Bildungsminister lobt den Schulfrieden für Sachsen-Anhalt – Kritik aus der Koalition

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bildungsminister Marco Tullner haben heute die Ergebnisse ihres “Schulfriedens” vorgestellt. Es war eine Reaktion auf das Volksbegehren für mehr Lehrer, das aber nicht genügend Unterschriften zusammen bekommen hat. Das Thesenpapier besteht aus 47 Thesen in sieben Themenblöcken.
“Ziel der Landesregierung war es, einen Konsens über künftige politische Schwerpunkte zu erarbeiten”, sagt Ministerpräsident Haseloff. “Der Maßnahmekatalog wird einen wesentlichen Einfluss auf die künftige Ausrichtung der Schulpolitik haben.“
Vorgeschlagen werden die Übernahme der Horte in die Zuständigkeit des Bildungsministeriums, ein Schulbauprogramm, Lehrerbezahlung und Arbeitszeitkonto für Lehrer, Digitalisierung und die Reform des Lehramtsstudiums.
Die SPD sieht keinerlei Ansatzpunkte zur Bewältigung der Probleme an den Schulen Sachsen-Anhalts. Das Papier atme den Geist einer überkommenen Schulstruktur, meint der Grundschulverband. Der Schulfrieden sei nur ein Papiertiger, meinen die Linken. Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – wie auch die SPD Koalitionspartner der Christdemokraten in Sachsen-Anhalts Landesregierung – bezweifelt, dass es dem CDU-geführten Bildungsministerium ernst mit den Schulfrieden-Thesen ist.
„Wir haben viele dieser Maßnahmen schon mehrmals im Landtag und im Bildungsausschuss angesprochen, gefordert und debattiert. Leider hat sich das Bildungsministerium erst auf Druck eines Volksbegehrens hin offen für Diskussionen gezeigt. Deshalb bezweifeln wir, dass die CDU tatsächlich vorhat, ihren Worten nach dem Wahltermin Taten folgen zu lassen. Die Diskrepanz zum Landtagswahlprogramm lässt anderes vermuten“, bilanziert Wolfgang Aldag, bildungspolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion.
„Positiv ist, dass einige Forderungen, die meine Fraktion seit langem verfolgt, enthalten sind. Dazu gehört die Einführung von Arbeitszeitkonten für Lehrkräfte oder das Mentorenprogramm für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Grundsätzlich bleibt das Thesenpapier aber zu oft im Ungenauen: Wie will man den Seiteneinstieg konkret flexibilisieren? Wie und in welchem Ausmaß werden die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen tatsächlich an den Bedarf angepasst?“, kritisiert Aldag.
Er fügt hinzu: „Ich freue mich, dass die Vertreterverbände damit eine Chance hatten, beim Bildungsministerium endlich Gehör für ihre Sorgen und ihre Forderungen zu finden. Wir hätten uns aber gewünscht, dass diese so notwendige inhaltliche Diskussion und Lösungsfindung innerhalb des dafür vorgesehenen parlamentarischen Rahmens der vergangenen Jahre geschehen wäre.“
Die Beschlüsse seien entweder zu zaghaft oder zu unkonkret, um ernstzunehmende Antworten auf die aktuellen Herausforderungen einer Bildung im 21. Jahrhundert anzubieten, meint der Grundschulverband Sachsen-Anhalt, der Teil der Gespräche war. So würden die während der Corona-Pandemie offenkundig gewordenen Versäumnisse im Bereich der pädagogischen Ausrichtung der Schulen nicht mit der nötigen Verbindlichkeit benannt. Zudem würden innovative Neuansätze im Bereich der Bildung (z.B. Strukturentwicklung, Leistungsbewertung etc.) weitgehend ausgespart oder werden sogar rückwärtsgewandt zurückgewiesen. Der Entwurf atme den Geist einer überkommenen Schulstruktur, die sich entgegen der administrativen Verlautbarungen eben nicht bewährt hat und dringend reformbedürftig ist. „Weil wir hier keine Grundlage für die anstehenden Entwicklungen des Schulsystems identifizieren können, hat unsere Landesgruppe entschieden, das Papier nicht als unterzeichnende Institution zu unterstützen“, meint Vorsitzende Thekla Mayerhofer. „Wir hoffen, dass eine zukünftige Landesregierung mehr Mut haben wird, das zukunftssichernde Thema Bildung auf angemessene Weise zu entwickeln und sind bereit, uns bei ernsthaften Bemühungen als kritisch konstruktiver Partner wieder an entsprechenden Diskussionen zu beteiligen.“
„Dass es um einen ‚Schulfrieden‘ im landläufigen Sinne nicht ging, war schon zu Beginn des Prozesses klar, weil gar nicht versucht werden sollte, parteiübergreifend bildungspolitische Kompromisse zu finden“, erklärte die Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag Katja Pähle. „Der Begriff wurde als Nebelkerze verwendet, denn alle Angriffe auf das bestehende Schulsystem sind in dieser Wahlperiode vom Bildungsministerium ausgegangen. Und sie dauern bis heute an, wie man an dem Entwurf für eine neue Versetzungsverordnung erkennen kann, der Tausende Kinder auf einen Hauptschulabschluss anstelle eines Realschulabschlusses festlegen und damit ihre Berufs- und Lebenschancen drastisch beeinträchtigen würde. Ein ‚Schulfrieden‘ hätte fünf Jahre lang in der Hand des Bildungsministers gelegen.“
An den vorgelegten Thesen übt die SPD-Fraktion in entscheidenden Punkten Kritik:
· Der wichtigste Satz fehlt im Papier: „In Sachsen-Anhalt fehlen Lehrkäfte in Größenordnungen.“ Dementsprechend gibt es dort auch keine Ansätze, wie das Problem angegangen werden soll. Auch zur Rücknahme der Kürzungen von Stundenzuweisungen: Fehlanzeige.
· Die Aussage „In der Schulstruktur soll langfristige strukturelle Stabilität in Sachsen-Anhalt gewährleistet werden“ ist wertlos, weil die CDU in ihrem Wahlprogramm klarmacht, dass sie Sekundar- und Gemeinschaftsschulen als ein und dieselbe Schulform versteht. Das ist die ideologische Untersetzung für die Praxis des Bildungsministeriums, die die Bildung gymnasialer Oberstufen an Sekundarschulen aktiv hintertreibt. Die SPD steht dagegen für ein flächendeckendes Angebot an Gemeinschaftsschulen, gerade damit auch in ländlichen Regionen alle Schulabschlüsse bis hin zum Abitur erreicht werden können.
· Auch der Satz „Der Elternwille soll über die Anwahl einer Schulform entscheiden“ steht im Widerspruch zum CDU-Wahlprogramm, das sich auf die Wiedereinführung der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung festgelegt hat.
· Zu aktuellen Problemen wie dem Konflikt um die Versetzungsverordnung (s. o.) und der Behebung von Lernrückständen durch die Corona-Pandemie gibt es in dem Papier keine Aussagen.
Angela Kolb-Janssen, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, erklärt dazu: „Viele andere Vorschläge, die in den Thesen enthalten sind, sind Selbstverständlichkeiten, die von uns teilweise seit Jahren angemahnt werden. Für die große Aufgabe, Sachsen-Anhalts Schulen moderner und leistungsfähiger zu machen und allen Kindern einen guten Schulabschluss zu ermöglichen, bietet das Papier keine Anknüpfungspunkte.“
„Es kann in Sachsen-Anhalt unter Minister Tullner keinen Schulfrieden geben. Denn sein Geschäft ist es, Unfrieden zu stiften. Während sich Frau Wanka gemeinsam mit Gewerkschaften und Verbänden redlich mühte, Fehler aus seiner Amtszeit aufzuspüren und Wege aus der Krise des Schulsystems zu beschreiben, legt Minister Tullner eine Kriegserklärung nach der nächsten vor”, sagt der Vorsitzende und bildungspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag, Thomas Lippmann.
“Ziel seiner Angriffe sind vor allem die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, aber auch Grundschulen und integrierte Gesamtschulen, die durch seine Maßnahmen aufgerieben und in ihrer Arbeit und Entwicklungsmöglichkeiten massiv behindert werden. Immer neue Runden sogenannter bedarfsmindernder Maßnahmen und Entscheidungen, die gewachsene oder sich neu entwickelnde Strukturen im Schulsystem zerstören, markieren den Weg von Minister Tullner.
So arbeitet Minister Tullner parallel zur vollmundigen Präsentation der Schulfrieden-Ergebnisse gerade daran, tausenden Schüler*innen der Sekundarschulen künftig den Weg zum Realschulabschluss zu verbauen. Das ist ein tiefer Eingriff in die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen, der in den Schulfriedengespräche hätte beraten werden müssen. Darüber wurde dort aber ebenso wenig geredet, wie über die massiven Verschärfung der Vorgaben zur Schulentwicklungsplanung, mit denen Barrikaden gegen die weitere Entwicklung der Gemeinschaftsschulen errichtet und künftige Neugründungen vor allem von Integrierten Gesamtschulen unmöglich gemacht werden.
Es war zu keinem Zeitpunkt der Gespräche das Ziel, die von Minister Tullner in den letzten Jahren gegen viele Widerstände geschaffenen harten Fakten und seine untauglichen Versuche im Umgang mit dem Lehrkräftemangel aufzuarbeiten. So wurde weder über die Ziele des Volksbegehrens ‚Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben!‘ zur Festschreibung von Bedarfsparametren für die Lehrkräfteversorgung beraten noch über die massiven Eingriffe in die Stundentafel der Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und die Kürzungen an den Grundschulen gesprochen.
Keines der zentralen Kernthemen stand auf der Tagesordnung der Gespräche und so sind die Empfehlungen zwar nett gemeint, aber sie sind viel zu schwach, um tatsächlich Wege aus der Misere des Schulsystems nach der Amtszeit von Minister Tullner aufzeigen zu können. Und selbst dort, wo die Empfehlungen hilfreiche Anregungen für bessere Entscheidungen geben könnten, bestehen größte Zweifel, dass sie aufgegriffen werden.“
Wenn es nach dem Bildungsminister geht sind immer genau Lehrer da
Wenn Herr Tullner nach vier Jahren Misswirtschaft nun im Wahlkampf einen Schulfrieden ausruft, wirkt das schon wie Fake News! Sorry, aber unglaubwürdiger geht es wohl nicht mehr. Allein das Vorhaben, die Lehrerausbildung nun völlig neu zu etablieren und dafür große zusätzliche Geldsummen und ganz viel Zeit zur Etablierung in Kauf zu nehmen, nur um die eigene Macht zu steigern und die der Uni (da sitzen wohl Kritiker?) zu schwächen, spricht wirklich Bände. Dieser Politiker ist wirklich ein Armutszeugnis für die CDU.
Das Herbeirechnen der Lehrer durch die massive Verminderung der Stundenzuweisung an die Schulen war eine der von Herrn Tullner verursachten Katastrophen. Seit dem sitzen wir in der Grundschule vor 27 oder mehr Kindern pro Klasse. Da ist eine differenzierte Arbeit nur schwer möglich.
Aber auf dem Papier ist das überhaupt kein Problem.
Haben sich denn die Schulen mal zusammengeschlossen und bei Tulli beschwert?
Aber klar doch. Bei einer Fernsehsendung wurde ihm durch eine Ascherslebener Schulleiterin immer wieder gesagt, dass diese Regelung eine Katastrophe für die Unterrichtsqualität und die Kinder ist. Herr Tullner reagierte einfach nicht. Er hat sie tatsächlich ignoriert.
Ob die oft völlig unsinnigen Erlasse aus Magdeburg in der Praxis umsetzbar sind, interessiert dort niemanden.
Gab doch sicher eine Moderation – die war aber anscheinend auch handzahm, oder?
Falsche Fernsehsendung!? Geht mal zum Lanz… 🙂
Ob sich der Tulli da hintraut?
Ups, hier wird ja gerade eben ganz viel Wahlkampf betrieben .
Zu spät und unglaubwürdig!!!
Der Bildungsminister redet klug handelt aber fade bis gar nicht, der sollte mal unterrichten in Neustadt oder an der Pesta
Wenn die Schulen dicht sind, dann ist automatisch der Schulfrieden da. Lasst erstmal die Schulen wieder öffnen und der Tullner wird sich wundern ,dass er und Haseloff sich geirrt haben, was der Schulfrieden anbelangt.