Backbone des kulturellen Lebens” stellte sich das Netzwerk Musikveranstaltende vor. Ohne Veranstalter hätten auch die Musiker keine Plattform.

Im Anschluss konnten sich die Kandidierenden in Tisch-Gesprächen mit den jeweiligen Interessengemeinschaften austauschen. Alexander Vogt ist selbst im kulturellen Bereich unterwegs, wenn auch nicht in der Freien Szene – er ist im Vorstand der Opernfreunde. Vogt nannte Frankreich als Beispiel, dort seien freie Künstler gut versorgt durch eine Künstlerversicherung, die bei Arbeitslosigkeit und Krankheit greift. Künstler brauchen Planungssicherheit, sagte Vogt und forderte eine Verschlankung der administrativen Hürden und eine Verlängerung der Förderperioden auf 2 bis 4 Jahre. Halle sei eine Clubstadt, Sie könne sich durch die Nischen gegen Berlin und Leipzig behaupten. Durch die Zentralität der Saalestadt sei es auch von Vorteil, schnell mit Zug oder Auto da zu sein. Es seien mehr Freiräume nötig, sagte Vogt. Das brachliegende RAW-Gelände würde sich als Partyort anbieten. Weil auch die Zugbildungsanlage enormen Lärm verursacht, dürfte es dort auch keine Probleme mit Lärmbeschwerden durch Anwohner geben. Zudem will Vogt für eine bessere Beleuchtung auf der Peißnitz sorgen und mehr stabile, öffentliche Grillplätze schaffen. Eine Fragestellerin sprach die Vergnügungssteuer an. Die müssen Musikveranstalter in Halle zahlen, doch so wirklich viel kommt nicht bei rum. Die Einnahmen liegen bei etwa 7.600 Euro im Jahr. Vogt konnte sich für eine Forderung nach Abschaffung erwärmen. Nötig sei zudem eine Kunsthalle, in der sich die freie Szene präsentieren kann. Vogt wünschte sich zudem eine wertschätzendere Kommunikation von Seiten der Stadtverwaltung.
“Ich bin heute hier, um zu hören, wo die neuralgischen Punkte sind”, sagte Andreas Wels. Eine auf mehrere Jahre und dynamisch angelegte Förderung wäre sinnvoll. Kulturschaffende würden zudem Platz brauchen, Wels will sich deshalb darum kümmern, dass möglicherweise ungenutzte Räume und Freiflächen genutzt werden könnten. Er habe derzeit das Gefühl, die Stadt sei kein enger Partner. Die Reaktion des Publikums auf Wels Aussagen fiel eher verhalten aus. “Da darf man ruhig einmal klatschen”, hatte Wels anschließend um Applaus geworben, doch beim Publikum kam das nicht gut an. Wels warb auch für sein Sicherheitskonzept. Beim Thema Vergnügungssteuer sollen die rechtlichen Grundlagen geprüft werden. Und beim Thema Lärm müsse man ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Ruhebedürfnis der Anwohner und Jugendlichen, die feiern wollen, finden. Die Stadt Halle habe 380 Millionen Euro Schulden, betonte Wels, man wolle nicht unter Zwangsverwaltung gestellt werden, deshalb brauche es innovative Lösungen, wie Geld in die Kasse kommt. In einem anderen Wahlforum hatte sich Wels für die Reduzierung der Ausgaben bei den Leistungen für die “Hilfen zur Erziehung” ausgesprochen. Das wurde ihm vorgehalten. Er wolle in dem Bereich nicht kürzen, meinte Wels, “aber wir müssen kostenintensive Posten genau unter die Lupe nehmen.” Ein Haus der freien Kulturszene sei absolut wünschenswert. Aber es müsse ja “nicht nur im Filetbereich der Innenstadt” sein, sondern vielleicht auch in Neustadt oder der Silberhöhe.
“Ich bin kein Kulturexperte”, meinte Kerstin Godenrath. Ihr sei es aber wichtig, die Wünsche und Forderungen kennenzulernen und miteinander im Gespräch zu bleiben. Mit Blick auf die Haushaltslage werde man aber auch nicht um die Finanzen drumherum kommen. Godenrath sprach ebenfalls zum Thema Sicherheit, beispielsweise durch eine Stärkung der Präsenz der Ordnungskräfte. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass dies nicht unbedingt beim Publikum auf Gegenliebe stößt. Dort fühlt man sich eher durch die Ordnungshüter gegängelt. “Die Bullen kriminalisieren uns”, rief ein junger Mann dazwischen. Ein anderer berichtete von einem Zwischenfall an der Pauluskirche, wo sich 25 Jugendliche hätten auf den Boden legen müssen. Ihr Vergehen sei nur laute Musik gewesen. Sie finde es respektlos, von Bullen zu reden, meinte Kerstin Godenrath dazu. “Ich finde eher ihre Aussagen zu Transfrauen respektlos”, wurde ihr geantwortet woraufhin Godenrath meinte: “Sie können gern mal gucken, wie das Thema definiert wird.” Zum Thema Vergnügungssteuer sagte Godenrath, es sei die Frage, ob die Stadt überhaupt so eine Steuer abschaffen kann. “Wir sind in der Haushaltskonsolidierung und müssen unseren Einnahmepflichten nachkommen.”
Kultur sei ein wichtiger Standortfaktor, sagte Dörte Jacobi. Die Stadt sei bei Studierenden beliebt. Das liege nicht nur an der Universität, “sondern weil man hier gut und viel Spaß haben kann.” Beim Thema Lärm fehle es an Transparenz durch die Stadtverwaltung. Man habe “das Gefühl, man muss jemanden kennen, um was machen zu können.”
Kreative Leute finde er gut, meinte Egbert Geier. In der Stadtverwaltung müsse man viel zu oft bürokratische Dinge beachten. Da seien manchmal kreative Lösungen gefragt. Geier warb in diesem Zusammenhang auch für das Zukunftszentrum. Bei der Bewerbung sei auch die reichhaltige Kulturszene ein Punkt für den Zuschlag gewesen. Problem aktuell sei aber, dass die Stadt keinen Ansprechpartner beim Bund hat. Sobald dies der Fall ist, wird sich die Stadt um eine Einbeziehung der freien Szene in die Ausgestaltung kümmern. Auch zum Thema Vergnügungssteuer äußerte sich Geier. Die Stadt habe tatsächlich eine Abschaffung für den Bereich der Tanzveranstaltungen im Blick. Eine Anpassung der Satzung sei aber bislang nicht passiert, weil die Mitarbeiter mit Betten- und Grundsteuer ausgelastet sind. In den 90ern sei die Vergnügungssteuer vielleicht mal eine nette Sache gewesen. Doch heute sei der Verwaltungsaufwand höher als die 7.600 Euro Einnahmen. Prüfen will Geier eine “Kulturschallverordnung”. Lärm sei jedoch Bundesrecht, da müsse diskutiert werden, welche Ermessensspielräume es gibt. Sorgen wurden von Anwesenden zur Zukunft der Spontanparties geäußert. Denn neben der Lautstärke läuft die Satzung, die einst Oberbürgermeister Bernd Wiegand eingeführt hat, im Jahr 2027 aus. Er wolle diesen Sektor keinesfalls auf null zurückfahren, betonte Geier. Zudem sei die Stadtverwaltung bereits damit beschäftigt, noch weitere städtische Flächen zu eruieren, die für Spontanparties in Frage kommen. Zur finanziellen Unterstützung kann sich Geier auch eine Art Stipendium vorstellen, ähnlich wie beim Stadtschreiber. Zudem könnte man in der Stadt nach Räumlichkeiten schauen, die als Kultur-/Freiräume in Frage kommen. Er wolle sich mal mit der HWG zusammensetzen, ob es da nicht das ein oder andere Gebäude gibt. “Hasi”, schallte es ihm aus dem Publikum entgegen. Denn das seit Jahren leerstehende Gebäude in der Hafenstraße gehört der HWG.
Theatermacher Alexander Terhorst sprach das Thema Plakatwerbung an. Denn die Preise für die Werbung bei der Firma STRÖER, die ein Monopol in Halle hat, sind happig. “Das kostet die Freie Szene viel Geld.” Die Stadt könnte sich ja um ein Kontingent für kostenfreie Plakate der freien Szene bemühen. “In jeden Vertrag kann man solche Klauseln reinbringen”, betonte Alexander Vogt. Andreas Wels sieht auch das Stadtmarketing in der Pflicht, Veranstaltungen der freien Szene sichtbar zu machen und zu promoten. Ein bestimmtes Kontingent steht der Stadt zur Verfügung, hob Egbert Geier hervor. Es sei eben nur die Frage, wie die Verteilung erfolge. Geier kann sich aber auch vorstellen, auf einer Straßenbahn für die freie Szene zu werben. Auf jeden Fall ist das Thema STÖER eines, das viele Menschen aus der Szene umtreibt. So hatte der BLECH-Ausstellungsraum am Steintor dort Plakatwände stehe. Die sind nun weg. Er seien durch STRÖER Videowände davor gebaut worden, letztendlich habe man die Plakatwände ganz abbauen müssen, beklagte eine Frau.
Statements der Kandidierenden: Kerstin Godenrath, Alexander Vogt, Egbert Geier, Andreas Wels, Dörte Jacobi.
Der Rest war im Urlaub???
Was für eine abgehobene Debatte. 🙄
„Gefordert wird unter anderem, dass die Stadt den Freien Theatern fünf Prozent ihres Kulturetats zur Verfügung stellt, außerdem wünscht man sich mehrjährige Förderungen.“
das ist wirklich witzig ..Die freie Kultur fordert etwas .. 😉 .. und ein paar Zeilen später hat man sogar „Existensangst“ … Leute finanziert eure Hobbys selbst, oder geht richtig arbeiten, falls das Kulturangebot nicht angenommen wird.
Du forderst also in der Kultur mehr Staat wagen?
ist das zwangsläufig so?
„Aber es müsse ja “nicht nur im Filetbereich der Innenstadt” sein, sondern vielleicht auch in Neustadt oder der Silberhöhe.“
Halle hat doch außer ‚Filetbereich ein Innenstadt, Neustadt, Silberhöhe‘ noch andere Stadtviertel. ZB Büschdorf, Reideburg, Diemitz, Trotha, Nietleben, Dölau, Kanena, Planena, Radewell, Nördliche+Südliche Innenstadt, ….
Nördliche und südliche Innenstadt befinden sich in der Innenstadt.
Und wenn wir die Kunsthalle in das Zukunftszentrum bauen?
„Wir“ bauen da gar nix rein. Verantwortlich dafür ist einzig der Bund als Bauherr und Betreiber.
Unglaublich wie realitätsfremd und arrogant hier von selbsternannten Künstlern frech und dumm Steuergeld zur Finanzierung des eigenen Hobbys eingefordert wird. Ich sammle alte Uhren und Oldtimer, bekomme ich dafür jetzt auch ein paar hunderttausend Mark von der Stadt gesponsert?
Natürlich, du müsstest jetzt nur sagen, welche Mark du meinst.
In Deutschland ist die Kulturförderung im Grundgesetz verankert (Art. 30 GG)
Es geht um Förderung des Gemeinwohls und soziale/wirtschaftliche Effekte.
Nebenbei gab 4,2 Millionen Euro für die Sportförderung.
anderes Beispiel: HFC 2024
Stadionbesucher:innen: 220.890
Gesamtkosten für die öffentliche Hand: ca. 6 – 7 Millionen €
Ich war bei keinem einzigen Spiel. Warum soll ich für das Hobby anderer Leute aufkommen?
Die Stadt hat eben 3,8 Millionen Euro Schuldentilgung den Eltern auferlegt, die KITA-Kinder haben, da fragt man sich, wieso dann jetzt auf biegen und brechen wieder Subventionen rausgeworfen werden soll oder müssen. Wenn jemand von seiner Kunst nicht leben kann, dann nennt man es Hobby und dass das dann finanziert werden soll ist unter aller Kanone. Wir zahlen genug schon an freiwilligen Leistungen an die „Kunst“ in Halle, da braucht es nicht noch mehr die sich daran laben wollen.
Es wurde keine Schuldentilgung auferlegt, es wurden die Gebühren angepasst. Wie überall, wie üblich. Oder zahlst du in der Werkstatt noch Preise wie vor 10 Jahren? Also bitte nicht übertreiben.
Warum in einer Großstadt, welche auch ein gewisses Maß an Kunst und Kultur zu bieten haben sollte (sonst wäre es ja eine Schlafstadt), diese Sachen nicht gefördert werden sollen, bleibt nur dir erschlossen. Leider…
Es wäre ja auch mal denkbar, die Eintrittspreise der Szene entsprechend anzupassen. Hat offenbar noch keiner in Erwägung gezogen. Preise im Steintor, der Händel-Halle oder der Peißnitzbühne sollten da richtungsweisend sein…
„Man decke ein großes und breites Spektrum ab, sagte Nicole Tröger von der IG Freie Theater“ – Dann nehmt Eintritt dafür! Die Theater der Stadt werden schon mit vielen Millionen gepampert.
„Eine angemessene, faire Belohnung und ein existenzsicherndes Einkommen, forderte eine Vertreterin der IG Bildende Kunst.“ – Existenzsicherndes Einkommen? Also kann jeder, der ein Bild malt oder irgendeine Figur herstellt, ein existenzsicherndes Einkommen fordern? Okay, dann male ich ab sofort. Ne abstrakte Gipsfigur kriege ich auch noch hin 🙂
Und Musiker können einen Hut hinstellen oder Eintritt nehmen oder der Veranstalter zahlt ein paar Quiekser…
Wenn ich schon „wir fordern“ lese, kriege ich Puls 🙁
„Wir wissen bis heute nicht, wieviel wir bekommen”, sagte Nicole Tröger. “Das ist eine Katastrophe, die uns vor Existenzängste setzt.“
Sry, aber wenn ich mich für diesen „Berufsweg“ entscheide, sollte ich auch damit klarkommen und erwarten, wenn ohne staatliche Hilfen der Verdienst wegbricht.
Ansonsten muss man eben auch privat vorsorgen, machen so viele Menschen….und sei es eben nur die Arbeitslosenversicherung.
Es gibt auch noch die KSK, KünstlerSozialKasse
ist also eine brotlose Kunst
Die „Kandierenden“ in der Überschrift sind ja süß! Mit dem allgemein verständlichen Wort „Kandidaten“ würden solche Fehler nicht passieren.😉
„Freie Kultur“ – wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘ wird dabei herauskommen oder ist es schon längst. Freie Kultur mit langjähriger Förderung – ein Widerspruch in sich. Der Preis der Freiheit bleibt die Unsicherheit – das fördert die Empfindsamkeit, die Schöpferkraft, die Risikobereitschaft. Was diese Leute wollen ist gepampertes Kulturschaffen – eigentlich wollen sie auch ein Stadttheater sein – Wozu ? Sie haben ihr Publikum, das zahlt Eintrittspreise in erheblicher Höhe. 5% des Kulturetats sind da schon ein gutes Ruhekissen um schön in eingefahrenen Bahnen zu machen was das Publikum von ihrem Theater erwartet. Meist Sommertheater mit Schenkelklopfergarantie und einem Parforceritt auf dem Klischeegaul oder Kindertheater im Stil der 80er Jahre. Die Forderung lag mal bei einem Prozent und im letzten Jahr sind schon über 900.000 Euro in die Freien Theater geflossen. Viel zu sehen war davon nicht. Das „Rückgrat der Kultur“ sieht anders aus.
350.000 Menschen haben an den Angeboten der Freien Szene teilgenommen. Vielleicht haben Sie einfach nicht genau hingeschaut?
Wie wurde denn das gezählt? Und was soll die Zahl aussagen?