Voßstraße: Erinnerung an Franz von Voß
Die Voßstraße unweit der Franckeschen Stiftungen hat ab sofort Zusatzschilder. Sie wurden im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ der Bürgerstiftung angebracht. Über beinahe ein viertel Jahrhundert – zwei Amtszeiten von 1856 bis 1880 – gestaltete der hallesche Oberbürgermeister Franz von Voß die Geschicke der Stadt und scheint dennoch in Vergessenheit geraten zu sein. Kaum einer weiß, dass unter ihm Halle zu seiner ersten großflächigen Wasser- und Energieversorgung kam. In seine Amtszeit fällt auch die Errichtung des Händeldenkmals auf dem halleschen Marktplatz. Das Zusatzschild soll nun den Namensgeber wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Das Schild wurde gespendet von Ralf-Friedrich Voß und von Gotthard Voß, Landeskonservator im Ruhestand. Beide haben übrigens familiär nichts mit dem Namensgeber der Straße zu tun.
Franz von Voß (1816–1907)
Franz Friedrich Wilhelm Carl Conrad von Voß war von 1856 bis 1880 Erster Bürgermeister bzw. ab 1857 Oberbürgermeister der Stadt Halle. Bevor König Friedrich Wilhelm IV. seine Amtsübernahme bestätigte, war eine Audienz beim König notwendig geworden, da dem preußischen Innenministerium der frische, tatkräftige und liberale Beamte verdächtig erschien. Der König war angetan vom Auftreten des von Voß, der sich in seiner Offiziersuniform empfahl, und machte dem Streit ein Ende, was der Stadt Halle, bis heute durchaus an verschiedenen Stellen sichtbar, zum Segen geworden ist.
Am 26. November jährt sich zum 200. Mal der Tag, an dem 1816 von Voß in Stendal in eine Handwerkerfamilie hineingeboren wurde. Dieser Geburtstag ist ein guter Anlass, an eine für die Entwicklung unserer Stadt wichtige Persönlichkeit zu erinnern. Der Großvater Friedrich Voß war 1786 in den preußischen Adelsstand erhoben worden wegen seiner Verdienste als Geheimer Oberfinanzrat. Der Enkel schlug nach einem Jurastudium in Berlin ebenso die Verwaltungslaufbahn ein, die zunächst mehrfach durch militärische Dienste unterbrochen wurde. 1852 kam es, Voß war inzwischen Regierungsrat geworden, zum ersten Kontakt mit der Stadt Halle. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt bei der Generalkommission in Merseburg folgte er einer Berufung nach Halle und übernahm nach seiner Wahl 1856 die Verantwortung eines Ersten Bürgermeisters.
Es war um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Zeit enormen wirtschaftlichen Aufschwungs, der hohe Anforderungen an die Verantwortlichen der Stadt stellte. Die wachsende Industrie verlangte für den zunehmenden Verkehr nach Investitionen in die sich entwickelnde Eisenbahn. Innerhalb der Städte wurde Platz für breitere Straßen benötigt. Diesen uns heute kaum vorstellbaren Veränderungen mussten leider Wallanlagen und die Stadttore auch in Halle weichen. Die Industrie brauchte Arbeitskräfte und diese wiederum Wohnraum, der nicht so schnell angeboten werden konnte. Da musste es zu Wohnungsnot kommen. Aus dem Jahr 1869 wird berichtet: „Der als Musikantenturm bekannte alte Turm der Stadtbefestigung am Hansering wird vom Magistrat als Quartier für Obdachlose umfunktioniert. In dem dreigeschossigen, nicht sehr umfänglichen Turm sind bis zu 51 Familien mit 115 Kindern zusammengepfercht.“
Die wachsende Industrie und die vielen Menschen brauchten mehr Energie und vor allem Wasser. Von Voß beförderte den Bau der ersten städtischen Gasanstalt am Holzplatz und als Folge die Aufstellung von 523 Gaslaternen für die Straßenbeleuchtung. Auch Wohnungen konnten seitdem besser beleuchtet werden. Der Name von Voß steht ebenso für die Lösung der städtischen Wasserversorgung. In Beesen wurde ein Wasserwerk gebaut und von dort im Boden Wasserleitungen bis in die Stadt verlegt, was mit erheblichem Tief- und Straßenbau verbunden war. Viele Straßen wurden in dieser Zeit zum ersten Mal gepflastert. Als sichtbares Zeichen für diese Errungenschaft wurde zur Fertigstellung 1868 auf dem Markt ein neuer Brunnen mit einer Fontäne errichtet.
Zuvor musste der Brunnen entfernt werden, der mit zwei von dem Bildhauer Gottfried Schadow 1816 geschaffenen, liegenden Löwen den Namen Löwenbrunnen trug. Um diesen wertvollen Plastiken einen dauerhaften Platz zu geben, hat von Voß die Löwen auf Beschluss des Magistrates der Universität zum Geschenk gemacht, verbunden mit dem Vorschlag, sie auf den beiden Postamenten am Hauptgebäude aufzustellen. Hier stehen sie bis heute und bleiben dauerhaft mit dem Namen von Voß verbunden.
In seine Amtszeit fällt die Aufstellung eines weiteren Denkmals, nämlich jenes für Georg Friedrich Händel 1859 auf dem Markt. Dieses konnte durch eine breit angelegte Spendenaktion mit der beachtlichen Beteiligung des englischen Königshauses von dem Bildhauer Hermann Heidel geschaffen und dann auch aufgestellt werden. Bei der feierlichen Einweihung am 1. Juli 1859 hielt Oberbürgermister von Voß vor den zahlreich erschienenen Gästen die Festansprache. Für eine weitere Amtszeit, die bis zum 2. Weltkrieg jeweils 12 Jahre dauerten, wollte sich von Voß wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Magistrat nicht zur Verfügung stellen. Dennoch wurde er nach seinem Ausscheiden 1880 für seine Verdienste geehrt, so zum 80. Geburtstag 1896 mit einem Beiblatt der Saale-Zeitung und zum 90. Geburtstag 1906 mit der Benennung einer Straße mit seinem Namen noch zu Lebzeiten desselben – welche Ehrung!
Der hoch geehrte Franz von Voß starb am 12. März 1907 und wurde auf dem Stadtgottesacker beerdigt.
Gotthard Voß
Landeskonservator i.R.
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