“Ungehorsame Versammlung”: Letzte Generation blockiert erst den Hansering in Halle und baut dann Zelte auf der Hochstraße auf

Auf den Straßen kleben sich die Akteure der Klimabewegung “Letzte Generation” nicht mehr fest. Stattdessen gibt es nun neue Protestformen. Eine davon ist die “ungehorsame Versammlung”. Eine solche haben die Klimaaktivisten am Samstag am Leipziger Turm in Halle (Saale) durchgeführt. Für vier Stunden ging auf der Kreuzung von Waisenhausring, Hansering, Leipziger Straße und “Am Leipziger Turm” nichts mehr. Mehr als 30 Personen hatten sich auf die Fahrbahn gesetzt, weitere standen am Rand, verteilten beispielsweise Flyer. Auf die Fahrbahn wurden Sprüche mit Kreide gemalt, es wurde musiziert, veganes Eis aus einer nahegelegenen Eisdiele gab es (im Pappbecher und mit Plastiklöffeln), Yoga-Übungen wurden durchgeführt und Volleyball gespielt. Die Polizei sperrte die Zufahrtsstraßen ab, der Autoverkehr wurde umgeleitet. Größere Probleme gab es nicht. Der Fahrer eines tiefergelegten VW Golfs wollte gern durch, durfte aber nicht. Daraufhin zog er pöbelnd und beleidigend zu Fuß durch die Demo, filmte sich dabei. Denn zu befürchten hatte er nichts. Denn im Protestkonsens der “Letzten Generation“ steht: “Wir sind absolut gewaltfrei in unserem Verhalten und in unserer Sprache. Wir treten ruhig und respektvoll, aber entschlossen und standfest auf. Wir vermeiden Schuldzuweisungen und Beleidigungen und führen Menschen nicht vor.”

Aufgeheizter war die Stimmung dann auf der Hochstraße. Denn das war das nächste Ziel. Nach einer Stärkung mit Sandwiches kündigten die Klimaaktivisten einen Protestzug über die Hochstraße an. Und somit stand die nächste Versammlung fest. Das Grundgesetz sieht eine Versammlungsfreiheit vor. Demonstrationen sind nur anzuzeigen, nicht zu genehmigen. Und so zogen letztlich 17 Teilnehmer – begleitet von der Polizei, die die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten hat – auf die Hauptverkehrsader zwischen Altstadt und Neustadt. Bis zum Rennbahnkreuz sollte der Protestzug gehen. Mit Blick auf die abendliche Uhrzeit hatte die Polizei auch nicht mit größeren Verkehrsbehinderungen gerechnet. Der Verkehr wurde über die untere Ebene geleitet. Doch auf Höhe der Propsteikirche kam der Protestzug zum Stehen. Zwei Zelte wurden aufgestellt. Die hatten die Aktivisten in ihren mitgeführten Rucksäcken. Und somit gab es ein Problem. Denn zwischenzeitlich hatte die Polizei die Sperrung der Hochstraße wieder aufgehoben und führte den Autoverkehr langsam hinter der Demo her. Somit steckten zahlreiche Autos fest. Zahlreiche Menschen stiegen daraufhin aus ihren Fahrzeugen aus, forderten die Polizei auf, doch die Straße wieder freizuräumen. Einer der Beamten verwies dabei auf das Grundgesetz. Zwar hatte die Versammlungsbehörde zwischenzeitlich die Aktion verboten und die Teilnehmer aufgefordert, ihren Marsch zum Rennbahnkreuz fortzusetzen. Dem kamen aber nur einige Teilnehmer nach. 7 Personen verblieben aber an ihren Zelten. Es folgten nochmalige Aufforderungen und schließlich wurden die Blockierer von der Fahrbahn in Polizeiautos gebracht. 

Erst nach anderthalb Stunden war die Hochstraße wieder frei. Einige Autofahrer hatten den “Zwangsstopp” gelassen genommen. So machte beispielsweise ein Pizza-Fahrer ein Foto und schickte es seinem Chef, um ihm zu zeigen, warum er gerade nicht weiterkommt. Andere waren da schon aufgebrachter. Man habe nichts zu essen, keine Getränke, Kinder oder Hunde im Auto, sei Diabetiker, wurde den Polizisten an der Absperrung erklärt. Andere Autofahrer sprachen auch von “Erschießen”, “Von der Brücke werfen” oder “Arbeitslager”.

Man protestiere, weil die Klimakatastrophe immer noch eskaliere und die Bundesregierung tatenlos daneben stehe, sagte Rednerin Ronja. Auch wenn bisher alle Weckrufe verschlafen worden seien, sei es immer noch nicht zu spät aufzuwachen, meinte Nils von der Linksjugend. “Das einzige, was uns von einer Abkehr von fossilen Brennstoffen abhält, sind gesellschaftliche Machtverhältnisse.” Mit erneuerbaren Energien nehme man dem Kapital die wichtigste Waffe im Kampf gegen eine emanzipierte Arbeiterschaft.