Rund 300 Teilnehmer beim Ostermarsch in Halle (Saale) – Forderungen nach Abrüstung, Neutralität und sozialer Gerechtigkeit

Am Ostersonntag fand in Halle (Saale) ein Ostermarsch statt, organisiert vom neugegründeten Friedensbündnis Halle, das damit an die jahrzehntelange Tradition der Ostermärsche in Westdeutschland anknüpfen will. Rund 300 Menschen beteiligten sich an der Veranstaltung, die unter dem Motto „Frieden braucht Mut – und Dich!“ stand. Die Teilnehmenden zogen vom Marktplatz durch zentrale Orte der Stadt, darunter der Universitätsplatz, die Kleine Ulrichstraße und die Würfelwiese, auf der zahlreiche Familien das Osterwochenende verbrachten. Mit bunten Fahnen, politischen Transparenten und deutlichen Worten setzten die Teilnehmer ein Zeichen gegen Militarisierung und für eine friedensorientierte Politik.

Ein Marsch gegen Krieg, Aufrüstung – und das Vergessen

Die Ostermärsche blicken auf eine lange Geschichte zurück: Bereits in den 1960er Jahren demonstrierten Friedensbewegungen gegen Atomwaffen, NATO-Aufrüstung und später gegen den Vietnamkrieg. In Halle sei nun das Ziel, diese Tradition auch im Osten der Republik zu etablieren, erklärte Mitinitiator Geralf Tuschy, der die Veranstaltung mit einer eindringlichen Rede eröffnete. Er verlas zentrale Forderungen, die von einem konsequenten Bruch mit der aktuellen deutschen Sicherheitspolitik zeugen: Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, keine deutschen Soldaten im Ausland, kein Wiedererstarken der Wehrpflicht und keine Umstellung der Wirtschaft auf Kriegswirtschaft. Auch die Kritik an der „Aushöhlung demokratischer Grundrechte“ sowie der Umgang mit Geflüchteten wurden deutlich angesprochen.

„Die Erde brennt. Es sind die Feuer der Kriege – und Deutschland zündelt kräftig mit“, zitierte Tuschy aus dem Aufruf des Bündnisses. Mit Blick auf politische Entscheidungsträger warf er „kriegsfördernde Rhetorik“ und eine gefährliche politische Eskalation vor.

Einstein, Bismarck und Taurus-Raketen: Reiner Braun warnt vor Krieg mit Russland

Besonderes Aufsehen erregte der Beitrag von Reiner Braun, der sich seit Jahrzehnten in der internationalen Friedensbewegung engagiert. Als Mitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit e.V. sowie im Vorstand des Internationalen Friedensbüros (IPB) ist Braun eine prominente Stimme gegen Rüstung und für Dialogpolitik.

Mit einem Zitat von Albert Einstein leitete er seine Rede ein: „Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde…“. Es war der Auftakt zu einer leidenschaftlichen Kritik an der Bundesregierung. Die geplante Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine bezeichnete er als „Kriegserklärung an Russland“, die verhindert werden müsse: „Wir sagen deutlich Nein – wir lassen uns nicht kirre machen!“, rief Braun unter tosendem Applaus.

Auch die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland lehnte Braun kategorisch ab und rief zur Unterstützung des sogenannten „Berliner Appells“ auf, mit dem Friedensinitiativen derzeit bundesweit Unterschriften sammeln.

Für Braun ist der Wandel in der sicherheitspolitischen Debatte bezeichnend: „Heute heißt Pazifismus Aufrüstung – das ist absurd“, sagte er und nahm dabei auch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ins Visier, der die Notwendigkeit von Rüstung betont hatte. Für Kretschmann bedeutet heutiger Pazifismus Aufrüstung. „Dümmer kann man es kaum noch ausdrücken“, so Braun. Er verwies auf die immensen globalen Rüstungsausgaben – 2,6 Billionen Euro weltweit jährlich, während eine Milliarde Kinder hungere, Schulen verfallen und Gesundheitssysteme kollabieren würden.

SDAJ: Jugend will Frieden statt Wehrpflicht und Kanonenfutter-Rhetorik

Auch die junge Generation meldete sich auf dem Ostermarsch zu Wort – vertreten durch einen Redner der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). In einer kämpferischen Rede wandte er sich gegen die wiederaufgeflammte Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Diese werde medial als „Privileg“ verkauft, während die Realität in der Bundeswehr von Machtmissbrauch, rechtsextremen Netzwerken, sexueller Gewalt und Vertuschung geprägt sei.

„Sollen wir dankbar sein? Für Lehrermangel, marode Schulen, unbezahlte Praktika und kaputte Studiengänge?“ fragte der Redner. Statt Rekrutierung fordere die Jugend kritisches Denken, soziale Sicherheit, Bildung und Frieden. Die Wehrpflicht – auch für Frauen – bringe keine Gleichberechtigung: „Weder in der Kaserne noch im Schützengraben.“ Vielmehr sei sie ein Ausdruck wachsender Militarisierung, die man konsequent ablehne.

Auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die dauerhafte Stationierung von 5.000 Soldaten in Litauen wurden als Eskalation und sicherheitspolitischer Irrweg kritisiert.

Symbole, Botschaften und internationale Solidarität

Auf den Straßen Halles waren neben den bekannten Friedensfahnen auch palästinensische Flaggen sowie T-Shirts mit dem Slogan „Free Palestine“ zu sehen – Ausdruck einer breiten internationalen Solidarität. Auf Plakaten las man Slogans wie „Raus aus der NATO“, „Frieden wagen“ oder den Klassiker der DDR-Friedensbewegung: „Schwerter zu Pflugscharen“. Einige Teilnehmende trugen Buttons mit der russischen Flagge und dem Slogan „Ich bin nicht im Krieg mit Russland“.

Unter anderem sangen Teilnehmer den Friedensklassiker „Give Peace a Chance“ von John Lennon. Immer wieder riefen die Demonstrierenden: „Hoch die internationale Solidarität!“