„Oury Jalloh – das war Mord“: Demo vor der Staatsanwaltschaft Halle
Am Freitagvormittag haben knapp 100 Menschen am Justizzentrum in Halle gegen eine drohende Einstellung der Ermittlungen im Fall des toten Asylbewerbers Oury Jalloh protestiert.
Unter anderem sagten die Teilnehmer: „Wir werden keine Ruhe geben, bis der Tod Oury Jallohs aufgeklärt ist. Kein Vergeben, kein Vergessen“ sowie „Widerstand an jedem Ort. Oury Jalloh das war Mord.“ Auf Plakaten war beispielsweise zu lesen Wen rufen, wenn Bullen morden“. Zudem wurde den zuständigen Ministerien vorgeworfen, etwas zu vertusche, Richter würden Beweise ignorieren.
Jalloh war vor 12 Jahren in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Er war an einer Liege fixiert. Bis heute ist der Fall ungeklärt.
„Das ist nichts anderes als eine Zäsur in der Prozessgeschichte. Denn das bestätigt erstmals von Seiten der Justiz den von der Initiative Oury Jalloh seit Jahren erhobenen und polizeilich kriminalisierten Verdacht: Oury Jalloh, das war Mord“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke Henriette Quade. „Die Dessauer Staatsanwaltschaft hat offenbar mehr als nur einen Anfangsverdacht gehabt. Sie hat Untersuchungshypothesen aufgestellt und konkrete Tatverdächtige benannt. Und just ab diesem Moment ist nicht mehr Dessau für das Verfahren zuständig, sondern die Staatsanwaltschaft Halle. Die kommt mit den gleichen Unterlagen zu einem gänzlich anderen Schluss und entscheidet: es liegt kein Anfangsverdacht vor. Das ist nicht nachzuvollziehen“, so Quade. „Zu all dem erfolgt eine Informationspolitik, die sich nur als Politik der gezielten Nichtinformation beschreiben lässt. Grüne, SPD und CDU verhindern im Landtag, dass der Rechtsausschuss Akteneinsicht nehmen kann und das Justizministerium weist jede Problematisierung zurück. Das stinkt zum Himmel und es reiht sich ein in eine lange Geschichte der Vertuschung, Nichtaufklärung und verunmöglichter Aufklärung. Fakt ist: Solange die Justiz den Verdacht ‚Oury Jalloh, das war Mord’ nicht ausräumen kann, ist es ihre Aufgabe, ihm nachzugehen. Wer das verneint, der muss sich nach seiner Motivation fragen lassen und der muss sich fragen lassen, was er damit eigentlich bezweckt, wenn nicht Aufklärung zu verhindern. Dass die Koalitionsfraktionen es ablehnten, sich die Akten, die die Staatsanwaltschaften Dessau und Halle geprüft haben, anzuschauen, ist angesichts der neuen Erkenntnisse fatal. DIE LINKE wird deshalb erneut einen Antrag stellen, die den Rechtsausschuss auffordert, sich erneut mit dem Thema zu befassen und Akteneinsicht zu nehmen. Zudem ist sehr genau abzugleichen, inwiefern die Aussagen, die in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses durch den Generalstaatsanwalt und die Staatsanwaltschaft Halle getätigt wurden, zu den heute bekannt gewordenen Informationen passen. Dass die Gutachter mehrheitlich zu der Auffassung gekommen sind, dass der Tod Oury Jallohs durch Fremdeinwirkung wahrscheinlicher ist, als die Selbstanzündung, ergab sich aus den Darstellungen nicht. Klar ist: Abgeschlossen ist hier noch lange nichts. Der Fall Oury Jalloh muss weiter untersucht, aufgeklärt und sämtliche Vorgänge dazu aufgearbeitet werden. Die Justiz in Sachsen-Anhalt hat einmal mehr bewiesen, dass das außerhalb Sachsen-Anhalts passieren muss.“
Sebastian Striegel, rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sagt dazu: „Im Rechtsausschuss des Landtags, der auf Grünes Betreiben in der vergangenen Woche in öffentlicher Sitzung tagte, ist der Verlauf des Ermittlungsverfahrens durch Befragung des Generalstaatsanwaltes und der Leitenden Oberstaatsanwältin in Halle noch einmal umfassend ergründet worden. Auch der Versuch einer Abgabe des Verfahrens an den Generalbundesanwalt kam zur Sprache. Die durch Gutachten gewonnene Erkenntnis, Oury Jalloh könnte durch Dritte angezündet worden sein, erschien dabei als ebenso möglich, wie die These, er könne sich selbst angezündet haben. Vor diesem Hintergrund seien die Ermittlungen eingestellt worden. Hiergegen läuft die Beschwerde der Familie des Betroffenen. Der bis heute unaufgeklärte Tod von Oury Jalloh ist eine offene Wunde im Rechtsstaat. Es ist niederschmetternd und kaum zu ertragen, dass durch das Verhalten einiger Polizeibeamten, die von Anfang an gelogen haben, eine umfassende Aufklärung unmöglich gemacht wurde.“, sagt Striegel. „Der Tod von Oury Jalloh ist ohne den Blick auf institutionellen Rassismus nicht erklärbar. Zudem wird klar: Die Instrumente der Strafprozessordnung reichen nicht aus, um die Wahrheit über seinen Tod ans Licht zu bekommen. Wir bekräftigen deshalb unsere Forderung nach unabhängigen Ermittlungen bei Tod im Polizeigewahrsam. Die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle mit Ermittlungskompetenz ist notwendig“, fordert Striegel.
„Der Versuch, der maßgeblich von Grünen und Linken befördert wird, das Verfahren im Fall Oury Jalloh künstlich wieder aufleben zu lassen, ist nichts anderes als der Versuch, unsere Polizei zu diffamieren, die Unabhängigkeit unserer Justiz in Frage zu stellen und damit unseren Rechtsstaat zu unterhöhlen. In unserem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung bis eine Schuld zweifelsfrei erwiesen ist. Diese Schuld konnte in den umfänglichen Ermittlungen gerade nicht festgestellt werden“, sagte der rechtspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Mario Lehmann. „Daher ist die Einstellung des Verfahrens nach fast 13 Jahren richtig. Das Gutachten, das an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist – ebenso wie die Vielzahl weiterer Gutachten in dem Fall – in die Ermittlungen eingeflossen, daher gibt es hier auch keine neue Entwicklung. Unabhängige Ermittlungen sind umfänglich erfolgt, die AfD teilt daher die berechtigte Einschätzung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens. Irgendwann muss auch mal der Deckel zugemacht werden. Es kann nicht sein, dass Grüne und Linke sich auf Kosten der Polizei und Justiz publicitywirksam immer wieder als vermeintliche Aufklärer gerieren, dabei fahren sie einfach nur eine polizei- und rechtsstaatsfeindliche Nebelkerzenkampagne.“
Sponti in #Halle gegen Verfahrenseinstellung im Fall #OuryJalloh. 75 Teilnehmer protestieren für die Fortführung d. Ermittlungen, nachdem #Monitor neue Hinweise auf die Ermordung Jallohs veröffentlichte. pic.twitter.com/HaNtRZZERY
— Thomas Schade (@J_TSchade) 17. November 2017
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