AfD will neues Motto für Sachsen-Anhalt: #deutschdenken statt #moderndenken, Stolz-Pass soll eingeführt werden

Mit ihrem Antrag zur Einführung der neuen Landeskampagne „#deutschdenken“ will die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht weniger als eine kulturpolitische Wende einläuten. Das Vorhaben, das vordergründig touristische, bildungspolitische und identitätsstiftende Ziele verfolgt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein ideologisch aufgeladener Versuch, deutsche Geschichte umzuschreiben – weg von kritischer Reflexion, hin zu nationaler Verklärung. Was als Landesmarketing etikettiert wird, ist in Wahrheit ein politisches Projekt mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Statt #moderndenken soll das Landesmotto in #deutschdenken geändert werden. Auch ein neues Logo präsentiert die rechtsextreme Partei in ihrem Antrag.

Einseitige Geschichtsauswahl: Glanzlichter ohne Schatten
Der Antrag der AfD greift auf eine Auswahl historischer Persönlichkeiten und Ereignisse zurück, die unbestreitbar bedeutend für die Geschichte Sachsen-Anhalts und Deutschlands sind: Otto I., Martin Luther, Eike von Repgow, Friedrich Nietzsche oder die Merseburger Zaubersprüche. Doch bemerkenswert ist, was fehlt: die Brüche, die Katastrophen, die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte.

Die Landeszentrale für politische Bildung und mit ihr verbundene Gedenkstättenarbeit – darunter Besuche in Konzentrationslagern oder Veranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus – sollen laut Antrag durch „positive“ historische Exkursionen ersetzt werden. Eine bemerkenswerte Umkehrung: Statt eines kritischen Umgangs mit der deutschen Vergangenheit sollen Jugendliche künftig vor allem auf „stolze“ Leistungen zurückblicken. Gedenkstättenfahrten werden damit implizit als „hemmend“ für das nationale Selbstbild diskreditiert.

Stolz statt Verantwortung? Der „Stolz-Pass“ als populistische Provokation
Besonders bezeichnend ist die Einführung eines sogenannten „Stolz-Passes“, mit dem Bürger beim Besuch ausgewählter historischer Orte Vergünstigungen erhalten sollen. Was wie ein spielerisches Marketinginstrument anmutet, ist in Wahrheit Symbolpolitik: Der Begriff „Stolz“ auf die deutsche Geschichte wird hier gezielt und unreflektiert in den öffentlichen Diskurs eingeführt – losgelöst von jeder kritischen Einordnung.

In einer Zeit, in der sich Deutschland in einer historisch gewachsenen Verantwortung für seine Vergangenheit sieht, setzt die AfD auf Re-Nationalisierung und Identitätspolitik von rechts. Der „Stolz-Pass“ ist dabei nicht bloß ein Werbegag, sondern ein politisches Statement: Geschichte wird zur Ware, nationale Identität zur Eintrittskarte – selektiv, exklusiv und ideologisch aufgeladen.

Bildungspolitik im Visier: Lehrpläne als politisches Werkzeug
Besonders brisant ist die geplante Überarbeitung der Lehrpläne in Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Künftig sollen verstärkt jene Themen behandelt werden, die das „deutsche Erbe“ betonen – so die Forderung. Die AfD will damit Einfluss auf die schulische Vermittlung von Geschichte nehmen, ohne dass wissenschaftlicher Konsens oder pädagogische Standards eine Rolle spielen.

Statt pluraler Perspektiven und multiperspektivischer Geschichtsdidaktik droht ein Rückfall in ein monolithisches, identitätszentriertes Geschichtsbild. Was als Bildungsreform präsentiert wird, ist in Wahrheit der Versuch, Deutungshoheit über zentrale Narrative zu gewinnen – auf Kosten der Demokratiebildung.

Ein kulturpolitisches Projekt mit völkischem Unterton
Die AfD stellt ihren Antrag unter das Leitmotiv, Sachsen-Anhalt solle eine „Führungsrolle bei der anstehenden kulturpolitischen Wende“ übernehmen. Das ist kein Zufall. Der Begriff der „Wende“ – einst positiv besetzt mit dem demokratischen Aufbruch nach 1989 – wird hier in einen kulturkonservativen bis revisionistischen Kontext gestellt. Eine „Wende“ weg von Schuld und Scham, hin zu Stolz und Herkunft, wie es in rechtsintellektuellen Kreisen zunehmend gefordert wird.

Diese Form von Geschichtspolitik stellt nicht nur die offene Gesellschaft infrage, sondern auch die Grundpfeiler des bundesdeutschen Selbstverständnisses nach 1945: Erinnerung, Verantwortung, Versöhnung.

Was auf dem Spiel steht
Der Antrag ist keine bloße kulturpolitische Initiative, sondern ein Angriff auf zentrale Elemente der politischen Bildung und der Erinnerungskultur. Sachsen-Anhalt, ein Bundesland mit einer reichen, aber auch komplexen Geschichte, droht so zum Experimentierfeld eines autoritär-nationalen Kulturverständnisses zu werden.