„Gemeinsam Hand in Hand – Demokratie leben, Vielfalt gestalten“: rund 1.300 Leute bilden Menschenkette auf dem Marktplatz in Halle

Unter dem Motto „Gemeinsam Hand in Hand – Demokratie leben, Vielfalt gestalten“ haben sich am Samstagnachmittag über 1300 Menschen auf dem Marktplatz in Halle (Saale) versammelt, um symbolisch eine Brandmauer zu bilden und gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen Hass, Ausgrenzung und Intoleranz, sagte Mitinitiatorin Katharina. “Wollen zeigen, dass wir die Mehrheit sind.”

Die wegen der vielen verschiedenen Krisen vorhandenen Ängste würden durch die Rechten ausgenutzt, so Katharina. “Sie hetzen. Sie hassen. Sie verbreiten Hasse gegen Menschen mit Migrationshintergrund und gegen Menschen, die ihnen nicht ins Weltbild passen.” Auch würden sie versuchen, die Gesellschaft zu spalten. “Wir, die wehrhafte, demokratische Gesellschaft, treten dieser Entwicklung nun entgegen.” Katharina, heute Lehrerin, berichtete von ihrer eigenen Schulzeit in Halle-Neustadt. Damals hätten einige Jugendliche plötzlich Springerstiefel und Bomberjacken getragen. Viele andere Kinder hätten sich damals aus Angst vor Anfeindungen gefügt. So habe sich Hass und Bedrohung auf einen Großteil der Schulen verbreitet. Sie selbst erlebe heute als Lehrerin, was es bedeutet, wenn geflüchtete Kinder kommen, ein neues Leben in Deutschland anfangen. “Sie sind verunsichert durch fehlende Sprachkenntnisse und eine andere kulturelle Erfahrung.” Manche hätten auch Angst und würden sich selbst vom Schulalltag abkapseln. Öfter würden auch Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, weil sie Behördengänge mit ihren Eltern machen. Und wegen der Sprachdefizite würden Mütter und Väter nicht an Elternabenden teilnehmen. Monatelang müssten sie auf einen Sprachkurs warten.  Katharina berichtete auf von Hakenkreuzen auf Tischen oder Anfeindungen gegen Kinder, weil diese keine weiße Hautfarbe haben oder ein Kopftuch tragen. Sie wisse auch, was es bedeutet, wenn Vielfalt nicht nur ein Wort sei, sondern ein ganzes Klassengefüge bereichere. Auch erlebe sie den Nutzen von Integrationshelfern. Familien, die davon profitieren, gelinge der Austausch mit der Schule viel besser. Eine der Forderungen auf der Demo war auch eine bessere politische Bildung. Es könne nicht sein, dass Demokratielernen an den Schulen als Fach abgewählt werden kann, so Katharina. Auch könne es nicht sein, dass dieses Thema mit einer Wochenstunde abgegolten sei. Mit der Demo wolle man den Verantwortlichen zeigen, dass man nachhaltige Maßnahmen einfordere. “Wir wollen das Verbindende, und nicht das Trennende.”

Ihre Erfahrung der letzten Jahre zeige, dass die AfD Jagd auf Menschen mache, meinte Politik-Didaktikerin Sybille Reinhardt. Das habe sich schon 2018 mit der Jagd auf Politiklehrer und dem sogenannten Online-Pranger gezeigt. Das habe sich auch beim kürzlichen Treffen in Potsdam mit der Angstmache gegenüber Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gezeigt. Die 16-jährige Schülerin Lilly bemängelte, dass man mit 16 Politik entweder selbst abwählen kann oder dies die Fächerkombination für die Oberstufe so ergibt. “Also wenn man das Wahlalter für die Bundestagswahl erreicht, hat man sich schon Jahre nicht mehr mit Politik befasst”, sagte sie. In diesem Jahr darf sie zum ersten Mal wählen, nämlich bei den Kommunal- und Europawahlen. “Und ich sage ehrlich: ich fühle mich sehr sehr schlecht vorbereitet.” Sie habe natürlich ihre Informationsquellen und Präferenzen. Aber man sehe, dass sich die Schulen der großen Verantwortung entziehen. Sie fühle sich von Demokratiefeindlichkeit umgeben. Diese Probleme seien für alle sichtbar und längen in der mangelhaften politischen Bildung an den Schulen. Lilly sprach von “Verantwortungslosigkeit gegenüber der künftigen Wählergeneration.”

Für ein weltoffenes Halle sprach sich Professor Reinhold Sackmann vom Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus. Er habe eigene familiäre Erfahrungen mit den Faschisten. Sein Großvater und sein Vater seien von den Nationalsozialisten zwangsumgesiedelt worden. Das sei ein Trauma für die Familie gewesen. “Ich möchte deshalb, dass nie wieder von Deutschen Massendeportationen organisiert werden.” Diese Demonstration sei nicht nur gegen etwas, sondern auch für gute Integrationsbedingungen für Zuwanderer. “Wir alle können etwas für eine Willkommenskultur im Alltag tun.” Das gelte auch für Institutionen. Waseem Aleed vom Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt  (LAMSA)  sagte, zugewanderte Menschen würden das Gefühl der Zugehörigkeit brauchen. In der politischen Debatte wird ja oft über Migranten und Sozialleistungen geredet. Auch hierauf ging Waseem Alled ein. “Niemand ist deswegen hier her gekommen.” Er selbst war einst in der Erstaufnahmestelle tätig. “Die erste Frage, die mir viele Migranten gestellt haben: gibts hier Arbeit.” Und auch die Frage nach dem Spracherwerb sei sehr oft gekommen. Aleed dankte auch den Teilnehmern der Demo, “dass wir zeigen, dass Halle eine Stadt für alle ist.”