Vize-Jugendchef droht seinen Schützlingen in der Feuerwehr Passendorf

Um Skandale offenbar nicht verlegen, hat die Leitung der Freiwilligen Feuerwehr Halle-Passendorf jetzt für einen weiteren Eklat gesorgt. Nachdem in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem gut ausgebildete Führungskräfte die ehrenamtliche Einheit am westlichen Stadtrand von Neustadt verlassen haben, darunter der ehemalige Wehrleiter, haben nun auch Mitglieder der dortigen Jugendfeuerwehr, also der wichtigen Nachwuchsabteilung, ihr Gehen angekündigt.
Wichtigster Grund ist nach Informationen von dubisthalle.de, dass der stellvertretende Jugendfeuerwehrwart der Passendorfer Feuerwehr den beiden bisherigen Sprechern der Gruppe offen Disziplinarmaßnahmen angedroht hat. Die gewählten Vertreter der Jugendfeuerwehr hatten auf einer Sitzung ihres Stadtforums offen über Missstände in ihrer Wehr berichtet. Daraufhin kam es anscheinend zu offenen Drohungen der Leitung der Freiwilligen Feuerwehr gegen die Jugendlichen. Die beiden betroffenen Jugendlichen sollen inzwischen Ihrer Ämter enthoben und Neuwahlen für die Sprecher-Posten in der Jugendfeuerwehr Passendorf durchgeführt worden sein. Hierzu gibt es jedoch unterschiedliche Angaben, daher ist die aktuelle Situation noch unklar.
Die Funktionen der Sprecher sind wichtig, weil sie unter anderem das Demokratieverständnis innerhalb der Jugendfeuerwehr fördern sollen. Jede Jugendfeuerwehr entsendet dafür ihre Jugendsprecher zum Jugendforum der Stadtjugendfeuerwehr, von dort trägt ein gewähltes Mitglied Anliegen an die Landesvertretung weiter, die wiederum Sachsen-Anhalt auf Bundesebene in der Deutschen Jugendfeuerwehr vertritt. Auf Stadtebene haben die Passendorfer Vertreter nun ihrem Unmut Luft gemacht und dafür offenbar mit ihrem Posten bezahlt.
Die Sprecher kritisierten, dass ihre Jugendgruppe auf Weisung der Wehrleitung und der Jugendfeuerwehrführung an keinerlei Veranstaltungen wie Umweltaktionen, Sportturnieren oder Zeltlagern mehr teilnehmen kann und darf. Zuletzt sei auch der beliebte „Tag bei der Berufsfeuerwehr“ abgesagt worden, bei dem die Mädchen und Jungen zwischen 10 und 18 Jahren einen fiktiven 24-Stunden-Dienst in Ihrem Gerätehaus ableisten. Wie zu erfahren war, habe die Jugendfeuerwehr auch an der Gestaltung ihrer eigenen Weihnachtsfeier kein Mitspracherecht gehabt.
Offen hätten die Nachwuchsretter auch gefragt, was denn mit ihrem Monatsbeitrag von 2,50 Euro geschehe, wenn sie an keinerlei Veranstaltungen mehr teilnehmen könnten. Fragen, die in der Passendorfer Feuerwehr nicht zum ersten Mal auftauchten. Finanzielle Ungereimtheiten gibt es dort seit Monaten, beispielsweise geht es um die Zahlung von Aufwandsentschädigungen für Leitungskräfte. Das Wort „Untreue“ macht in diesem Zusammenhang die Runde.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hätten der Vize-Jugendchef und der Vize-Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr, wohl im Auftrag ihres ohnehin angeschlagenen Chefs, den Jugendfeuerwehrleuten gedroht. In anderen Feuerwehren seien sie „längst rausgeworfen worden“. „Lügen und absoluter Vertrauensbruch“ nannte der stellvertretende Wehrleiter die offene Kritik seiner Schützlinge. Das durch die Wehrleitung, konkret durch den stellvertretenden Jugendwart, angedrohte Disziplinarverfahren dürfte freilich nicht zustande kommen. Vielleicht durch Unwissenheit: Denn derlei Sanktionen richten sich in der Regel gegen Dienstvergehen von Beamten, unter 18-Jährige dürften dieser Berufsgruppe kaum angehören.
In der Freiwilligen Feuerwehr Halle-Passendorf brodelt es seit Monaten. Die Leitung der Truppe verfügte etwa Hausverbote gegen ehemalige und noch aktive Mitglieder, die vom Verwaltungsgericht kurzerhand wieder aufgehoben wurden. Ausschlussverfahren und auch per Gericht für unzulässig erklärte Suspendierungen gegen einzelne Kameraden durch den Wehrleiter gehören inzwischen zum Tagesgeschäft. Alle Verfahren verloren Feuerwehr und Stadt bisher. Die offenbare Unwissenheit des Wehrleiters bezahlte in allen Fällen der Steuerzahler. Derzeit sind, so ist zu erfahren, mindestens zwei Klagen gegen die Feuerwehr Passendorf, also auch gegen Stadt, anhängig und in Vorbereitung. Die oberste Leitung der Feuerwehr Halle sieht aber offenbar keinen Anlass, dem augenscheinlichen Führungsversagen, das nun auch auf Jugendliche übergreift, Einhalt zu gebieten.
Dabei hat das dem Leiter der Passendorfer Feuerwehr von einem halleschen Juristen für Kommunalrecht attestierte „Führen nach Gutsherrenart“ inzwischen ernsthafte Folgen. In den vergangenen drei Monaten haben mindestens acht wichtige Einsatzkräfte die Feuerwehr wegen des Handelns des Wehrleiters verlassen. Darunter Führungskräfte, Spezialisten für Chemieunfälle und Atemschutzgeräteträger. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage im Raum, ob die Wehr aufgrund des fehlenden Personals nur mit Verspätung am 9. Januar dieses Jahres zu einem gemeldeten Wohnungsbrand in Halle-Neustadt ausrücken konnte. Die Frage, ob gesetzliche festgelegte Hilfsfristen wegen des angespannten Verhältnisses innerhalb der Einheit noch eingehalten werden können, wird sicherlich in den kommenden Wochen besprochen werden müssen.
Ob solche Gespräche jedoch wirklich noch geführt und eventuelle Ergebnisse Auswirkungen haben werden, ist offen. Der angeschlagene und immer mehr in die öffentliche Kritik rückende Wehrleiter habe, so ist aus verschiedenen Quellen zu vernehmen, gegenüber seiner Jugendgruppe bereits zu deren Weihnachtsfeier im Dezember vergangenen Jahres angekündigt im März dieses Jahres ohnehin zurücktreten zu wollen. Dann, so der Mann, übernehme die Berufsfeuerwehr Halle die Leitung der Freiwilligen Feuerwehr Halle-Passendorf.
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