Neue Stolpersteine in der Franckestraße und Kirchnerstraße verlegt
Am Donnerstag wurden in Halle neue Stolpersteine verlegt. Die kleine Gedenktafeln aus Messing wurden in der Franckestraße und der Kirchnerstraße in den Fußweg eingelassen. Sie erinnern an die Familien Pfifferling und Victor. Damit gibt es in Halle nun 211 derartige Gedenksteine verlegt, organisiert vom Zeit-Geschichte(n)-Verein. Sie sollen die Passanten innehalten lassen und an Hallesche Bürger erinnern, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet worden sind – Juden, Zigeuner, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Behinderte. Alle Steine wurden durch Spenden ermöglicht.
In der Franckestraße 12 wohnte Familie Pfifferling. Wo sich heute der Aufgang zur Nr.12 eines DDR-Plattenbaus befindet, stand früher ein Haus mit der Zählung Nr. 17. Es war Wohnhaus und Sitz der „Vieh-Handlung S. Pfifferling“. Nach dem Tod von Sender Pfifferling führten seine Söhne das Geschäft weiter. Sender und Emilie Pfifferling hatten sieben Kinder: Adolf (*1878) starb 1927, Meta (*1776) starb 1936 und Selma (*1881) starb 1938 eines natürlichen Todes. Paula, Julius und Fritz wurden Opfer des Holocaust. Nur Karl überlebte. Ihm gelang 1939 mit Frau und Kindern die Flucht in die USA.
Julius („Jule“) Pfifferling, geboren am 21. Juni 1883 in Wanfried / Hessen diente als deutscher Soldat im 1. Weltkrieg. Seine Nichte Hildegard Samenfeld (Karls Tochter) schilderte ihn als freundlichen, sanften Menschen, der sich gern mit Freunden in einer nahe gelegenen Kneipe zum Kartenspiel traf. 1933 wurde das Viehgeschäft aus dem „Mitteldeutschen Verein des Pferdehandels“ ausgeschlossen und nach dem Berufsverbot 1937 mussten die Brüder Pfifferling den Viehhandel einstellen. Am 25. April 1938 gehörte Julius Pfifferling zu den 13 halleschen Juden, die im Rahmen der „ASR-Aktion“ festgenommen und ins KZ Buchenwald gebracht wurden. Diese willkürlichen Festnahmen dienten der Abschreckung und sollten andere Juden zum Weggang aus Deutschland bewegen. Julius Pfifferling erhielt in Buchenwald die Häftlingsnummer 2870 und musste im Steinbruch arbeiten. Drei Wochen nach der Einlieferung ins KZ wurde der 54-Jährige am 16. Mai 1938 angeblich „auf der Flucht“ erschossen. Die Polizei übergab der Familie seine Urne und ließ sie für die Einäscherungskosten aufkommen. Da eine Urnenbeisetzung auf jüdischen Friedhöfen traditionell nicht vorgesehen ist, wurde von der Gemeinde für diese Unglücklichen auf dem Jüdischen Friedhof Dessauer Straße eine Sondergrabanlage angelegt. Seine Frau Dorothea und sein jüngster Bruder Friedrich (Fritz) Pfifferling (* 2.11.1889 in Halle) flüchteten am 25.4.1939 per Schiff nach Shanghai, dem einzigen Ort, der Flüchtlinge visumfrei aufnahm. Unter elenden hygienischen Bedingungen grassierten dort viele Krankheiten und Fritz starb 52-jährig am 1.10.1942. Dorothea überlebte das Ghetto in Shanghai und übersiedelte später nach England. Schwester Paula Pfifferling (*1879) lebte mit ihrem Mann Julius Rosenberg in Siegen/Westfalen. Sie hatten drei Kinder. Im Juli 1942 wurde das Ehepaar ins Ghetto Theresienstadt und im September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. An sie erinnern zwei STOPLPERSTEINE in Siegen, Sandstraße 167. Zwei ihrer Kinder gelang die Flucht nach den USA und Chile. Tochter Lotte Rosenberg emigrierte 1939 mit Mann und Tochter nach Frankreich. 1942 wurde die Familie von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.
In der Kirchnerstraße 10 wohnte Familie Victor. Emilie Victor wurde am 25.10.1855 in Güsten bei Bernburg als Emilie Simon geboren. Sie heiratete den Pferdehändler N. Victor und zog zu ihm nach Halle in die Kirchnerstraße, wo sich auch der Sitz seiner der Viehhandlung befand, die später von ihrem Sohn geleitet wurde. Sohn Moritz wurde am 3.3.1878 und Tochter Elli am 22.8.1889 in Halle geboren. Die 86-jährige Emilie Victor starb am 25. Februar 1942 kurz vor der Deportation ihrer Kinder. Der 64-jährige Moritz Victor und seine 52-jährige Schwester Elli Victor mussten Halle am 1. Juni 1942 verlassen. Der Deportationszug brachte sie direkt in das nahe der polnisch-ukrainischen Grenze gelegene Vernichtungslager Sobibor, wo sie noch am Tag der Ankunft mit Gas ermordet wurden.
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