„Alle haben geschwiegen“: Neue Stolpersteine am Weidenplan und in der Magdeburger Straße

Im Jahr 2004 sind die ersten Stolpersteine in Halle (Saale) verlegt worden. Mittlerweile gibt es über 250 der kleinen Messingplatten. Sie erinnern an ihre einstigen Bewohner, die dem nationalsozialistischen Terrorregime zum Opfer gefallen sind.
Am Montag sind vier weitere Stolpersteine verlegt worden. Am Weidenplan und in der Magdeburger Straße wurde so an die einst dort lebenden Hallenser jüdischen Glaubens gedacht.
Die Initiative für den Stolperstein am Weidenplan kam vom ehemaligen Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises, Günther Buchenau. Der hatte versucht, etwas über seinen ehemaligen Freund Gerhard herauszufinden. Viel erlebt haben die beiden. Die Mutter von Gerhard war Kassiererin in der Spielwarenabteilung des Ritterhauses. Als er 8 war, sei ihm von einem Tag auf den anderen verboten worden, mit Gerhard zu spielen. Wenige Monate später habe er Gerhard zum allerletzten Mal gesehen, als dieser mit seinem Vater in der Berliner Straße unterwegs war.
Der Grund für die damaligen Ereignisse war Buchenau zunächst nicht bekannt. In der Schule war Nachfragen nicht erwünscht. „Alle haben geschwiegen“, so Buchenau. Und auch er selbst habe damals als Kind den Vorfall nicht hinterfragt und sei auch wie selbstverständlich Mitglied der Pimpfe geworden. Nach dem Krieg habe ihm die Junge Gemeinde geholfen. Buchenau, in einem nichtkirchlichen Elternhaus aufgewachsen, fand so zu Kirche.
Das Schicksal von Gerhard konnte jedoch nicht geklärt werden. Nur zu seinem Vater Wilhelm Willinger konnte recherchiert werden. Er wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und starb dort eine Woche nach seine Ankunft.
Weitere Stolpersteine wurden in der Magdeburger Straße verlegt. Sie erinnern an Elli Mark und das Ehepaar Hermann und Gertrude Fromme. Elli wurde in Sobibor mit Gas ermordet, das Ehepaar Fromme beging nach der Enteignung / Arisierung Selbstmord.
Weidenplan HIER WOHNTE Wilhelm Willinger
Wilhelm Willinger kam am 29. April 1879 in Myslowitz/Oberschlesien als Sohn des Kaufmanns Meyer (Max) Willinger und seiner Frau Bertha zur Welt. Am 14. Januar 1911 heiratete der jüdische Dekorateur in Karlsruhe die evangelische Verkäuferin Caroline Sybilla Cäcilie Maria Kronemann, die am 12. Juli 1889 in Frankfurt am Main geboren wurde. Am Tag nach der Hochzeit kam die gemeinsame Tochter Berta zur Welt und wurde am 22. April 1919 in Hannover, wo die Familie nun lebte, getauft. Nach dem Scheitern der ersten Ehe heiratete Wilhelm Willinger die Hallenserin Erna Helene Kitzel. In Düsseldorf, wo Wilhelm Willinger von 1930 bis 1934 als Chefdekorateur und Kaufmann arbeitete, kam ihr gemeinsamer Sohn Gerhard zur Welt und wurde evangelisch getauft. Nach einem Arbeitsunfall mit bleibenden Schäden an der linken Hand konnte Wilhelm Willinger seinen Beruf nicht weiter ausüben. Die Familie musste mit seiner Unfallrente auskommen und so zogen sie, wohl aus wirtschaftlichen Gründen, zur Familie von Erna Helene nach Halle. 1935 wohnten sie zunächst in der Albrechtstraße 11, später am Weidenplan 7/8, wo ihnen nur ein kleines Zimmer zur Verfügung stand. In der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 wurde Wilhelm Willinger in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht, konnte aber am 17. Dezember 1938 nach Halle zurückkehren. Bald darauf zog die Familie in die Hindenburgstraße 8 (das Haus wurde bei der Bombardierung Halles zerstört). Am 28. Januar 1942 wurde Wilhelm Willinger in das Polizeigefängnis in Halle gebracht und am 1. Februar 1943 von dort nach Auschwitz deportiert. Laut Sterbebuch des Konzentrationslagers starb der 63-Jährige am 7. Februar 1943 an „Altersschwäche“. Erna und Gerhard Willinger überlebten. Nach Kriegsende bat Wilhelm Willingers Sohn Gerhard um Aufnahme in die Jüdische Gemeinde zu Halle. Über das Schicksal von Frau und Tochter aus erster Ehe ist nichts bekannt.
Magdeburger Straße 7 (ehemals Hindenburgstraße 34) HIER WOHNTEN Elli Mark sowie Hermann Fromme und seine Frau Gertrude geb. Michaelis
Elli Mark wurde am 5. Februar 1878 in Bad Liebenstein als Kind von Raphael und Amalie Mark geboren. Ihr Vater arbeitete viele Jahre als Kultusbeamter (Gemeindediener) der Jüdischen Gemeinde in Halle und so bewohnte die Familie eine Dienstwohnung in der Gottesackerstraße 2. Hier befand sich bis 1937 der 1693 angelegte und 1870 stillgelegte Jüdische Friedhof am Martinsberg/Töpferplan. Nach dem Tod seiner Frau und dem Eintritt ins Rentenalter zog Raphael Mark gemeinsam mit seiner Tochter Elli in die Bernburger Straße 29. Er starb 1926. Elli Mark war aufgrund einer Behinderung erwerbsunfähig. Nach dem Tod ihres Vaters musste sie ihren Lebensunterhalt mit einer kleinen Rente der Jüdischen Gemeinde bestreiten. 1938 zog sie um in die Hindenburgstraße 34 (heute Magdeburger Straße 7). Im selben Haus wohnte das Ehepaar Hermann und Gertrude Fromme. Der Kaufmann Hermann Fromme (*22.6.1866 in Detmold) und Gertrude Michaelis (*25.5.1878 in Bleicherode) hatten 1901 geheiratet. In der Hindenburgstraße 34 führten sie das Geschäft „Hermann Fromme & Co. Leinen, Wäsche und Aussteuern“. Nach der Reichspogromnacht 1938 wurde das Paar jedoch enteignet und verlor damit seine Lebensgrundlage. Um 1941 wurde Elli Mark per Gestapo-Anordnung auf dem Gelände des neuen Jüdischen Friedhofs in der Boelckestraße 24 (heute Dessauer Straße) untergebracht. Die dort befindliche Trauerhalle diente der Gestapo ab 1941 als Sammellager (beschönigend „Altenund Siechenheim“ genannt) zur Vorbereitung der Deportationen, die ab April 1942 als „Abwanderungen nach Osten“ angekündigt wurden. Am 1. Juni 1942 nahm in Halle ein Personenzug 3. Klasse die 64-jährige Elli Mark gemeinsam mit 154 weiteren Juden auf und brachte sie über Leipzig und Lublin in das Vernichtungslager Sobibor. Dort wurden sie noch am Tag der Ankunft, dem 3. Juni 1942, mit Gas ermordet. Einen Tag nach der Abreise von Elli Mark wurden die 64-jährige Gertrude Fromme und ihr 75-jähriger Ehemann Hermann tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Todesursache lautete „Selbstmord durch Leuchtgasvergiftung“. In dem erhaltenen Abschiedsbrief vom 10. April 1942 heißt es: „Was unserem früheren Dasein Erhebung und Freude gab, ist uns genommen. Die Beschäftigung mit unserm Beruf ist uns unmöglich gemacht, die Wissenschaften, die wir seit unserer Jugend gepflegt haben, können wir nicht weiter pflegen, die Wanderungen in den herrlichen Gebirgen, denen wir unsere schönsten Erlebnisse verdanken, sind uns genommen. Die meisten Menschen die uns und denen wir in treuer Freundschaft verbunden waren, sind von uns geschieden. Unser Pflichten und Ehre und besonders unsere Rechte sind uns geraubt. So hat unser Dasein seinen Wert für uns verloren. Wir haben deshalb den Entschluß seit längerer Zeit gefaßt aus dem Leben zu scheiden. Hart ist uns der Abschied von unseren Freunden. Wir danken ihnen für unsere Freundschaft. Unsere herzlichsten Wünsche begleiten sie. Mögen sie in Gesundheit ihre Lieben, die sie erwarten, wieder sehen und mit ihnen vereint einen schönen Lebensabend erleben.“ Quellenauswahl:
– Stadtarchiv Halle, insbes. Nachlass Gudrun Goeseke
– Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945)
– Winkelmann, Volkhard und ehemaliges Schülerprojekt „Juden in Halle“ des Südstadt Gymnasiums Halle (Hrsg.): Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle
– ITS Digital Archive, Arolsen Archives
– Yad Vashem
Nicht alle haben geschwiegen, aber die meisten schon
Die Welt soll verändert werden und heute schweigen auch wieder viele.
Die Menschen lernen aus den Fehlern nie.
Es haben viele geschwiegen, das sind schon, aber nicht alle
Es haben viele geschwiegen, das stimmt schon, aber nicht alle
es gibt schon ausreichend kranzabwurfstellen …
wenn das so weitergeht sind bald alle fusswege repariert … und so schön golden;-)
Ekelhaft!
Ein saublöder Kommentar.. Schämen Sie sich.
T. entpuppt sich erneut als rechtsradikaler Hetzer. Wird Zeit, dass dich jemand anzeigt. Wenn dann die Kollegen früh um 6 klopfen und die HD ansteht, bist du auf einmal ganz leise. Alles schon erlebt.
meinen sie jetzt Ihre Kollegen ? oder wen?
und was bitte ist am obenstehenden post denn hetze ?
Steh doch zu deiner Gesinnung! Immer nur feige abstreiten. Sei einmal im Leben Mann und nicht immer nur Maus!
Um mal einen blöden Spruch aus seinen Kreisen frei abzuwandeln: Eine Maus, die im Männerstall geboren wird, bleibt immer noch eine Maus.
T. will wie immer nur provozieren. Für eine Gesinnung fehlt es ihm an Hirn
Ja da hast du recht, die Menschen sind so dumm und lernen aus der Geschichte nicht. Das alles darf sicj niemals wiederholen. Wehret den Anfängen, höre ich ihr noch rufen und kein Kriegsspielzeug in Kinderhand, alles schon vergessen? Traurig
Wie lange stolpern wir noch??? Geboren 1971
„…Wie lange stolpern wir noch??? Geboren 1971…“
Du könntest es besser wissen. Ich bin 1966 geboren und diese schlimme Zeit hat ihre Spuren hinterlassen im Leben meiner Großeltern und meiner Eltern. Es ist dumm oder Verdrängung, so zu tun als ob diese Zeit heute niemanden mehr etwas anginge.
Dumm ist es wenn Faschismus an Symbolen festgemacht wird.
Es sind die Methoden!
Bist nich der einzige, der fünfzig wurde oder wird. – Sehr viele wurden gar nicht so alt.
@Micha wäre wohl der erste gewesen, der um Hilfe geschrien hätte wenn seine Familie vor seinen Augen getötet worden wäre. Einer von den wenigen, der überhaupt kein Mitgefühl zeigen kann oder will, schade
Gucke in den Katalog der ständigen Ausstellung von Haus Wannsee … US Stellen waren involviert.
Mit „Ekelhaft“ habe ich den Kommentar von T. gemeint. Mir erscheint der sehr antisemitisch. Aber egal…
Der Kommentar von T. hinterläßt wie immer hier, weit aus weniger, als ein T. Träger beim Bau, zum Generationenhaus/ Dauerrichtfestbier – Hier hat die Wirkung einer Gedenkbodenplatte, leider zu kämpfen mit ’ner rechten Dauermorgenlatte. Seine Provokation meint: ‚Ich komme schon!‘ – Doch meint einer zu viel, er sei Halle’s Sohn.
Wir stolpern gerade in Ewigkeit zum Faschismus von WEF Schwabs Gnaden.
Das mit Schwab will keiner wissen und schon gar nicht darüber reden.
Das Thema 2.WK soll doch nur von den jetzigen Veränderungen ablenken.