Halles Erzieher machen sich Sorgen zu präventiven Schutzmaßnahmen
In der Corona-Krise sind die Kitas in Halle geschlossen, es findet nur eine Notbetreuung statt. Und für einen Regelbetrieb gibt es noch immer keinen Zeitplan. Mit einem offenen Brief wenden sich nun Erzieher aus der Saalestadt an die Politiker. Darin werden Sorgen zu präventiven Schutzmaßnahmen geäußert. Die Erzieher fragen sich, wie denn die Betreuung unter Berücksichtigung der Hygienestandards in den Einrichtungen organisiert werden könnte. Hier seien dringend konkrete Handlungsleitfäden nötig. Auch brauche es klare Regelungen für die Kollegen, die einer Risikogruppe angehören. Zudem müsse der Personalschlüssel unter Berücksichtigung des risikobedingten Fehlens einzelner Kollegen angepasst werden. Eine Verbesserung der Hygienestandards sei außerdem nötig. „Wir brauchen Schutzausrüstung und geeignetes Desinfektionsmittel“, heißt es in dem Schreiben.
Offener Brief in voller Länge:
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist uns heute ein dringendes Bedürfnis uns im Namen aller Erzieher, mit diesem offenen Brief, bei Ihnen Gehör zu verschaffen.
Im Rahmen des neuen Erlasses vom 27.04.2020 und vom 02.05.2020, welcher die Lockerungen der Kita-Notbetreuung betrifft, ist es uns nicht entgangen, dass ein Großteil unserer Kollegen sich zunehmend Sorgen über die präventiven Schutzmaßnahmen macht. Dies betrifft Erzieher, Leitungen und Kinder in den Einrichtungen gleichermaßen.
Natürlich ist die Entlastung der Familien zu Hause notwendig und wir haben großes Verständnis dafür, dass hier eine Entwicklung diesbezüglich stattfinden sollte. In anderen Feldern der pädagogischen Arbeit jedoch, wir verweisen hier auf die Lehrkräfte der Stadt Halle, werden Konzepte erarbeitet, um Personal und Kinder zu schützen. Ferner wird daran gearbeitet, stufenweise in die Normalität zurück zu kehren.
Wir in den Kindereinrichtungen können bisher die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen nur schwer oder gar nicht einhalten. (Mund- und Nasenschutz, Verzicht auf Körperkontakt, Abstandsregelungen, etc.) Aufgrund der Bindung und des sensiblen Alters der Kinder, sind uns da aus fachlichen Gründen Grenzen gesetzt. Wir haben den Eindruck, dass sich über die Berufsgruppe der Erzieher keinerlei Gedanken gemacht wird. Aber auch wir machen uns Sorgen und haben Angst, was unsere Gesundheit betrifft!!!
Es ist selbstverständlich
nicht unser Bestreben ausschließlich zu klagen. Vielmehr haben wir im Gespräch
mit einigen Kollegen praxisnahe Lösungsideen besprochen. Die wir Ihnen gerne
auf diesem Weg mitteilen möchte.
Hier unsere Vorschläge:
- Wie soll die Betreuung unter Berücksichtigung der Hygienestandards in den Einrichtungen organisiert werden? – Wir brauchen hier dringend konkrete Handlungsleitfäden für die Einrichtungen und Träger, oder die Möglichkeit der Selbstentscheidung und die damit verbundene Akzeptanz dieser Entscheidungen, durch öffentliche Stellen.
- klare Regelungen für die Kollegen, die einer Risikogruppe angehören (Welcher Arbeitsort und welche Aufgaben oder Anforderungen sind für diese vorgesehen? Konkrete Möglichkeiten!?)
- Neubemessung der jeweiligen Personalschlüssel unter Berücksichtigung des risikobedingten Fehlens einzelner Kollegen.
- Verbesserung der Hygienestandards (Material, entsprechendes Personal) Wir brauchen Schutzausrüstung und geeignetes Desinfektionsmittel
- Bei der Entscheidung zu den Härtefällen durch den Fachbereich Bildung wünschen wir uns eine bessere Kommunikation. Die bereits durch die Leitungen gefällten Entscheidungen, werden durch den Fachbereich teilweise zurückgenommen, ohne unsere Hintergründe abzufragen. Dies hat zur Folge, dass Konflikte entstehen und dass für Kinder, deren Eltern einen tatsächlichen Anspruch haben, im Bedarfsfall kein Platz vorhanden ist. Hier geben wir auch zu bedenken, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen den Eltern und der Kita, auch nach der Pandemie, konfliktfrei und harmonisch ablaufen soll.
- Wir schlagen vor, Antikörpertests durchzuführen und alle Kollegen in den Kinder- und Jugendeinrichtungen auf eine mögliche Corona-Infektion zu testen.
- Für die Organisation in den Einrichtungen ist es denkbar ungünstig, neue Beschlüsse über das Wochenende zu erlassen. Die Handlungsfähigkeit und die Umsetzung der Beschlüsse ist direkt nach dem Wochenende kaum möglich. Hier ist eine gewisse Vorbereitungszeit dringend notwendig!
- Wichtig für die tägliche, fortlaufende Arbeit in den einzelnen Häusern, ist eine Wiederaufnahme der LQE-Verhandlung erforderlich.
- In den täglichen Pressekonferenzen wird kommuniziert, dass die Kitas geschlossen sind und ausschließlich eine Notbetreuung stattfindet. Derzeit liegt der Betreuungsschlüssel in der Notbetreuung bei einem Erzieher und 12 Kindern, im Altersbereich 3-6 Jahre. Hier stellt sich uns die Frage der Verhältnismäßigkeit. Dies ist der reguläre Betreuungsschlüssel. Wie ist das mit einer Notbetreuung zu vereinbaren?
Wir resümieren mit der Erkenntnis, dass es für unsere Berufsgruppe an Wertschätzung und Anerkennung fehlt. Täglich nehmen wir unsere Arbeit ohne Mundschutz, ohne Handschuhe und ohne Abstand, mit Herz und Hingabe auf. Wir nehmen Kinder in den Arm, trösten und trocknen Tränen und Nasen.
Wir danken Ihnen für Ihr offenes Ohr und wünschen uns eine Reaktion dahingehend, dass konkrete Überlegungen angestrebt werden. Wir bitten sehr darum, die Sorgen und Ängste der Kollegen unbedingt ernst zu nehmen. Wir wünschen uns, dass schnellstmöglich gehandelt wird. Da es sich hier um einen offenen Brief handelt, liegt es uns sehr am Herzen unsere Meinung auch öffentlich bekannt zu machen.
Liebe Grüße, die Verfasser Lukas und Sandra – und viele andere Erzieher dieser Stadt










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