Protest gegen Abholzungen: fünf Bäume auf der Ziegelwiese gepflanzt – Seniorin entscheidet sich für Stieleiche statt Grabstein

Karfreitag, morgens kurz vor zehn auf der Ziegelwiese in Halle. Die Luft ist kühl. Eine kleine Gruppe steht beisammen, während ein Baum mit behutsamen Händen in ein vorbereitetes Erdloch gesetzt wird. Es ist still – kein Schweigen, das drückt, sondern eines, das trägt.
Inmitten der Menschen steht Brigitta Stolberg. Die Hallenserin ist eine von vielen, die an diesem Tag gekommen sind. Aber für sie ist es ein ganz besonderer Moment. „Was soll ein Stein auf dem Friedhof?“, sagt sie und sieht auf die junge Stieleiche. „So ein Baum ist doch hundertmal schöner.“
Die Entscheidung, keinen Grabstein haben zu wollen, traf sie schon vor Jahren. Nicht aus Rebellion, sondern aus Verbundenheit. Mit der Natur, mit ihrer Familie, mit der Stadt. „Wir wohnten ganz in der Nähe“, erzählt sie. Früher ist die Familie hier fast jeden Tag spazieren gegangen.
50 Bäume – und jedes Jahr mehr
Die Aktion auf der Ziegelwiese hat längst Tradition. Was 2009 als einmaliger Protest gegen Baumfällungen begann – damals mit der Grünen Jugend und der früheren Grünen Bundestagsabgeordneten Undine Kurth – ist zu einem festen Bestandteil des Karfreitags geworden. Jedes Jahr kommen Menschen zusammen, um Bäume zu pflanzen – und ein Zeichen zu setzen: für Natur, für Erinnerung, für Hoffnung.
„Inzwischen stehen hier rund 50 Bäume“, sagt Andreas Liste, Vorsitzender des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder (AHA). Gemeinsam mit der Initiative „Pro Baum“ organisiert er die jährliche Pflanzung. In diesem Jahr sind es fünf neue: Zwei Stieleichen, eine Trauerweide, eine Schwarzerle und eine gemeine Esche. Gespendet von Privatpersonen, einer Baumschule und den Vereinen selbst.
„Die Standorte stimmen wir mit dem Grünflächenamt der Stadt ab“, so Liste. Aber auch wenn die Zusammenarbeit funktioniere – die Grundmotivation sei geblieben: „Wir sind immer noch verärgert und erbost, dass Bäume in Halle oft grundlos gefällt werden. Ohne nachvollziehbare Notwendigkeit.“ Die Karfreitagsaktion sei ein stiller, aber bestimmter Protest – und gleichzeitig ein Akt der Heilung.
Aus Trümmern wächst Neues
Bevor gepflanzt werden konnte, mussten Pflanzgruben ausgehoben werden. Keine leichte Aufgabe: Der Boden auf der Ziegelwiese gibt nicht einfach nach. Immer wieder kommen alte Ziegel, Pflastersteine, Bauschutt zum Vorschein – Relikte aus der Vergangenheit. „Der ganze Müll der Stadt wurde hier mal abgeladen“, erzählt ein Andreas Liste. Daher wohl auch der Name: Ziegelwiese.
Und genau dort, wo früher das Abgelegte vergraben wurde, schlagen heute Wurzeln neue Wege. Ein Symbol, das stärker kaum sein könnte: Aus den Trümmern wächst Leben.
Erinnerung, die weiterwächst
Nicht jeder möchte heute noch einen Grabstein. Nicht jeder findet Trost auf dem Friedhof. Für manche ist ein Baum, der mit den Jahren größer wird, in dem Vögel nisten und Blätter rauschen, ein viel schönerer Ort des Gedenkens. Die Ziegelwiese in Halle ist längst zu einem solchen Ort geworden.
Manche der hier gepflanzten Bäume sind den ersten Jahren bereits entwachsen. Ihre Äste spenden Schatten, ihre Stämme zeigen erste Narben – vom Wetter, vom Leben. Und sie erzählen Geschichten. Von Menschen wie Brigitta Stolberg. Von Trauer, die leise ist. Und Liebe, die wächst.
Wie lange es diese Aktion noch geben wird? Das kann niemand sagen. Andreas Liste bringt es auf den Punkt: „Die Aktion endet zu dem Zeitpunkt, zu dem die Stadt Halle anders mit Bäumen umgeht.“
Bis dahin, so scheint es, wird jedes Jahr ein neues Kapitel geschrieben. In Form eines Baumes. Mitten auf der Ziegelwiese. Und für alle sichtbar.














Sehr schöne Aktion – wir können nicht genug Bäume in der Stadt haben. Vielen Dank!
Der Name Ziegelwiese kommt nicht vom Schutt, mit dem das Gelände verfüllt wurde. Er kommt daher, dass auf dem Gelände Rohstoff für Ziegel abgebaut wurde. Das gesamte Gelände war früher im Frühjahr ein großer See und im Winter eine riesige Eisbahn. Im Bereich der Fontaine war diese Eisbahn bis in die 60er Jahre bewirtschaftet.
Und auf der Würfelwiese stand mal ein Casino.
Oder weil dort bis zum Würfeln gebechert wird.
Da hast du Recht. Der Name kommt nicht vom Schutt. In der Nähe des Kirchtors war ab dem 18. Jh. eine Ziegelei, die den benötigten Lehm von hier holten. Siehe auch den Wikipedia-Artikel zur Ziegelwiese.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ziegelwiese?wprov=sfla1
Welcher Baum wird denn in Halle grundlos und ohne nachvollziehbare Notwendigkeit gefällt ? Wann und wo bitte ?
„Protest gegen Abholzungen“
Wo gibt es denn in Halle „Abholzungen“? Die paar Bäume, die hier ab und zu gefällt werden, sind ja kaum der Rede wert. Meist alte und kranke Bäume, die Menschen gefährden oder Bauvorhaben im Weg stehen. Abholzungen, also das massenhafte Fällen von Bäumen in Halle, gibt es nicht.
Baumfällungen sind kein Problem, wenn dafür neue Bäume gepflanzt werden.
Wo gibt es denn in Halle „Abholzungen“?
In Trotha, zum Beispiel.
Respekt für die Seniorin und eine Stieleiche ist mit Sicherheit die beste Wahl!
Wird 1000 Jahre alt, bietet Futter und Nistplatz. Ein Eldorado für Insekten, Eichhörnchen, Hasen, Schafe und Rehe.
Der netten Dame alles Gute und viele,viele gute und gesunde Jahre!
Super Sache 👍 Ich vermisse immer wieder die sogenannten Umwelt Aktivisten.
Warum?
Das ist sehr erfreulich und eine wundervolle Aktion. Vielen Dank an die lieben Menschen, die für unsere Natur so im Einsatz sind.