Bildungscampus Neustadt: Bildungsausschuss stimmt für das Vorhaben – Paulick-Mitarbeiterin mit Appell gegen den Abriss. “Kommt einer Verstümmelung des Stadtteils gleich”

Der Bildungsausschuss hat am Dienstag einstimmig einen Baubeschluss für den Bildungscampus Neustadt gefasst. Dieser soll in der Richard-Paulick-Straße entstehen, direkt neben dem Christian-Wolf-Gymnasium und der Grund- und Sekundarschule Kastanienallee. 14,7 Millionen Euro werden in einem ersten Bauabschnitt investiert. Dafür soll, bis auf unter Etage und Keller, das 14-geschossige Hochhaus abgerissen werden, das einst als Studentenwohnheim genutzt wurde.
Zu Beginn hat sich Helga Gärtner zu Wort gemeldet. Die heutige Rentnerin war als junge Tiefbauingenieurin im Bürger von Neustadts Chefplaner Richard Paulick tätig. Dort habe sie das Engagement der Architekten um den Bau Neustadt miterlebt. Sie richtete am Stadtrat und Stadtverwaltung einen Appell, das Gebäude zu erhalten. “Neustadt ist ein Gesamtkunstwerk. Der Abriss kommt einer Verstümmelung des Stadtteils gleich.” Es habe auch nichts mit DDR-Nostalgie.
Eine konkrete Frage stellte Gärtner nicht, weshalb sie ihre Ausführungen nach drei Minuten unterbrechen musste. Nach einem kurzen Disput verließ sie dann die Sitzung. Zwar hatten im Laufe der Diskussion einige Stadträte erklärt, man hätte sie doch zu Ende reden lassen können. Das wäre auch die erste Intention von Sitzungsleiterin Melanie Ranft gewesen, die allerdings von einigen Ausschussmitgliedern auf die Regelungen in der Geschäftsordnung hingewiesen wurden, nur Anfragen und keine Statements sind möglich, und auch nur 3 Minuten.
Bildungsdezernentin Katharina Brederlow wies darauf hin, dass die Pläne für den Neustädter Bildungscampus nicht neu sind. “Es war ein langer Prozess.” Bereits vor 10 Jahren habe man den ersten Auftakt gemacht. Allerdings gab es damals nicht die benötigten Fördermittel. Die Lösung kam nun in Form der Strukturwandel-Gelder zum Kohleausstieg. Brederlow sprach sich auch für einen Abriss des Gebäudes aus, denn das benötige man nicht, zudem seien heute die Anforderungen andere als zum Bau. “Das Studentenwerk ist auch nicht ohne Grund ausgezogen.” Man schaffe nun in Neustadt ein neues Bildungsangebot, im zweiten Bauabschnitt ergänzt durch kulturelle Angebot, wie damals die Franckeschen Stiftungen, meinte Brederlow.
Zustand des alten Wohnheims laut Stadt verheerend
Wie Susanne Schultze, in der Stadtverwaltung für Schulbauten zuständig, erklärte, gebe es mit dem Bestandsbau zahlreiche Probleme. So sei die Deckenlast nur für Wohnungsbau ausgerichtet, auch sei das ganze damals ein “Sparbau” gewesen, “wie ein Kartenhaus,” Schadstoffuntersuchungen hätten laut Schultze Asbest und zahlreiche weitere Schadstoffe festgestellt. “Das würde die Sanierung verteuern und erschweren.” Und in der 12. Etage haben sich Tauben niedergelassen. Allein die Beseitigung des kontaminierten Taubenkots verschlingt 50.000 Euro. Insgesamt sei der Zustand des Gebäudes verheerend.
Eine der großen Aufgaben sei es gewesen, den Baumbestand möglichst zu erhalten und gleichzeitig eine Verbindung zwischen Schule und Quartier zu schaffen, sagte ein Vertreter der Architekturfirma. Eine Klimatisierung des Baus ist nicht vorgesehen, stattdessen wir auf Nachtabkühlung gesagt. Nachts öffnen sich also gesicherte Fenster und lassen frische Luft ins Gebäude. Ein artenschutzrechtliches Gutachten ist laut Stadt erfolgt, es gibt keine Fledermäuse und keine Brutstellen, so die Stadt.
Stadträte haben es sich nicht leicht gemacht
“Wir haben auch abgewogen und es uns nicht einfach gemacht”, meinte Andreas Schachtschneider (Hauptsache Halle). “Aber es entsteht etwas schönes neues. Deshalb werden wir zustimmen.” Auch Hendrik Lange (Linke) signalisierte Zustimmung. Der Campus sei eine “großartige Errungenschaft“. Er werde für eine Aufwertung Neustadt und eine bessere soziale Durchmischung sorgen. Allerdimngs beklagte er auch, dass bei einem Workshop mit den Stadträten zum Thema Bildungscampus teilweise abwertend über die DDR-Architekten geredet worden sei.
“Die Ansprüche an Wohnen und das ästhetische Empfinden haben sich geändert”, meinte Detlef Wend (MitBürger). Auch hinterfrage er, ob tatsächlich ganz Neustadt ein Kunstwerk ist. Jahrelang sei er an dem Bau in der Richard-Paulick-Straße, der jetzt abgerissen werden soll, vorbeigefahren. “Und ich konnte es mir nicht schöngucken.” Neustadt sei nicht die Toplage, und genau deshalb seien Leuchttürme wie der Bildungscampus nötig. “Ich kann nicht verstehen, wie man dagegen sein kann. Es ist wichtig, in die Zukunft zu schauen.”
“Das ist ein ausgesprochen supertolles Projekt für den Stadtteil”, sagte Silke Burkert (SPD). Allerdings hätte man ja durchaus einen Teil des Gebäudes beispielsweise für Azubi-Wohnungen erhalten können. Eine “Verlotterung” Neustadt beklagte Friedrich Lembert (CDU). Der Bildungscampus sei ein Zeichen des Fortschritts. “Das wird die Attraktivität steigern.” Gegen das Projekt äußerte sich Martin Sehrndt (AfD), bei der späteren Abstimmung hat er dann aber entgegen seiner Wortmeldungen doch zugestimmt. “Ich habe Zweifel, dass das so alles kommt.”
Erstens ist Neustadt kein Gesamtkunstwerk, sondern ein ideologisch geprägtes Konzept einer Stadt, die dem damaligen kurzlebigen Zeitgeist entsprach, und heute vollkommen überholt ist. Und die Verstümmelung Halle-Neustadts gibt es nicht erst seit dem Abriss, sondern begann schon mit dem Auszug der ursprünglichen Bewohner. Wenn es was erhaltenswertes an Halle-Neustadt gibt, dann nicht dieses eine willkürlich in der Gegend rumstehende Gebäude.
Außerdem möchte ich mal daran erinnern, dass für den Bau dieses Viertels fast ganz Passendorf verstümmelt wurde. Was hat die Frau Gärtner dazu zu sagen?
„Wie Susanne Schultze, in der Stadtverwaltung für Schulbauten zuständig, erklärte, gebe es mit dem Bestandsbau zahlreiche Probleme. So sei die Deckenlast nur für Wohnungsbau ausgerichtet, auch sei das ganze damals ein “Sparbau” gewesen“
Hier wird deutlich, dass diese Frau eine Architektin ist und keine Baustatikerin.
Die Bezeichnung „Sparbau“ ist übrigens ganz große Kunst. Auch heute werden im Wohnungsbau entsprechende Decken für Wohnungen errichtet. Decken für Gewerbe, Industrie usw. haben andere Anforderungen und Dimensionierungen.
Der Abriss des Gebäudes hat meines Erachtens wohl eher etwas mit den Fördergeldern zu tun und dem Egozentrismus einiger Stadträte sowie Teilen der Stadtverwaltung.
Verprügelt dich dein Ego eigentlich jeden Abend, wenn du ständig derartige Anmaßungen raus lässt, Fachleuten ihre Qualifikation abzusprechen?
Neustadt ist sicher kein Gesamtkunstwerk, sondern Ausdruck betonsozialistischer Ideologie, die gescheitert ist. Dass manch einer dort schöne Kindheitserinnerung hat, ist nachvollziehbar und niemandem abzusprechen. Aber das macht weder die Gebäude und schon gar nicht die sozialistisch-kommunistische Ideologie erhaltenswert.
Test aufs Exempel: Wird die Neustadt von internationalen Touristen geflutet, weil es dort so schön ist? Nein. Die gehen lieber in die Altsadt und fotografieren Gebäude, die Schönheit ausstrahlen.