Jetzt amtlich: Weißenfels wird JVA-Standort – das ist die Begründung der Landesregierung
Die Landesregierung hat heute unter Abwägung der vollzuglichen, baufachlichen, zeitlichen und wirtschaftlichen Aspekte die Errichtung einer Justizvollzugsanstalt (JVA) in Weißenfels beschlossen. Der Neubau soll die bisher in Halle (Saale) betriebene JVA ersetzen. Deren Sanierung bei laufendem Betrieb wurde verworfen. Eine alternative Liegenschaft für einen Neubau in Halle-Tornau wurde geprüft.
Sachsen-Anhalts Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz Franziska Weidinger: „Als Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz liegt mir die Modernisierung und Weiterentwicklung des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt weiterhin in besonderem Maße am Herzen. Nach einem langen und intensiven Abstimmungs- und Entscheidungsfindungsprozess ist nun eine Entscheidung getroffen worden. Wichtig ist jetzt, dass die Planungen zügig voranschreiten und die Umsetzung dieses Großprojekts tatsächlich auch an Fahrt gewinnt. Mein Haus wird diesen Prozess eng begleiten und sich dabei aktiv für unsere Bediensteten im Justizvollzug sowie alle Netzwerkpartner einsetzen.“
Finanzminister Michael Richter: „Auch Zeit und Kosten sind wesentliche Faktoren für die Standortentscheidung. Die Kostenvorteile am Standort Weißenfels überwiegen bei Weitem. Hauptgrund dafür ist, dass wir in Weißenfels wesentlich schneller mit dem Bau beginnen können als in Halle. Wir rechnen damit, dass der Bebauungsplan in spätestens einem Jahr vorliegt.“
Die landeseigene Immobilien- und Projektmanagementgesellschaft mbH (IPS) soll mit der Realisierung des Neubauvorhabens beauftragt werden. Planungsleistungen sind im Haushalt 2025/26 mit insgesamt 4,5 Millionen Euro veranschlagt, 440 Haftplätze sollen entstehen.
„Die Entscheidung des Landeskabinetts, den Neubau einer Justizvollzugsanstalt von Halle nach Weißenfels zu verlegen, ist das Ergebnis eines Planungsprozesses, bei dem Verzögerungen in der Vergangenheit und eine suboptimale Kommunikation mit der Stadt Halle zur jetzigen Fehlentscheidung geführt haben,“ kritisieren die hallesche Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Landtagsfraktion, Dr. Katja Pähle, und der Vorsitzende der SPD Halle, Peter Dehn. „Bereits im Jahre 2020 gab es im Justizministerium fertige Pläne, die bestehende Justizvollzugsanstalt „Frohe Zukunft“ auszubauen und an die aktuellen Standards anzupassen“, so Katja Pähle. „Der damalige Kostenrahmen“, so Pähle, „klingt mit 170 Millionen Euro gegenüber den heute kommunizierten Zahlen fast lächerlich. Man hatte Baurecht. Der Neubau könnte seit Jahren genutzt werden.“ „Der Standort einer neuen JVA hätte nie zum Spielball eines Planungsverfahrens gemacht werden dürfen,“ so Dehn: “Die geordneten Abläufe unserer Rechtssprechung sind hinlänglich bekannt. Die Auswirkungen eines von den Gerichten getrennten JVA-Standortes auf unsere Sicherheitskräfte, auf Anwälte, ja auch auf Inhaftierte und deren Angehörige schließen einen willkürlichen Standortwechsel aus.“ Die jetzt vom Landeskabinett genannte Begründung, den Standort in Halle aufzugeben, ist eher ein Eingeständnis verfehlter Planung und eignet sich schlecht als Vorwurf an die Stadt Halle. „Kein normaler Investor kauft ohne vorherigen Kontakt mit der Stadtverwaltung ein Grundstück, für das es noch kein Baurecht gibt. Und kein privater Investor verweigert sich so beharrlich einer zielführenden Kommunikation mit den städtischen Entscheidungsträgern. Hier ist auch für künftige Planungen noch viel Platz für Lernprozesse“, so Dehn.
Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende Die Linke im Landtag: „Jahrelang hat die Landesregierung Millionenbeträge in die Planung eines Gefängnisneubaus in Halle gesteckt – nur um diese Pläne in einem undurchsichtigen Verfahren über den Haufen zu werfen. Lange vor der finalen Entscheidung für einen Standort sind mehr als acht Millionen Euro durch das Land ausgegeben worden, etwa für Gutachten und Untersuchungen. Das hat die Fraktion Die Linke aufgedeckt. Bis heute fehlt eine vernünftige, umfassende Beteiligung im Prozess durch die gewählten Volksvertreter und die Kommunen. Das Justizministerium hat in dem gesamten Prozess um das Hin und Her des künftigen Standorts mehrmals deutlich betont, dass der richtige Standort Halle sei, weil dort die nötige Infrastruktur schon vorhanden ist. Dass sich jetzt für Weißenfels entschieden wurde, wirft erhebliche Fragen auf und muss im Parlament von der Koalition beantwortet werden.“
Kristin Heiß, finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag, sagt: „Momentan gewinnen wir den Eindruck, dass diese Landesregierung aus dem Finanzministerium gesteuert wird. Fachpolitische Erwägungen spielen offenbar keine Rolle mehr, sondern einzig und allein der Kostenfaktor. Ursprünglich waren im Jahr 2018 ca. 170 Millionen Euro für den Ausbau des Gefängnisses in Halle auf 600 Haftplätze eingeplant. Jetzt soll der Neubau in Weißenfels über 400 Millionen Euro kosten und deutlich weniger Haftplätze bringen. Heute ist deutlich geworden, dass die Landesregierung nur auf Grundlage von Annahmen und Spekulationen in der Kostenplanung eine Entscheidung für Weißenfels getroffen hat.“
Sebastian Striegel, justizpolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag, sagt dazu: „Die heutige Kabinettsentscheidung ist das katastrophale Ende eines jahrelangen Blindflugs des Finanzministers. Die Standortsuche gleicht einer Selbstaufgabe des Justizministeriums. Wir alle wurden in den letzten Jahren immer wieder von neuen Irrungen und Wirrungen des Finanzministeriums überrascht, wesentliche Informationen wurden uns Abgeordneten und der Öffentlichkeit vorenthalten. Das Finanzministerium boykottiert heute seinen eigenen Plan, in Halle Tornau zu bauen. Angeblich würden Bedenken der Stadt Halle zu Verzögerungen führen. Die Verzögerung ist allerdings dem Land selbst zuzuschreiben. Die Standortentscheidung des Kabinetts ist eine Bankrotterklärung. Der Finanzminister hat nicht begriffen, dass Sachsen-Anhalt es sich nicht leisten kann, so mit seinen Bediensteten umzugehen. An Standort Halle hängen aber nicht nur die Bediensteten und ihre Familien, sondern auch die vielen Expert*innen, die es für ein modernes Gefängnis braucht. Wir Grüne drängen darauf, dass das Land die Chance nutzt und eine zukunftsweisende JVA baut. Ein modernes Gefängnis muss die Insassen befähigen, ein Leben ohne erneute Straftaten zu führen. Das ist am traditionsreichen Justizstandort Halle möglich. Hier sind ein gutes Ausbildung- und Arbeitsplatzangebot, Therapieangebote, Suchtberatung und individuelle Unterstützung vorhanden. Aus justizfachlicher Sicht spricht alles gegen Weißenfels. Grüne Wiese taugt nicht als Justizstandort, diese Erfahrung hat das Land bereits einmal schmerzlich in Burg gemacht. Ein Gefängnisneubau wird über Jahrzehnte betrieben. Eine Landesregierung darf bei einer solch strategischen Entscheidung nicht nur in den Logiken eines einzelnen Ministeriums denken. Die betrieblichen Vollzugskosten für einen komplett neuen Standort und mit der Entwicklung der Netzwerkstruktur, werden meiner Erwartung nach außer Verhältnis zu den einmalig anfallenden Baukosten stehen.“











„Hauptgrund dafür ist, dass wir in Weißenfels wesentlich schneller mit dem Bau beginnen können als in Halle. Wir rechnen damit, dass der Bebauungsplan in spätestens einem Jahr vorliegt.““
Jeder, der weiß, wie die hallesche Stadtverwaltung so arbeitet, muss dieser Aussage (leider) zustimmen.