Diskussionsrunde zum Tag der Deutschen Einheit in Halle und dem Zukunftszentrum: Transformationsmüdigkeit versus Transformationsnotwendigkeit

Im Februar hat die Stadt Halle (Saale) den Zuschlag für das Zukunftszentrum erhalten. Seither gab es einige Debatten in der Öffentlichkeit. Da wäre ein propagiertes Verkehrschaos durch den Umbau am Riebeckplatz, es wird von Millionengrab geredet… “Viele Hallenser sind skeptisch. Sie sehen eher eine Gefahr als eine Chance”, sagte Bürgermeister Egbert Geier. Im Rahmen des Festakts zum Tag der Deutschen Einheit ging es deshalb unter dem Titel “Transformationsmüdigkeit versus Transformationsnotwendigkeit” um das Thema Transformation mit Blick auf das entstehende Zukunftszentrum. Zu Gast waren die Politikwissenschaftlerin, Autorin und Mitbegründerin der Initiative „Dritte Generation Ostdeutschland“, Dr. Judith C. Enders, der ehemalige städtische Referent für Kultur und Sport, Dr. Markus Folgner, sowie Clara Lecke, Mitstreiterin bei Fridays for Future Halle.

Wie Geier sagte, wolle der Bund noch in diesem Jahr einen Architekturwettbewerb starten. Ein Netzwerk zum Zukunftszentrum hat sich für die inhaltliche Ausgestaltung gegründet. “Die größte Entwicklungschance unserer Stadt wird auf dem Silbertablett präsentiert”, warb Geier für das Zukunftszentrum. Die Gesellschaft verbinde immer Veränderungen mit Angst. Doch die internationale Strahlkraft der Stadt werde steigen, viele Besucher kommen und Geier verspricht sich auch wirtschaftliche Effekte. Es sei jetzt schon absehbar, dass Investitionen von mehr als eine Milliarde Euro anstehen. Es gehe auch darum, den Riebeckplatz zu transformieren. “Veränderungen waren schon immer ein Teil unseres Lebens.”

Judith Enders berichtete zunächst von ihrer Oma, die in ihrem Leben jede Menge Transformationen mitgemacht hat. Sei es ihr Engagement in der SPD während der Machtergreifung Hitlers, die Nachkriegszeit, ihr Leben in einem Haus am Rosengarten in Halle mit dem Bau der Plattenbauten in der Silberhöhe – und dann ihr Tod im Frühjahr 1990, vielleicht auch der weiteren Transformationsmüdigkeit geschuldet. Enders selbst war zur Wendezeit 14 Jahre alt. “Genau die richtige Zeit für Teenager”, befand sie. Denn es habe so etwas wie positive Anarchie geherrscht. Die Schüler haben gewissermaßen den Lehrern Dinge vorgegeben. 

“Ohne Transformation wird man nichts”, sagte Markus Folgner. Er begreife auch die DDR als eine Art Versuch einer Transformation unter gewissen Zwängen. Heutzutage ist der Klimawandel auch einer dieser Transformationsprozesse. Man setzte sich als Fridays For Future für eine sozialgerechte Klimapolitik ein, sagte Clara Lecke. Es gehe um den Erhalt der Lebensgrundlagen. Rechtzeitiger Klimaschutz sei Grundrechtsschutz. Es gebe auch schon Lösungswege, von Experten erarbeitet. “Wir fangen nicht von Null an.” Gefährlich sei es zudem, die unterschiedlichen Krisen gegeneinander auszuspielen. “Denn alle Krisen sind miteinander verbunden.” Dass die Klimapolitik so in der Öffentlichkeit präsent ist, sei eine hervorragend Leistung der Fridays-for-Future-Bewegung. Allen sei klar, dass die Lebensgrundlagen wichtig seien.

Kritik an den Kosten für das Zukunftszentrum kann Laurin Wegner nachvollziehen. “Einerseits wird gesagt, es ist kein Geld beispielsweise für Bildung da”, so der Informatik-Student, andererseits gebe es aber 200 Millionen Euro für solch ein Zentrum.

Auch Bürgermeister Egbert Geier meldete sich in der Diskussionsrunde zu Wort. Und bei ihm ging es um die Finanzen, um die er sich seit 18 Jahren als Kämmerer der Saalestadt kümmert. Er sei nicht der Meinung, dass das Geld nicht da sein, es sei nur an der falschen Stelle. Beispielhaft nannte er diverse Förderprogramme von Bund und Land abseits der öffentlichen Haushalte. Möglichkeiten, die die Kommunen nicht haben. Geier lobt auch die Flexibilität der Kommunalpolitik. Halle verfüge zudem über eine hervorragende Infrastruktur bei ÖPNV, Straßen und auch der Telekommunikation. Auch sei Sachsen-Anhalt führend bei der Windkraft, “da passiert mehr als beispielsweise in Baden-Württemberg.” Die halleschen Stadtwerke würden zudem mit ihrer Klimainitiative den Klimawandel aufnehmen und zusammen mit zum Beispiel den Wohnungsunternehmen gestalten. Hervorragend sei zudem der Ausstattungsgrad mit Fernwärme. Es gebe viele Städte in Westdeutschland, die ein solches System nicht haben.

Der Mediziner Stephan Feller sagte, die Menschen seien mit multiplen Krisen überfordert. Die politische Diskussion um den Klimawandel sei unehrlich. Aus diesem Grund sollte man über die Einrichtung von Bürgerräten diskutieren. Es gebe Länder, da habe dies besser funktioniert. Zudem forderte er, den Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen. Derzeit ist es nur eine freiwillige Leistung. 

“Mitreißende Geschichten, die Lust machen”, forderte Ulrike Rühlmann von der Bürgerstiftung. Sie wünsche sich einen ausführlichen Beteiligungsprozess zum Zukunftszentrum. Echte Beteiligung vermisst auch der Rettungssanitäter Steffen Neubert, der in vielen Vereinen, beispielsweise dem Naturschutzbund, aktiv ist. Jedes Mal werde durch die Stadt eine bessere Kommunikation versprochen, doch nichts passiere. Er hege nun die Hoffnung, dass sich diese Situation durch das Zukunftszentrum bessert. Die Stadt habe so viele Vereine. Diese sollten mitgenommen werden, “damit wieder Optimismus in die Bürgerschaft hinein kommt.”