“Es brennt verdammt nochmal das Haus”: hunderte Teilnehmer bei Klimademo von Fridays for Future in Halle (Saale)

Nach etwa einem halben Jahr gab es am Freitagnachmittag wieder eine Aktion der Klimabewegung “Fridays for Future” in Halle (Saale). Vom Markt aus zog ein Demozug mit in der Spitze 1.500 Teilnehmern unter dem Motto #TomorrowIsTooLate über den Franckeplatz und Riebeckplatz zum Steintor. Die Demonstranten riefen unter anderem „Fahrradfahren ist nicht nur Hobby, nieder mit der Autolobby“, „Was ich gerne hätte, autofreie Städte“ und “Wir sind hier, wir sind viele, haltet euch an Klimaziele”.

“Wir haben gezeigt, dass die Gesellschaft einen gerechten Klimaschutz will und bereit ist, dafür zu kämpfen”, sagte Lea von Fridays for Future. Die Grünen würden unterdessen in NRW fragwürdige Deals mit Energiekonzernen schließen, Deutschland befeuere fossile Energien mit LNG-Terminals, das EU-Parlament stufe Atomkraft und Erdgas als nachhaltiges Wirtschaften ein, kritisierte sie. Zudem werde politische Energie verschwendet, sich über Klimaprotest aufzuregen. “Wenn die inhaltlichen Aussagen unseres Aktivismus und unsere Forderungen an so vielen Stellen ignoriert und kleingeredet werden, was denken Menschen denn, was dann passiert? Dass wir alle nachhause gehen und sagen ‘oh nicht so schlimm mit dem Klimawandel’?” Wenn die vielen Rufe nicht gehört werden, werden sie lauter. “Und das Protest drastischer, unschöner und verzweifelter wird, ist schlicht die logische Konsequenz.” Der Klimabewegung werde oft vorgeworfen, anderen ihre Meinung aufdrücken zu wollen. “Aber wenn ich sage, der ungebremste Klimawandel stellt unser heutiges Leben in jeder Hinsicht in Frage, dann ist das keine Meinung, sondern ein Fakt”, so Lea. Zur aktuellen Situation sagte sie, “es brennt verdammt noch mal das Haus.” Bei Bränden hole man auch die Feuerwehr als Experten, unterstrich sie die Forderung nach einem Expertengremium.

Ein Vertreter der BI Saaletal, das ist die Initiative gegen den Bau der A143, meldete sich zu Wort. Seit 30 Jahren laufe der Kampf gegen die Autobahn, die mehrere Naturschutzgebiete zerstöre. Aktuell laufen Beschwerden vorm Europäischen Gerichtshof und vorm Bundesgerichtshof. “Wir versuchen immer noch, diese furchtbare Autobahn zu stoppen”, sagte er. “Es ist völliger Quatsch, heutzutage noch Autobahnen zu bauen. Wir brauchen den völligen Autobahnbaustopp.” Die bestehenden 13.00km Autobahnen seien genug. Es sei auch völliger Quatsch, auf das Elektroauto zu setzen. “Für das Lithium müsste halb Afrika und halb Bolivien umgegraben werden”, warnte er.  “Wir brauchen zivilen Ungehorsam. Wir haben es nett probiert, wir haben es legal probiert.”

Man könne die Dinge nicht ändern, wenn man sich an die Spielregeln halte, sagte eine Vertreterin der Gruppierung “Letzte Generation”, in den Medien als “Klimakleber” bekannt. “Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern.” Man müsse auf der Grundlage eines fairen und gleichen Prozesse, “bei dem die wirkliche Vielfalt unsere Landes repräsentiert wird, zusammenkommen”, sagte sie. “Klimaschutzentscheidungen müssen das Wohl der Menschen und nicht die Profite der Unternehmen als Grundlage haben.” Deshalb brauche es einen Gesellschaftsrat, “der die Macht der Demokratie in die Händer der Menschen gibt.” Die Politik könne zwar die “Letzt Generation” kriminalisieren und bekämpfen, “aber wir werden weiterhin mit friedlichen Mitteln auf die Straße gehen. Ein ziviler Ungehorsam, der nicht ignoriert werden kann. Denn das wurden wir viel zu lange.“

“Der Herr Wissing investiert lieber in neue Autobahnen”, kritisierte ein ver.di-Vertreter der HAVAG den Bundesverkehrsminister. “Wir haben es gesehen beim 9-Euro-Ticket: wenn das Angebot da ist, nehmen die Leute es an.” Aber gleichzeitig hätten die Fahrgäste zu spüren bekommen, woran die Verkehrswende scheitern könnte: mangelhafte Infrastruktur, zu wenig Personal. “Das muss sich dringend ändern. Und das geht nur mit guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen.” Die Bundesregierung müsse sich endlich zum ÖPNV bekennen. 

Es gebe noch viel zu tun, sagte Ole Horn von FFF Halle. “Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis wir sagen können, wir sind auf einem klimagerechten Pfad.” Man sei weit weg von einer 1,5 Grad konformen Politik, ebenso von einer ernstzunehmenden Klimapolitik. 

Im Vorfeld hat es eine “antikapitalistische Zubringerdemo” von “End Fossil: Occupy Halle” gegeben. Ein Redner forderte “ein Ende des fossilen Kapitalismus.” Die Regierungen und ein Großteil der Menschen hätten den Ernst der Lage nicht erkannt. Die Politik versage und viele Menschen würden Nachhaltigkeit ignorieren. Es brauche eine 180-Grad-Wende hin zu erneuerbaren Energien. Auch eine umfassende Transport- und Bauwende sei nötig. Die Finanzierung solle durch die Umverteilung von Kapital erfolgen. Bei ihrem Demozug riefen die etwa 50 Teilnehmer Sprüche wie “Bevor Sie noch mehr Kohle finden, Kapitalismus überwinden.”