Publikumspreis der 19. Impronale geht an Us boys who go out together
„Bewegte Welten“ hat die diesjährige Impronale versprochen – und abgeliefert. Das gewonnen Improvisationstheaterfestival beschreitet in seinem 19. Austragungsjahr gänzlich neue Wege und ist so in vielerlei Hinsicht ein Festival der Premieren. In diesem Jahr gab es neben den gewohnten Veranstaltungen in Halle noch zwei zusätzliche Halte in Sachsen-Anhalt: in Zeitz und in Bitterfeld-Wolfen.
Auch die halleschen Veranstaltungen halten die ein oder andere Überraschung bereit: Nach der feierlichen Eröffnung und Ansprache durch Schirmherrin Dr. Judith Marquardt bleibt sie am Freitagabend quasi direkt auf der Bühne – und wirkt beim Format „In bester Gesellschaft“ der Gruppe Schwestern in der Überzahl mit. Kurzfristige personelle Ausfälle in den Ensembles Die Serienjunkies und Mary Shelley‘s Mothers wissen die Organisator:innen geschickt zu verwandeln. In bester Improvisationsmanier wird das Programm kurzerhand geändert, ja sogar gänzlich neue Formate eigens für die Impronale entwickelt.
Statt der geplanten Show der Serienjunkies „Unheimlich“ am Freitagabend steht Serienjunkie-Mitglied Jacob Banigan spontan mit seiner Soloshow „Game of Death“ auf der Bühne. Damit das Format, mit dem der Österreicher schon seit Jahren erfolgreich die Theatersäle der Welt füllt, auch so ohne jegliche Vorbereitung funktioniert, bewegen er und sein Team (Johanna Herzegger und Claudia Holzer) sprichwörtliche Berge: Fehlende Spielkarten werden einfach händisch hergestellt, ein komplett neues Musikarrangement inszeniert.
Und statt „4play“ von Mary Shelley’s Mothers ersinnt die Würzburger Schauspielerin Lena Försch kurzfristig ein neues Format: Passion Strings. Die passenden Schauspieler:innen sind schnell gefunden, gastiert doch dieser Tage die Crème de la Crème des Improvisationstheaters in Halle. Keine zehn Stunden, nachdem „4play“ abgesagt werden musste, stehen Václav Wortner (Tschechien), Maja Dekleva Lapajne (Slowenien), Nadine Antler (Hausen), Jacob Banigan (Österreich) und Yann Berriet (Frankreich) gemeinsam als Rockband „Passion Strings“ auf der Bühne und begeistern das Publikum mit warmen, lustigen und liebevollen Szenen.
Den begehrten Publikumspreis Improkal nimmt das Ensemble Us boys who go out together mit nach Hause. Mit ihrer Show „The Bohemian Tragedy“ hat die Gruppe aus Prag die Herzen des Publikums im Sturm erobert. Us boys who go out together setzen sich damit deutlich gegen ihre Mitbewerber:innen durch.
Die Prämisse des Formats „The Bohemian Tragedy“ ist so simpel wie genial: Es gibt keine Strukturen oder Regeln, an die sich die Schauspieler halten müssen. Ob klassisches oder physisches Theater, Tanz oder Zirkusartistik – jeder der vier Schauspieler hat einen anderen Background, lässt sich aber von diesem weder definieren noch eingrenzen. Us boys who go out together wissen vorher nicht, was auf der Bühne geschehen wird und gehen völlig frei und unvoreingenommen in die Szenen. Und so frei beginnt die Aufführung auch: mit einer wilden Tanzszene zu live gespielter Folklore-Musik. Sekunden später klettert Simon Pliska aus einer der hintersten Reihen im Saal nach vorn auf die Bühne, drängt sich durch die vollen Reihen des Publikums. Eine Stunde lang stürzen sich die Schauspieler von einer aberwitzigen Szene in die nächste, reihen Momente aneinander und verknüpfen sie durch akrobatische Einlagen. Es ist wild, es ist laut, es ist Bewegung auf der Bühne – und am Ende halten sie einen verdienten Improkal in den Händen. Václav Wortner bedankt sich mit den Worten „Danke, dass wir unser verrücktes Zeug hier aufführen durften und dass ihr uns so angenommen habt, wie wir sind“.
Mit der Show „Labor“ am heutigen Sonntag, 27.11.2022, 18 Uhr, schließt die 19. Impronale in Halle. Fünf Künstler:innen haben sich in einem fünftägigen Labor die Frage gestellt „Was mich treibt?“ und sind dabei auch in Zeitz und Bitterfeld-Wolfen auf Spurensuche gegangen. Heute erfahren wir, welche Antworten sie auf die Frage gefunden haben.
Foto Markus Scholz
Braucht das jemand?