Kommentar: Mehr als Nostalgie – warum das Bahnmuseum Halle erhalten bleiben muss

Die geplante Schließung des Bahnmuseums in Halle (Saale) durch die Deutsche Bahn ist nicht nur ein lokales Ärgernis. Sie ist ein symbolischer Akt – mit großer Tragweite. Denn hier geht es nicht allein um ein paar alte Loks oder verstaubte Signale. Hier geht es um das kulturelle Gedächtnis einer Region, um gelebte Technikgeschichte und um das Selbstverständnis vieler Menschen, deren Biografien untrennbar mit der Eisenbahn verbunden sind.
Ein Stück ostdeutscher Identität wird ausgeblendet
Das Bahnmuseum Halle ist nicht irgendein Ausstellungsort unter vielen. Es steht mitten in einer Stadt, die über Jahrzehnte ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt war – nicht zuletzt zu Zeiten der Deutschen Reichsbahn der DDR. Viele Hallenser Familien erzählen Generationengeschichten, in denen Väter, Mütter, Großeltern bei der Bahn gearbeitet haben – als Lokführer, Fahrdienstleiterinnen, Werkstattmitarbeiter oder Signaltechnikerinnen. Diese Geschichten sind Teil der ostdeutschen Identität. Ihre Zeugnisse verschwinden still und leise, wenn ein Ort wie dieses Museum dichtmacht.
Dass ausgerechnet Halle – eine Stadt mit jahrzehntelanger Forschung, Technikentwicklung und Ausbildungsarbeit im Bahnsektor – nun lediglich auf den „Museumsbahnsteig“ in Leipzig verwiesen wird, zeigt, wie wenig Feingefühl die Bahnführung für regionale Kultur und Geschichte aufbringt. Ein Bahnsteig ist kein Museum. Keine Sammlung, keine Kuratorenarbeit, keine Vermittlung. Es ist bestenfalls ein Trostpflaster – und schlimmstenfalls eine Herabwürdigung des bisherigen Engagements.
Wirtschaftlich nicht lohnend – aber kulturell unbezahlbar
Natürlich kostet ein Museum Geld. Und ja, vielleicht rechnet sich eine festangestellte Mitarbeiterin auf dem Papier nicht, wenn man mit betriebswirtschaftlicher Brille auf das Projekt blickt. Aber öffentliche Museen sind keine gewinnorientierten Unternehmen. Sie sind Bildungsorte, Begegnungsstätten und emotionale Anker.
Gerade in Zeiten, in denen die Bahn Nachwuchsprobleme hat und Fachkräfte fehlen, wäre ein gut ausgestattetes, modernes Technikmuseum ein echter Pluspunkt. Kinder und Jugendliche, die dort mit glänzenden Augen auf eine Dampflok klettern oder eine Stellwerksanlage ausprobieren dürfen, könnten die Lokführer*innen, Techniker oder Planerinnen von morgen werden.
Ein Depot dagegen – geschlossen, dunkel, nicht zugänglich – kann diese Wirkung nicht entfalten. Es verkommt zum stillen Lager für Erinnerungen, die niemand mehr erzählt bekommt.
Ehrenamt mit Füßen getreten
Besonders bitter ist die Art und Weise, wie mit den vielen Ehrenamtlichen umgegangen wurde, die über Jahre hinweg mit viel Zeit, Herzblut und oft aus eigener Tasche den Museumsbetrieb am Leben gehalten haben. Dass diese Menschen per E-Mail quasi zeitgleich mit der Stadtspitze über die Schließung informiert wurden, ist mehr als ein kommunikativer Fehltritt – es ist ein Affront gegenüber dem bürgerschaftlichen Engagement, ohne das solche Einrichtungen schon lange nicht mehr existieren würden.
Tränen in den Augen, schlaflose Nächte – das sind keine Übertreibungen, sondern Ausdruck der tiefen Enttäuschung über eine Entscheidung, die als sachlich verkauft wird, aber emotional schwer wiegt.
Ein falsches Signal – 35 Jahre nach der Einheit
Dass dieser Schritt ausgerechnet in einem Jahr geschieht, in dem sich die deutsche Wiedervereinigung zum 35. Mal jährt, ist ein fatales Signal. Während ostdeutsche Standorte zunehmend strukturell benachteiligt werden, während Rentenangleichung, Lohnunterschiede und Unternehmenszentralen weiterhin ein Thema sind, empfindet mancher diese Museumsschließung als weiteren kleinen, aber schmerzhaften Schnitt in das ohnehin fragile Gefühl gleichwertiger Anerkennung.
Was in Nürnberg und Koblenz erhalten bleibt, soll in Halle nicht mehr nötig sein – obwohl die Bahn in Halle mindestens ebenso tief verwurzelt ist. Das ist nicht zu vermitteln. Nicht sachlich, nicht emotional, nicht politisch.
Forderung nach Umdenken und Dialog
Die Deutsche Bahn sollte diese Entscheidung dringend überdenken. Nicht allein aus Rücksicht auf emotionale Befindlichkeiten, sondern aus kluger strategischer Überlegung: Wer seine Geschichte vergisst, verliert seine Wurzeln. Wer die Orte schließt, an denen diese Geschichte erzählt wird, verliert Menschen – Kunden, Nachwuchs, Identifikation.
Es braucht nun einen offenen Dialog mit Stadt, Land und engagierter Zivilgesellschaft. Es braucht kreative Modelle, wie das Museum vielleicht gemeinsam getragen, neu konzipiert oder erweitert werden kann. Und es braucht das Eingeständnis, dass Kultur nicht nur dann wertvoll ist, wenn sie Gewinne abwirft.
Halle verdient ein Bahnmuseum. Die Ostdeutschen verdienen, dass ihre Geschichte sichtbar bleibt. Und die Deutsche Bahn sollte zeigen, dass sie nicht nur Züge, sondern auch Verantwortung für das kulturelle Erbe dieses Landes bewegt.
Wenn man als BA-Absolvent eine wirklich ordentliche Stange an Geld bekommt und von der 40 h-Woche effektiv vllt. 4 Stunden arbeiten muss ohne irgendwelche Nachweispflichten oder dergleichen (Quelle aus >erster< Hand), dann wundert es mich nicht, dass das Geld andersweitig fehlt.
Eine Frechheit, ein Affront, eine Sauerei, die ihresgleichen sucht. Und das wegen einer, einer einzigen Personalstelle, während andersweitig im Unternehmen Millionen für nichts verschwendet werden. Traurig und tatsächlich wahr…
Die Kommentare des Autors sind im Allgemeinen recht befremdlich, aber dieser hier toppt alles Bisherige.
Allein schon das Artikelbild macht das sehr deutlich. Diese Dampfloks stammen aus einer Zeit, als es die ehemalige DDR noch gar nicht gab. Diese Loks wurden zu Tausenden gebaut und sind in ganz Deutschland in zig Bahnmuseen zu sehen. Dafür braucht es in Halle kein Bahnmuseum.
Und was die DDR-Loks angeht: Es gibt in den neuen Bundesländern/ Ostdeutschland zig Museen mit Loks aus der ehemaligen DDR. Auch an dieser Stelle ist ein Bahnmuseum verzichtbar.
Fakt ist, dass die Deutsche Bahn in enormen Schwierigkeiten steckt, finanziell und auch organisatorisch. Von daher ist es absolut richtig, sich vom Ballast der (ziemlich) teuren Vergangenheit zu befreien. Es braucht heute und in Zukunft zuverlässige und schnelle Bahnverbindungen und keine Sammlung von Altmaterial, das in Deutschland noch reichlich vorhanden ist.