Liebich Prozess: „Aus Hass macht der Angeklagte Profit.“
Am Montag, dem 07.09.2020, wurde der Prozess vor dem Amtsgericht Halle (Saale) gegen den Neonazi Sven Liebich fortgesetzt. An diesem vierten von fünf geplanten Verhandlungstagen wurde die Beiweisaufnahme abgeschlossen und Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung hielten ihre Plädoyers.
Auch ein letzter Versuch Liebichs, im Rahmen der Beweisaufnahme seine Unschuld zu beweisen, oder zumindest die Argumente der Anklage zu entkräften, lief ins Leere: das Beweismittel der Verteidigung entpuppte sich als Fiasko für den Angeklagten. Das abgespieltes Video einer ZDF-Sendung erklärte eindrücklich, wie vor allem rechte Strukturen mit Fake-News und Fake-Profilen Meinungs- und Stimmungsmache im Netz betreiben. Ganz das Gegenteil von dem, was Liebich und sein Anwalt bezwecken wollten.
„Der Angeklagte versucht in den öffentlichen Raum hinein zu wirken, auch politisch.“, war einer der ersten Sätze im Plädoyer von Oberstaatsanwalt Ulf Lenzner. Jedoch sei ein Politischer Diskurs nur mit wahren Voraussetzungen möglich. „Wenn dies nicht der Fall ist, so bleibt nur nackte Propaganda, nackte Agitation“, so Lenzner. Ein Diskurs der auf Lügen aufbaue, sei vom öffentlichen, politischen Diskurs von vorneherein ausgeschlossen.
Im weiteren Verlauf ging Lenzner auf die einzelnen Anklagepunkte ein und machte unter anderem deutlich, dass der Angeklagte wiederholt Menschen mit Tieren gleichsetze, die in der Allgemeinheit als ekelhaft betrachtet würden und jederzeit der Vernichtung anheim fallen könnten. Liebich hatte Teilnehmer einer Demonstration vor dem ehemaligen IB-Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße als Schaben und Zecken bezeichnet.
Zu den Anklagepunkten der Volksverhetzung durch die Verbreitung von diversen Aufklebern sagte Lenzner, der Angeklagte betreibe die pauschale Verunglimpfung von Einwanderern, indem er behaupte, diese würden alle Straftäter werden. Diese Behauptung sei schlicht falsch, schüre Hass und störe das vorurteilsfreie Wahrnehmen von Wirklichkeit. „Was will er da transportieren?“, fragt Lenzner und gibt gleich die Antwort: „Die Intention ist klar – Menschen mit dunkler Hautfarbe sind Tiere.“. Dies sei Friedensstörend und fördere die Verrohung und Abstumpfung der Gesellschaft.
Bezüglich der Verleumdungen zum Nachteil von Frau Renate Künast und Martin Schulz stellte Lenzner erneut klar, dass die Sharepics mit den hierzu veröffentlichten Texten in keiner Weise durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien. Teile der Texte seien vom Angeklagten frei erfunden und bewusst platziert worden. Liebich habe es auch „formal nicht richtig gemacht, und das bewusst“.
Zum Abschluss das Strafmaß: Lenzner fordert für Liebich ein Jahr Gefängnis, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung sowie 200 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Es folgte das Plädoyer von Rechtsanwalt Erkan Zünbül, Vertreter der Nebenklage im Anklagepunkt der Verleumdung zum Nachteil von Frau Künast. Die Zersetzung der Menschen, die sich für Demokratie und eine bessere Welt einsetzen, sei Ziel des Angeklagten, so Zünbül. Liebich mache Geld aus dem Hass, den er verbreite. Zünbül weiter: „Die Meinungsfreiheit schützt keine Fake-News, sie schützt keinen Hass.“ Auch habe sich der Angeklagte durch vergangene Verurteilungen nicht abschrecken lassen und sei ein geistiger Brandstifter. Das Strafmaß lege die Nebenklage in die Hände des Gerichts, erklärte Zünbül. Gleichwohl beantragte er die Veröffentlichung des Urteils und dessen Begründung.
Ein politischer Aktivist, ja ein politischer Provokateur sei sein Mandant. So beginnt der Verteidiger. Auch wenn man seine Ansichten nicht teile, so mache Sven Liebich für andere deren Meinung öffentlich. Er und seine Äußerungen seien somit Teil der gesamtgesellschaftlichen Debatte und dabei seien die Ansichten des Angeklagten strafrechtlich nicht relevant. So dienten die Äußerungen des Angeklagten dem geistigen Meinungskampf.
Für Erheiterung sorgte der Satz des Verteidigers: „Der Angeklagte ist kein Journalist, er will auch keiner sein“. Denn nur rund 48 Stunden vorher hatte Liebich sich auf das Pressegesetz des Landes Sachsen-Anhalt berufen, als er Aufnahmen für seinen Youtube-Kanal anfertigte. Dort sei er als Pressevertreter anwesend gewesen, wofür man eben aufgrund des o. g. Pressegesetzes keine Legitimation benötigt, ist auf in seinem selbst gedrehten Video zu hören.
Der Verteidiger kommt nach Würdigung der vorgelegten Beweise zu dem Schluss, dass sein Mandant in allen Anklagepunkten frei zu sprechen sei. So seien die Liebich zur Last gelegten Verleumdungen sehr wohl von der Meinungsfreiheit gedeckt, denn auch unwahre Tatsachenbehauptungen seien durch den Art. 5 GG gedeckt. Als weiteres Argument führt der Verteidiger an, dass Herr Schulz ja anscheinend selber gar kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung habe, sonst wäre ja auch von ihm ein Nebenklagevertreter zum Prozess entsandt worden. In einem anderen Anklagepunkt sei die Gruppe aus Demonstrationsteilnehmern, unter Ihnen Torsten Hahnel von Miteinander e. V., nicht klar genug definiert, um hier den Straftatbestand der Beleidung erfüllt zu sehen.
Das letzte Wort gehört dem Angeklagten. Man bezichtige ihn hier Meinungsverbrechen und fordere nicht weniger als seinen Kopf, so Liebich. Seit 2016 sammelten verschiedenste Einzelpersonen und Gruppen krampfhaft Anklagepunkte gegen ihn. Die Medien hätten den Richter und den gesamten Prozess geframed. Zum Schluss zitiert Liebich, wie so oft, Sophie Scholl. Während des gesamten Verhandlungstages lag zudem eine weiße Rose auf dem Tisch vor Liebich.
Das Urteil soll am Montag, dem 14. September 2020, verkündet werden.











Neueste Kommentare