“Solidarität statt weiße Dominanz – Dekolonisiert euch weiße Linke!” – “Migrant Voices” zur Afghanistan-Demo in Halle

Eine Woche ist die Afghanistan-Demo gegen die Taliban in Halle (Saale) vorbei. Und bei den Organisatoren der “Migrant Voices” sorgt ein Zwischenfall weiterhin für Unruhe. Mehrere Demonstranten der Antifa-Gruppe “No Tears For Krauts” hatten eine Flagge der USA geschwenkt und gefordert, dass die Amerikaner mit ihrer Armee wieder einmarschieren und gegen die Taliban kämpfen.

Das Zeigen der US-Flagge habe klar dagegen verstoßen, einen sicheren und würdigen Raum für die Kundgebung der Afghanen zu schaffen. erklären zwei Vertreter von Migrant Voices. “Als Mitglieder von Migrant-Voices-Halle vertreten wir hier klar unsere Position und möchten darauf hinweisen, dass für viele Afghan*innen, die die Ursachen der Verhältnisse und die Verbrechen des Westens in Afghanistan kennen oder (in)direkt davon betroffen sind, das Zeigen der US-Flagge Schmerz und Demütigung bedeutet (nicht nur für Afghan*innen, auch für andere migrantische Gruppen). Noch mehr vor dem Hintergrund des Abzuges bzw. mörderischen Verrates der westlichen Regierungen und Streikräfte.”

Auch das Transparent mit der Aufschrift ,,Ami, please, come back!” durch weiße Menschen sei extrem problematisch. “Dies spiegelt für uns eine entwürdigende neokoloniale Perspektive dar, da der Schriftzug auch so verstanden und übertragen werden kann, dass Afghan*innen nur miltleidbedürftige Menschen sind, die vom starken, weißen cis-Mann (Kolonialherren) gerettet werden müssen.”  Zudem sei “die Invasion des Westens nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Rache” geschehen. Die USA könnten nicht als Retter betrachtet werden. “Umso geschichtsrevisionistischer ist die Erklärung der weißen Dominanzlinken, dass die USA der einzige Garant für den Schutz der afghanischen Zivilbevölkerung vor den Taliban wären.”

Weiterhin erklärt Migrant Voices: “Das trotz der benannten vorhandenen Positionen innerhalb afghanischer Communities dennoch die US Flagge von weißen Menschen gezeigt wird, zeigt uns, dass sich nicht mit diesen Positionen auseinandergesetzt noch die eigene weiße Machtpostion kritisch reflektiert wird. Weiße Menschen haben das Privileg und die Willkür ohne Rücksicht auf Andere zu entscheiden, welche politischen Haltungen, Forderungen und Symbole sie nutzen wollen und welche nicht. Dabei noch zu erwarten, dass Afghan*innen weiße Menschen unter Offenlegung ihres Schmerzes darum bitten und anflehen sollen, die US Flagge nicht zu zeigen, spiegelt für uns ebenfalls die bestehenden weißen Herrschaftsverhältnisse wieder. Für uns ist diese Ignoranz nicht auf marginalisierte Menschen zu hören und ihre Hinweise ernst zu nehmen, eine alttägliche Erfahrung. Als Organisator*innen der Kundgebung und als Mitglieder von Migrant Voices Halle setzen wir uns deshalb jederzeit dafür ein, dass marginalisierte Perspektiven verteidigt werden.”

Man kenne “die politischen Sphären und weißen Machtsstrukturen in Halle. Wir wissen, wo und wie weiße Macht reproduziert wird und wo sich die weiße Elite am wohlsten fühlt. Wir wissen auch, dass ausschließlich weiße Menschen die Politik, Kultur, Geschichtsschreibung und selbst das Verständis von Anarchismus und linken Befreiungskämpfen bestimmen. – Und genau deshalb werden wir nicht zulassen, dass auch noch die wenigen nicht-weißen Räume, die sich migrantische, marginalisierte Menschen und Bi_PoC selbst erkämpfen, von weißen Menschen und ihren Symbolen eingerannt und dominiert werden!”

Ziel der Kundgebung sei gewesen, dass die Afghanen selbst sprechen können und ihre Forderung nach weiterer Unterstützung der afghanischen Zivilbevölkerung zum Ausdruck bringen können. “Dieses Anliegen wurde erfüllt auch ohne das weiße Menschen im Mittelpunkt stehen müssen. Nach der Kundgebung waren viele Afghan*innen dankbar für die Unterstützung, genauso wie wir dankbar dafür waren sie unterstützen zu können, denn es ist vor allem und in erster Linie ihr Widerstand, den sie auch weiter im Alltag führen müssen. Daran anschließend gab es noch lange weitere Gespräche über aktuelle Probleme und Sorgen, als die elitären Dominanzlinken ihre Fahnen längst eingepackt hatten und verschwunden waren. Auch während der Kundgebung waren die besseren, solidarischeren Linken nur unter sich selbst, weil sie es wichtiger fanden ihre US-Flagge und ihr Transpi hochzuhalten.”

Elitäre Linke seien dominanzbesessen und würdem versuchen ihre linkselitäre Machtposition in Halle durchzusetzen und zu beschützen. “Dafür greift ihr andere linke Gruppen und sogar Einzelpersonen an und spielt euch nun sogar als Beschützer der Menschen in Afghanistan auf, doch alles was ihr dafür tut, um es in eurem eigenen arroganten, hochnäsigen Sprachduktus zu sagen, ist: Nichts. Nichts als grinsend mit einer Fahne zu wedeln und besserwisserische Kommentare zu schreiben. Für uns seit ihr Teil des White Supremacy Problems und eines rassistischen Unterdrückungssystems. Wir werden uns eure weißen Dominanz- und whitewashingversuche, die die Diversität von migrantischen Perspektiven und Kämpfen (bzw. der jahrelangen afghanischen) unsichtbar macht, nicht gefallen lassen.”Man rechne durch das Statement mit weiterer Angriffe und Behauptungen der sogenannten “Antideutschen” Gruppe “Not Tears For Krauts”. Das störe aber nicht und es sei auch die gute Vernetzung der Antifa-Gruppe egal. “Wir kennen eure Argumentationsstrategien und Sprachtechniken mit denen ihr versucht vermeintliche Überlegenheit und Dominanz gegenüber anderen Menschen zu propagieren. Wir sehen darin aber nicht nur ein Problem, dass sich allein auf euch bezieht, sondern auch ein grundsätzliches und strukturelles Problem mit weißen Dominanzversuchen innerhalb der Linken. Zudem nehmen wir auch an, dass viele weiße Linke die Tragweite dieses Konfliktes nicht begriffen haben.”