Jugendhilfe in der Saalestadt explodiert: Über 100 Millionen Euro im neuen Haushalt für „Hilfen zur Erziehung“ (HzE)

Zum ersten Mal in der Geschichte der Saalestadt durchbrechen die Ausgaben für die „Hilfen zur Erziehung“ (HzE) die Schwelle von 100 Millionen Euro. Das geht aus dem aktuellen Haushaltsentwurf hervor. Rechnet man alle relevanten Positionen zusammen, belaufen sich die Kosten für das kommende Jahr auf 100,8 Millionen Euro – eine Entwicklung, die nicht nur finanzpolitisch für Aufmerksamkeit sorgt.
Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lagen die Ausgaben noch bei weniger als der Hälfte. Diese markante Steigerung erklärt sich unter anderem durch gestiegene Personal- und Sachkosten, aber auch durch den Umstand, dass immer mehr Kinder und Jugendliche auf betreuende Maßnahmen angewiesen sind.
Ein Kostenfaktor waren zuletzt auch die Ausgaben für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge / Asylbewerber (UMA). Im laufenden Jahr beliefen sich die Kosten dafür noch auf 5,7 Millionen Euro. Für das kommende Jahr sind im Haushalt jedoch lediglich 920.000 Euro eingeplant – eine Reduktion, die vor allem darauf zurückzuführen ist, dass viele der jungen Geflüchteten inzwischen volljährig geworden sind.
Doch Entwarnung gibt es nicht: Während die UMA-Kosten sinken, steigen die Ausgaben für volljährige junge Menschen sowie für Eingliederungshilfen deutlich an. Diese Übergänge im Leistungssystem sorgen in der Summe weiterhin für hohen finanziellen Druck.
Stadt will gegensteuern – neues Pflegekonzept geplant
Im Rahmen des Haushaltskonsolidierungskonzepts plant die Stadtverwaltung nun gezielte Maßnahmen zur Kostenreduzierung. Ein zentrales Vorhaben ist ein neues Kinderpflegekonzept, das auf den Ausbau der Pflegeelternstrukturen setzt. Ziel ist es, mehr Pflegefamilien zu gewinnen, um dadurch die besonders kostenintensiven stationären Heimunterbringungen zu reduzieren.
Nach Schätzungen der Verwaltung könnten allein durch diese Maßnahme bis zu 10 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Neben der finanziellen Entlastung hofft man auch auf mehr individuelle Betreuung und bessere Entwicklungschancen für betroffene Kinder und Jugendliche. Das Konzept soll Ende November vorgestellt werden.
Die „Hilfen zur Erziehung“ (HzE) sind gesetzlich verankerte Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 27 ff. SGB VIII). Sie reichen von ambulanten Unterstützungsangeboten für Familien über Tagesgruppen bis hin zu stationären Unterbringungen in Wohngruppen oder Heimen. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern und Familien in Krisensituationen zu unterstützen. Sie reichen in der Regeln bis 21 Jahre, in Ausnahmefällen auch bis 27 Jahre.
Forderungen von Hauptsache Halle
„Niemand möchte bei Kindern und Jugendlichen, die auf Unterstützung angewiesen sind, sparen – das ist für mich völlig außer Frage“, betont Wels. „Aber wir müssen uns ehrlich fragen, ob die eingesetzten Mittel auch die gewünschte Wirkung erzielen. Immer mehr Geld auszugeben, heißt nicht automatisch, bessere Ergebnisse zu erreichen.“
Die Hilfen zur Erziehung sind ein zentraler Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe und unterstützen Familien in schwierigen Lebenslagen. Doch während die Einwohnerzahl der Stadt Halle seit Jahren stagniert oder leicht sinkt, steigen die Ausgaben in diesem Bereich rasant an. Wels sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf: „Wir brauchen endlich ein transparentes Controlling, das zeigt, welche Maßnahmen tatsächlich helfen – und welche möglicherweise kaum noch Wirkung entfalten. Wir müssen wissen, ob wir mit 100 Millionen Euro tatsächlich bessere Hilfen bieten als andere Städte, die deutlich weniger Geld ausgeben.“
Wels fordert die Verwaltung und den Oberbürgermeister auf, hier schnell und entschlossen zu handeln. Dazu gehöre auch, externe Expertise einzubinden, um die Strukturen kritisch zu prüfen. „Es darf nicht sein, dass wir Jahr für Jahr mehr Millionen bereitstellen, ohne genau zu wissen, ob die Hilfe wirklich ankommt und nachhaltig wirkt. Das ist weder den Familien noch den Steuerzahlern vermittelbar.“
Die Ankündigung der Stadtverwaltung, ein neues Pflegekonzept zu erarbeiten, das verstärkt auf Pflegeeltern setzt, bewertet Wels grundsätzlich positiv. Allerdings mahnt er an, dass es nicht bei bloßen Konzepten bleiben dürfe: „Solche Prozesse dauern oft Monate oder Jahre – die Zeit haben wir nicht. Wir brauchen jetzt belastbare Daten, schnelle Entscheidungen und klare Steuerung. Wenn nötig, müssen auch Übergangsmaßnahmen eingeleitet werden, um die Kostenexplosion zu stoppen.“
„Es geht nicht darum, weniger Geld auszugeben – sondern darum, Geld sinnvoller einzusetzen. Man kann auch ein sehr teures Auto kaufen, aber ob es besser fährt, zeigt sich erst auf der Straße. Genau so ist es mit den Hilfen zur Erziehung: Entscheidend ist, was am Ende wirklich bei den Kindern und Familien ankommt.“
Für Wels und die Fraktion Hauptsache Halle ist klar: Hilfen zur Erziehung sind unverzichtbar – aber sie brauchen klare Ziele, überprüfbare Wirkung und verantwortungsvolles Controlling, um langfristig sozial gerecht und finanziell tragfähig zu bleiben.
An Kindern und Jugendlichen zu sparen, halte ich für keine gute Idee. Da gibt es gibt ganz andere Haushaltspositionen, bei denen man sparen könnte, ohne dass sich das negativ auswirkt. Beispiele wären die Verwaltung und die Kultur“förderung“.