Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen fragt nach der Zeit der Erde
Unter dem Motto „Im Steinbruch der Zeit. Erdgeschichten und die Anfänge der Geologie“ eröffnen die Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) am 20. September ihre Jahresausstellung. Die Schau im Historischen Waisenhaus ist bis 21. März zu sehen.
Gezeigt werden soll in der Ausstellung eines der großen Ereignisse der Frühen Neuzeit: die Entdeckung der Erdzeit. Dafür legen die Kuratoren die Lupe an den hallischen Gelehrtenkosmos des 18. Jahrhunderts mit dem pietistischen Halleschen Waisenhaus und der Brandenburg-Preußischen Friedrichs-Universität. Dieses Zentrum der Frühaufklärung verortet sich in der Mitte zwischen dem geologisch vielfältigsten Mittelgebirge Deutschlands, dem Harz, und der Bergakademie in Freiberg (gegr. 1765), der fünften in der Reihe der weltweiten gegründeten montanwissenschaftlichen Bildungseinrichtungen. Die kulturhistorischen Sammlungen vor Ort, die Bibliothek der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Universitäts- und Landesbibliothek der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Archiv und die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen, spiegeln das breite Interesse an geologischen Phänomenen sowie an der Entdeckung der Geschichte der Erde. Ihre Schätze illustrieren erstmals in einer Ausstellung die Geburt der Geologie als Wissenschaft.
Die Besucher erwartet ein emotionaler und spannend inszenierter Ausstellungsrundgang von der Vorgeschichte der Geologie über die Entstehung der modernen Geowissenschaften im 19. Jahrhundert mit einem Exkurs zur Gegenwart. Die Schau führt anschaulich durch scheinbar gegensätzliche Erdentstehungstheorien, durch Gelehrtenstreite, wirtschaftliche Interessen und den Verlust des Primats der Bibel bis zum Blick in den Abgrund der erdgeschichtlichen Zeit. Alchemisten, die das Reine suchten, Physikotheologen, die die Vollkommenheit der Schöpfung entdecken wollten, Kameralisten, die sich für die Nutzbarmachung der Ressourcen einsetzten, Universitätsprofessoren und wissenschaftlich hoch gebildete Dilettanten und Sammler, vernetzt in einer weltumspannenden Gelehrtengemeinschaft, erstreiten sich in der Schau als Neptunisten, Vulkanisten, Katastrophisten oder Aktualisten eine wissenschaftlich begründete Vorstellung von der Geschichte und geologischen Struktur der Erde. Die Ausstellung entlässt das Publikum nicht ohne einen wissenschaftlich fundierten Blick auf das Anthropozän, in dem erstmals der Mensch die geologische Formation der Erde einschneidend verändert.
»Uns interessierte besonders, was die Menschen dazu bewegte, sich mit der unbelebten Natur auseinanderzusetzen«, beschreibt Dr. Claus Veltmann, Kustos und mit Tom Gärtig Kurator der Ausstellung, eines ihrer Kernthemen. Dafür konnten sie unter anderem mit dem einzigartigen Nachlass des geologischen Autodidakten Christian Keferstein (1784–1866) arbeiten, der in die Geschichte als Schöpfer der ersten geologischen Karte Deutschlands einging. 300 geologische Karten, nahezu 600 Briefe und eine 2000 Bände umfassende Fachbibliothek zählt die Sammlung, die heute im Archiv und der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen aufbewahrt wird.
Die Ausstellungsgestalter von der Agentur Formikat (u.a. Verkehrsmuseum Dresden 2018 Ich.Fahr.Rad und 2019 Von Prunkgondeln, Prachtkutschen und Pferdeäpfeln) setzen die 250 Ausstellungsobjekte, darunter Leihgaben aus den hallischen Sammlungen, der Kustodie der Bergakademie in Freiberg, dem Naturkundemuseum in Berlin oder der eindrucksvollen Gesteinssammlung des Zentralmagazins naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, spannend in Szene. Sie fokussieren das sinnliche und emotionale Erleben. Objekttexte finden sich nur im kostenlosen Begleitheft zum Rundgang. Filme von Murat Haschu und Sounds von Dominik Eulberg, dem »Natur-DJ aus dem Westerwald« (ARD), lassen in die Erdgeschichten eintauchen. Nachdenklich machen die Fotografien des Kanadiers Edward Burtynsky. Mit seinen Arbeiten zu Industrielandschaften dokumentiert er, wie die Umwelt durch ungezügelte globalisierte Finanz- und Wirtschaftsinteressen verändert wird. Der Ausstellungsrundgang endet mit einer Auswahl seiner beeindruckenden Fotografien zu Bergwerken und Tagebauen auf der ganzen Welt.
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