Volkstrauertag: Erinnern auf dem Getraudenfriedhof an die Greueltaten
Am Sonntag haben Stadtverwaltung und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VKD) mit einer Gedenkfeier in der Kapelle des Gertraudenfriedhofs an die Opfer von Krieg, Zerstörung und Vertreibung erinnert. Anlass war der Volkstrauertag.
Der örtliche VKD-Vorsitzende Bernhard Bönisch begrüßte die zahlreich erschienen Vertreter aus Politik und Wirtschaft, so der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby, die Landtagsabgeordneten Wolfgang Aldag und Andreas Schmidt sowie die Stadträte Christoph Bernstiel, Hans-Dieter Wöllenweber und Marion Krischok. Auch Oberbürgermeister Bernd Wiegand wohnte der Gedenkveranstaltung bei. „Und ich begrüße Diejenigen, die bereit sein müssen, selbst Gewalt anzuwenden, wenn es die Sicherheit unserer Gemeinwesens verlangt“, so Bönisch mit Blick auf die Vertreter von Polizei und Reservistenkameradschaft. Der Volkstrauertag sei ein Tag der Innehaltens, so Bönisch, „der Einkehr, des Mitfühlens.“ Gedenken sei wichtig, „denn wir dürfen nicht vergessen, welche schrecklichen Greueltaten in der Vergangenheit verübt wurden. Hier bei uns in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt. Wir wollen und dürfen Wiederholung nicht zulassen.“ Ziel sei es, weitere Opfer und weitere Unmenschlichkeiten zu verhindern.
„Dieses Gedenken ist wichtig, weil es leider noch immer jeden Tag neue Tote und Gewaltopfer gibt und man deshalb gegen die Ursachen von Gewalt kämpfen muss“, sagte Bürgermeister Egbert Geier. „Dieses Gedenken ist wichtig, weil wir mit der Erinnerung an die Opfer diese Menschen auch Vergegenwärtigen, sie lebendig werden lassen.“ Geier hob hervor, dass sich auch immer wieder Schulen mit Projekten an der Erinnerung beteiligen. Beispielhaft hob er eine Gedenkstele für 1944 erschossene Belgische Widerstandskämpfer am Eingang der Dölauer Heide hervor, die Schüler des Christian-Wolff-Gymnasiums aufgestellt haben. Schüler der Latina gestalteten eine Gedenkfeier für drei ermordete Franzosen, die im Sommer 1944 im Roten Ochsen hingerichtet wurden. Er sei froh und stolz darüber, dass es solches Engagement gebe. Auch auf die diesbezügliche Arbeit der Gedenkstätte Roter Ochse sei er stolz. Die vielen Kriegsopfer werden nach und nach von anderen Generationen vergessen, mahnte Geier. „Ein Tag wie heute verhindert das.“ Geier erinnerte an eine Geschichte aus diesem Jahr. Eine Tochter hat nach mehr als 70 Jahren die Grabstätte ihres Vaters ausfindig gemacht, auf dem Gertraudenfriedhof in Halle ist Joseph Gillinghamm begraben. Er stammte von den britischen Kanalinseln, besetzt von der Wehrmacht. Die Besatzer verboten Radiohören. Gillinghamm widersetzte sich, schrieb die erhaltenen Informationen auf und verteilte sie in Briefkästen seines Ortes. Er wurde gefasst und nach Deutschland gebracht. Dann verloren sich seine Spuren, bis seine Tochter die Geschichte nachverfolgen konnte. Am 11. März 1945 starb er im Polizeigefängnis in der Dreyhauptstraße.
Mit einem eigenen Beitrag haben sich auch die Schüler der 10 C des Elisabeth-Gymnasiums beteiligt. Sie haben die Geschichte des österreichischen Pfarrers Carl Lampert aufgearbeitet, der am 13. November 1944 im Roten Ochsen hingerichtet wurde. Mit ihm starben am gleichen Tag noch weitere Häftlinge. Am Grabmal auf dem Gertraudenfriedhof wurden Grablichter für diese Opfer des NS-Justiz aufgestellt. Zudem wurden an der aus 25 Figuren bestehenden Skulptur “Die Endlose Straße” des Bildhauers Richard Horn, die an Opfer von Krieg und Gewalt erinnern sollen, Kränze niedergelegt.
Der Volkstrauertag wurde 1922 erstmalig begangen und mahnt zu Versöhnung, Verständigung und Frieden und erinnert heute an die Toten, insbesondere an die Opfer der beiden Weltkriege mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und der stalinistischen Diktatur. Die Nazis machten aus dem kollektiven Trauertag einen Staatsfeiertag und benannten ihn in “Heldengedenktag” um. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hat den Gedenktag nach Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1950 wiederbelebt und wird seitdem am Sonntag zwei Wochen vor dem ersten Advent begangen.
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