10 Jahre Hochwasser 2013 – Was hat die Stadtgesellschaft Halle (Saale) dazugelernt?

Zehn Jahre ist es nun her, als in den Morgenstunden des 5. Juni 2013 eine Flutkatastrophe über die Stadt (Halle) viele Häuser, Straßen und Brücken überschwemmte. Während der Flut gab es eine Welle der Solidarität. Helfer*innen packten an, um Sandsäcke zu füllen, um den Gimritzer Deich zu sichern und um die Einsatzkräfte zu versorgen. Doch nach der Flut brach diese Solidarität und dieser Bruch hält bis heute in der Stadt Halle (Saale) an: Die Ursache ist ein mitten durch die Stadt errichteter Deich, der eine Stadtseite schützt und die anderen zusätzlich gefährdet. Die Kritik daran bzw. die Forderung nach einem gemeinsamen Hochwasserschutz, hat den Bürger*innen auf der östlichen Flussseite viel Misskredit und öffentliche Beschimpfungen eingebracht. Daher wird die nach wie vor bestehende Hochwassergefährdung der Altstadt von offiziellen Seiten bis heute einfach beschwiegen. Dies war aber noch nie ein gutes Konzept, um mit Herausforderungen umzugehen.
Rund um den 5. Juni 2023 gibt es eine Vielzahl von Veranstaltungen, die stolz auf das Erreichte schauen und sich zufrieden zurücklehnen möchten, weil die Neustadt in Halle (Saale) mittlerweile durch den Deich geschützt wird. Zum Presserundgang bspw. sind am 5. Juni von der Stadt Halle (Saale) als Gesprächsteilnehmer Bürgermeister Egbert Geier, der Fachbereichsleiter Sicherheit, Tobias Teschner, Burkhard Henning, Direktor des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt sowie der um klare Positionen gegen die Altstadtbürger*innen nie verlegene Klaus-Dieter Weißenborn von der Bürgerinitiative „Pro Deich“ angekündigt. Auch Dr. Steffen Eichner, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, möchte dabei sein.
Die Menschen, die 2013 allerdings wirklich die Leidtragenden des Hochwassers 2013 gewesen sind, deren Häuser und Gärten überflutet und für Monate nicht bewohnbar gewesen sind; die IG Hochwasserschutz Halle-Altstadt, die sich immer wieder auch für Katastrophen- und Hochwasserschutz engagiert haben, sie wurden nicht eingeladen: Zu keiner der vielen Veranstaltungen. Entweder wurde befürchtet, es könnten doch auch kritische Töne zu hören sein oder man hat die eigentlichen Betroffenen des Hochwassers und ihre Initiativen einfach vergessen. Keine der beiden Interpretationen ist besonders schmeichelhaft für das Land und besonders die Stadt, die 2013 die höchste Schadensbilanz meldete und bis heute erhebliche Summen aus der Hochwasserhilfe verbaut hat und weiterhin verbaut: Nicht etwa vorrangig für präventive Maßnahmen der Bürger und Bürgerinnen, sondern weitgehend für die Sanierung von schon zuvor desolate Infrastrukturen und öffentliche Bauten.
Erst auf die entsprechenden Rückmeldungen integriert wurden die Bürger*innen etwa bei der Veranstaltung des Freiwilligenmanagements am vergangenen Donnerstag, wo Bewohner*innen der Klaustorvorstadt berichteten, wie alleingelassen sie sich 2013 fühlten und wie sehr die Stadt immer nur die Neustadt im Blick hatte und hat. Die „Hochwasserdemenz“ in Halle (Saale) ist jedenfalls sehr einseitig ausgeprägt. So wurde etwa – ja nicht unberechtigt stolz – auf ein Informationssystem zwischen Stadt und freiwilligen Helfer*innen verwiesen. Bis heute fehlt jedoch eine Abstimmung mit den Bürger*innen der östlichen Flussseite, wie im Katastrophenfall gemeinsam agiert werden könnte, die ein solches System eben auch wirklich zum Erfolg für alle machen könnte.
Insgesamt gibt es keinerlei Pläne, wie eigentlich die Hochwasserkonzeption der Stadt Halle (Saale) mit Leben gefüllt werden könnte und welche Gesamtstrategie die Stadt eigentlich außerhalb des Deichbaus verfolgt. Während die Neustadt jetzt sicher geschützt ist und dort Neubaupläne entwickelt werden könnten, verfolgt die Stadt solche mitten im Überschwemmungsgebiet entlang der Saale, etwa am Sophienhafen Süd. Dort soll entgegen der ursprünglichen Pläne stark verdichtet gebaut werden und 135 neue Familien mit ihren 200 Autos mitten im Überschwemmungsgebiet angesiedelt werden. Alle 30 Jahre werden sie auf die Hilfe von Rettungskräften und hilfsbereiten Menschen angewiesen sein, auf die Förderung aus Steuermitteln zur Behebung von Schäden – weil die Stadt Halle (Saale) nicht aus ihren Fehlern lernen will. Dabei wird an dieser Stelle, wie an vielen Orten der Stadt, der Hochwasserstand durch den Deichbau jetzt noch höher ausfallen als früher.
Gibt es schier nichts, was die Stadt tun könnte? Doch, die Bürger*innen der Altstadt haben viele Ideen! So könnte bspw. der Festplatz und das Gelände zwischen Fluss und Deich viel stärker zur Retentionsraumgewinnung genutzt werden, als dies bisher der Fall ist. Noch viel wichtiger wären Ideen und Pläne, wie bspw. die Stromversorgung im Hochwasserfall gewährleistet werden könnte. Dies sind essentielle Voraussetzungen für jedweden Schutz bzw. die Behebung von Schäden und auch für die Kommunikation mit den Betroffenen im Hochwasserfall. Man hat zwar einige Anschlüsse höher gelegt – der Strom wird jedoch weiterhin abgeschaltet werden, weil es eben kein Gesamtkonzept und Gefährdungspotential gibt. Dennoch gibt es auch dafür Lösungen. Für die betroffenen Bürger und Bürgerinnen ist klar, es ist noch ein weiter Weg, bis man auf Pressekonferenzen ein gemeinsames positives Fazit ziehen können wird. Die Möglichkeit dazu besteht aber nach wie vor. Man könnte sie jetzt, nach dem erfolgten Deichbau endlich gemeinsam angehen statt getrennt.
Eine aktive Beteiligung der Bürger ist von der Stadt einfach nicht gewollt.
Das sieht man immer wieder bei Bürgerbefragungen, z.b. zu Baumaßnahmen in Wohngebieten, wenn die Maßnahmen mal wieder entgegen den Wünschen und der Vernunft der Betroffenen durchgesetzt werden.
Solch Veranstaltungen haben doch eine reine Alibifunktion, das Vorgehen der Stadt steht ja bereits fest. Man erinnere sich nur an die willkürliche Baumfällaktion unseres OB Wiegand am Gimmritzer Damm.
Vielleicht hat man aber mit der Klausvorstadt etwas anderes vor, einen Wasserpark vielleicht? Wäre der Hit bei den Händelfestspielen!
Man könnte auch ganz bösartig vermuten, daß dort Schäden bewusst in Kauf genommen werden, denn je größer diese sind, desto mehr Fördergelder gibt es dann ja.
Man sieht gleich, dass der Artikel von richtigen Menschen kommt und nicht von Stadtverwaltern und Politik.
Woran sieht man das? An den vielen Sternchen?
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Viel scheint man nicht dazugelernt zu haben, da sich Hochwasserschutz fast ausschließlich auf bauliche Maßnahmen konzentriert. (mit Druck von der Baubranche) Dabei wäre genau das Gegenteil gefragt. Die Naturzerstörung/Flächenversiegelung usw. hat einen großen Anteil am Hochwasser. Deiche und Dämme führen zu keiner wirklichen Entschärfung des Problems, sondern verlagern – ja verschärfen es teilweise noch. Ein komplettes Umdenken wäre also angebracht, was natürlich unter dem derzeitigen Wachstumsdruck schwer erreichen sein wird.
Das mag im Grundsatz richtig sein, im speziellen Fall von Halle greift der Vorwurf aber zu kurz. In dicht bebauten Städten ist wenig Platz, um dem Fluss (wieder) mehr Raum zu geben. Und da Halle eine kreisfreie Stadt ist, ist es allein schon politisch besonders schwierig, Überschwemmungsgebiete im Umfeld zu schaffen.
Das nächste schwere Hochwasser könnte bei ähnlicher Konstellation wie 2013 uns jedenfalls noch ärger treffen, nicht nur wegen des erhöhten Deichs, sondern weil uns 2013 der Zwenkauer See vor noch mehr Wasser aus der Elster rettete.
Seit 2013 wurde ja noch mehr in Saalenähe gebaut. Hinterher will dann wieder keiner verantwortlich gewesen sein.
Das Hochwasser ging vorüber… Was nicht vorübergeht und immer noch weitergeht: kilometerweises zuasphaltieren von naturnahen Wegen und Betonersatz für Natursteinmauern. Halle vor dem Hochwasser war ein romantisches Paradies, wie es sonst nirgends in Deutschland zu finden war bei Städten dieser Größenordung, jetzt ist es ein riesiges System zuasphaltierter Straßen mit teils zwischengelagerten Grünflächen – nicht mal in Hamburg oder Berlin gibt es ein so hohes Maß an Versiegelung in Parks und Dummheit auf Verwaltungsebene.
Vielen Bürgern ist das leider egal, manche finden es sogar gut, sieht man an entsprechend gestalteten Grundstücken (Pseudo-Bauhaus mit Rollrasen und Kies-Ödnis).
Von Natur und Natumschutz hat man in Halle generell noch kaum was gehört. Nur „Klima!“-Parolen wiederkäuen, das ist das Einzige, was die können.