Verfassungsschutzbericht: mehr Islamisten und Reichsbürger in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt steigt die Zahl von Islamisten und Reichsbürgern. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor. Demnach wird die Zahl Islamistischer Gefährder auf 200 geschätzt (+50), die Zahl der Reichsbürger auf 450 (+120). Die Zahl von Linksextremisten ist mit 490 weitgehend stabil. Zudem gibt es rund 1.300 Rechtsextremisten, das sind rund 100 weniger als ein Jahr zuvor. 250 Personen werden der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) zugeordnet.
Insgesamt wird das extremistische Personenpotenzial in Sachsen-Anhalt auf 2.655 geschätzt. „Verfassungsfeinde lassen sich in nahezu allen Bereichen finden. Sie nutzen die zunehmende Vernetzung der modernen Informationsgesellschaft um ihre extremistischen Ideologien zu verbreiten“, meint Innenminister Holger Stahlknecht.
Zu den Phänomenbereichen im Einzelnen:
I. Rechtsextremismus
Der Rechtsextremismus unterliegt weiterhin einem Wandel. Er tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf, wobei insbesondere die parteiungebundene rechtsextremistische Szene kleinteiliger geworden ist. Informelle, flexible und kurzlebige Personenzusammenschlüsse sind nunmehr prägend. Ideologischer Pfeiler des Rechtsextremismus bleiben jedoch die Parteien, auch wenn deren Bedeutung schwindet. Angesichts dessen begrüßte Stahlknecht nochmals die Entscheidung des Bundesrates zur Einleitung des Verfahrens zum Ausschluss der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) von der staatlichen Parteienfinanzierung sowie den kürzlich gefassten Beschluss der Bundesregierung von 18. April 2018. „Als verfassungsfeindliche Partei darf die NPD keinesfalls weiter mit Steuergeld finanziert werden“, betonte er.
Die regionalen Schwerpunkte des Rechtsextremismus ergeben ein heterogenes Bild. In den Städten Halle (Saale) und Magdeburg sowie den Landkreisen Stendal, Jerichower Land und Wittenberg hat vor allem die subkulturell geprägte, gewaltbereite rechtsextremistische Szene ihre Hochburgen. Neonazis, welche in der Tradition des historischen National-sozialismus stehen, treten überwiegend im Süden Sachsen-Anhalts auf.
II. Linksextremismus
Der Minister begrüßt die Neujustierung des Blickes auf den Linksextre-mismus in vielen Bereichen von Politik, Medien und Öffentlichkeit.
„Die Ereignisse rund um den G20-Gipfel Hamburg haben gezeigt, welches Potenzial an Militanz und Bereitschaft zu Straf- und Gewalttaten dem Linksextremismus inne wohnen kann“, so Stahlknecht.
Als heterogenes Phänomen stellt der Linksextremismus ein Sammelbe-cken für unterschiedliche Strömungen dar, deren gemeinsamer Nenner das Streben nach einer Überwindung der bestehenden „bürgerlichen“ Staats- und Gesellschaftsordnung ist. Hierbei werden bestehende gesellschaftliche Konflikte aufgegriffen; Linksextremisten können somit teilweise auf eine hohe Anschlussfähigkeit bis weit in die Gesellschaft hinein vertrauen.
Das Personenpotenzial im Land wird auf 490 geschätzt, wobei der ge-waltbereiten, insbesondere autonomen Szene etwa 230 Personen zugerechnet werden.
III. Reichsbürgerszene
Das Bild der Reichsbürgerszene konnte sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht konturiert werden. Die Szene umfasst mit Stand Jah-resende 2017 etwa 450 Personen in Sachsen-Anhalt. Der Anstieg ist dabei im Wesentlichen auf einen Zuwachs des Erkenntnisgewinns zurückzuführen. Dieser ist maßgeblich mit dem Ersuchen des Verfassungsschutzes an die obersten Landesbehörden und den vorliegenden Rückmeldungen befördert worden. Auf Grund der noch nicht abgeschlossenen Auswertung der Erkenntnisse ist mit einem weiteren Anstieg des Personenpotenzials zu rechnen.
IV. Islamismus
Der Islamismus und die damit einhergehenden Gefahren des islamistischen Terrorismus verursachen weiterhin eine angespannte Bedrohungslage. Auch in Sachsen-Anhalt halten sich, wie in allen anderen Bundes-länder, Islamisten auf. Das erkannte Personenpotenzial fällt mit etwa 200 noch verhältnismäßig gering aus.
Allerdings stehen auch hierzulande einzelne islamische Gemeinden in Verbindungen zu islamistischen Gruppen. Dies kann sowohl die bloße Unterstützung für entsprechende Kreise sein, als auch die dominierende Stellung von einzelnen islamistischen Personen oder Personengruppen innerhalb der Gemeinde.
In Bezug auf den islamistischen Terrorismus stehen neben den von Einzeltätern ausgehenden Gefahren weiterhin mögliche konspirative Einrei-sen von Mitgliedern terroristischer Organisationen nach Europa im Fokus. So wurden auch in Sachsen-Anhalt mehrere mutmaßliche IS-Kämpfer identifiziert und inhaftiert.
V. Ausländerextremismus
Im Bereich des Ausländerextremismus zeigen sich die weltweiten Wech-selwirkungen der Sicherheitslage, die sich auch auf Sachsen-Anhalt aus-wirken. So haben die politischen Ereignisse in der Türkei und die gestie-gene Brisanz des dortigen Konflikts mit den Kurden unmittelbare Auswir-kungen nach Deutschland hinein, auch nach Sachsen-Anhalt.
Die kurdische Arbeiterpartei PKK verfügt auch hierzulande über ein hohes Mobilisierungspotenzial, spontane Versammlungen mit bis zu 250 Teilnehmern sind möglich. Hierbei kann es zu zum Teil auch gewaltsamen Konflikten mit nationalistisch eingestellten türkischstämmigen Personen kommen oder auch mit Verfechtern der türkischen Regierungspolitik. Mit Sorge beobachtet Stahlknecht, welcher momentan auch den Vorsitz der Innenministerkonferenz inne hat, die jüngsten Anschläge auf türkische Einrichtungen und Moscheen, die z.B. in Berlin oder westdeutschen Bun-desländern stattfanden sowie die zunehmende Vernetzung von PKK-Aktivitäten mit Personen aus dem hiesigen linksextremistischen Spektrum.
VI. Wirtschaftsschutz
Die Nachrichtendienste vieler Staaten haben die Aufgabe, Politik, Wirt-schaft, Wissenschaft und Militärtechnologie anderer Länder auszuforschen. Angriffsziele sind sowohl auf der staatlichen Ebene, als auch im privatwirtschaftlichen Bereich zu finden, wo Betriebs- und Geschäftsge-heimnisse ausgespäht werden. Zum Schutz sachsen-anhaltischer Unter-nehmen hält der Wirtschaftsschutz des Verfassungsschutzes ein umfangreiches Kooperations- und Beratungsangebot vor.
VII. Übersicht über das Personenpotenzial
2015 | 2016 | 2017 | |
Rechtsextremisten | |||
Parteigebundener Rechtsextremismus (Parteien) | 280 | 265 | 265 |
Parteiungebundener Rechtsextremismus | 390 | 410 | 350 |
Weitgehend unstrukturierter, meist subkulturell geprägter Rechtsextremismus | 800 | 800 | 760 |
Summe: | 1.470 | 1.475 | 1.375 |
Gesamt (nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften) | 1.400 | 1.400 | 1.300 |
Linksextremisten | |||
Gewaltbereite Linksextremisten, insbesondere Autonome |
230 | 230 | 230 |
Parteien und sonstige Gruppierungen, unter anderem die „Rote Hilfe“ |
250 | 260 | 260 |
Gesamt: | 480 | 490 | 490 |
Islamisten | Im mittleren zweistelligen Bereich | 150 | 200 |
Reichsbürger und Selbstverwalter
(inkl. Rechtsextremisten innerhalb dieser Szene) |
Nicht erfasst | 330 | 450 |
PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) | 200 | 250 | 250 |
GESAMTZAHL aller Extremisten in Sachsen-Anhalt (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) | 2.590 | 2.655 |
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