Erinnerung, Hoffnung, Dankbarkeit: Organspende-Park am Holzplatz in Halle wächst weiter – drei neue Bäume symbolisieren das Leben – Widerspruchslösung für Organspende gefordert

Der Park des Dankens, des Erinnerns und des Hoffens auf dem Holzplatz in Halle (Saale) wächst. Am Samstag wurden drei weitere Bäume gepflanzt: eine Linde, ein Gingko und ein Amberbaum. Damit stehen mittlerweile 77 Bäume im Organspendepark. “Bei den Baumbesuchen kommen Gedanken und Erinnerungen, und Sie sind ganz nah bei ihren Angehörigen, den Spendern und Spenderinnen”, sagte Dr. Judith Marquardt, Beigeordnete für Kultur und Sport. “Für uns ist das ein wunderbarer Ort des Lebens.” Durch die Schule in der Nähe seien viele junge Leute unterwegs, Turnhalle, Planetarium, WUK-Theater und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG sind ganz in der Nähe. Durch den Saaleradweg kommen auch viele Menschen vorbei. “Und alle freuen sich an diesen Bäumen.”

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Eine der Ideengeberinnen für den Park war Christa Wachsmuth, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Stiftung Organspende. Wie sie sagte, hätten Mitstreiter des Vereins zur Förderung des Organspende den Wunsch gehabt, Bäume zu pflanzen. Daraufhin sei man auf die Stadt Halle zugegangen und habe das 30.000 Quadratmeter große Areal am Holzplatz zur Verfügung gestellt bekommen. “Sehr groß. Aber es war eine Industriebrache, kein Stück Gras”, erinnerte sie sich an die Anfänge. 800 Tonnen Geröll und Schutt wurden durch die Stadt abtransportiert, Stück für Stück wurde der Bereich eine grüne Oase, im Jahr 2008 konnten die ersten Bäume gepflanzt werden. Für Wachsmuth ist der Park wichtig, “denn die gesellschaftliche Akzeptanz für Organspende ist noch nicht da, wo wir sie haben wollen.” Sie appellierte an die Politik, die Widerspruchslösung ein. “Ohne die kommen wir nicht voran.” Das heißt: Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel in einem Widerspruchsregister, können Organe zur Transplantation entnommen werden.

Den Amberbaum hat ein Herztransplantierter gemeinsam mit seiner Tochter und Vertretern der DSO gepflanzt. “Nach vielen Monaten auf der Warteliste habe ich den Anruf bekommen”, erklärte er. Mit dem Baum wolle er sich bei den Angehörigen des Spenders bedanken. Eine Linde wurde durch die Eltern eines Jungen gepflanzt, der im Alter von 13 Jahren verstorben ist und dessen Organe gespendet wurden. Der Junge hatte sich selbst im Vorfeld dafür ausgesprochen. “Mama, wenn mir irgendwas passiert, möchte ich meine Organe spenden”, zitierte ihn die Mutter. “Und diesen Wunsch haben wir ihm erfüllt.” Mit dem Baum wolle man die Erinnerung an das verstorbene Kind wachhalten. “Eine Linde steht für Liebe, Gerechtigkeit und Frieden. Unser Sohn kann nicht weiterleben, Aber der Baum kann wachsen und leben.”

“Heute ist ein ganz besondere Tag für mich und meine Ehefrau”, meinte ein Herz-Empfänger, der einen Gingko-Baum gepflanzt hat. Die Entscheidung dafür sei ihm leicht gefallen. “Dieser Baum steht für Zuversicht und Hoffnung. Er gilt als medizinisch heilend, robust, er kann den unmöglichsten harten Bedingungen standhalten und er steht vor allem für das Wiederleben.”  Die zweigeteilten Blätter gelten als Symbol für die konfuzianische Philosophie des Yin und Yang, wonach sich Gegensätze anziehen. “Zum Beispiel gute Zeiten, schlechte Zeiten. Himmel und Erde. Organspender, Organempfänger. Leben und Tod. Das Eine existiert nicht ohne das andere.” Ihre Hochzeitsreise führte sie einst nach New York, dort waren sie im Restaurant “Windows on the world” im World Trade Center. Nach dessen Zerstörung bei einem Terroranschlag hat ein Ginkgobaum in den Trümmern überlebt, wurde wieder aufgepäppelt und steht wieder am Platz vor dem einstigen WTC. Für ihn ein weiterer Grund, sich für  diesen Baum zu entscheiden. Doch den 34. Hochzeitstag konnte das Paar nicht in New York verbringen. “Ich lag im Herzzentrum der Charité”, sagte er. “Wir wussten nicht, ob wir das 35-Jährige Jubiläum nochmal zusammen verbringen werden.” Dank seines Spenderherzens könne er seit zweieinhalb Jahren wieder jeden Tag aufblühen wie der Ginkgo am World Trade Center. 

Auch ein vor 2 Jahren begonnenes Ritual wurde fortgesetzt: Von Angehörigen individuell gestaltete Erinnerungssteine wurden im Park zum Gedenken an den Menschen, dessen Andenken sie bewahren wollen, niedergelegt. PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, Fachressortleiterin Angehörigenbetreuung der DSO, dazu: „Es ist schön zu sehen, wie diese Begegnungsstätte im Park in jedem Jahr weiterwächst – durch die Zahl der gepflanzten Bäume, aber auch durch ein dauerhaftes Kunstwerk, das demnächst aus den mehreren Hundert Erinnerungssteinen entstehen wird.“

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Tagung und Angehörigentreffen in der Händelhalle

Begonnen hatte der Tag zunächst bei einer Tagung in der Händelhalle.Im Januar 2021 begann das zweite Leben von Christa Petsch: Schon länger stand sie auf der Warteliste für eine Leber und eine Niere, da ihre eigenen Organe kaum mehr arbeiteten. Den Tag, als der erlösende Anruf aus der Klinik kam, dass sie Leber und Niere eines verstorbenen Spenders erhalten würde, wird die mittlerweile 64-Jährige nie vergessen. Ihr war sofort klar, dass sie der erfüllenden Dankbarkeit für dieses lebensrettende Geschenk von 2 Organen Ausdruck verleihen möchte. Sie verfasste Dankesbriefe an die Familie des Spenders, aber noch wichtiger ist ihr ein anderer symbolträchtiger Akt: Nur wenige Monate nach der Transplantation, im Oktober 2021, pflanzte sie einen Baum im Park des Dankens, des Erinnerns und des Hoffens im Rahmen der zentralen Veranstaltung zum Dank an die Organspender, an der sie seitdem jährlich teilnimmt.

Auch heute war Christa Petsch anwesend, als in der Händel Halle in Halle (Saale) auf Einladung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zum mittlerweile siebten Mal Angehörige, Organempfänger, Wartelistenpatienten, Mediziner und Politiker zusammenkamen, um an die Menschen zu erinnern, die nach ihrem Tod anderen ein Weiterleben ermöglicht haben.

Dr. Georg Kippels, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit, betonte in seinem Grußwort: „Wir sagen heute all jenen Organspenderinnen und Organspendern Danke, die nach ihrem Tod anderen, schwer kranken Menschen mit ihrer Spende ein neues Leben geschenkt haben. Es ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, diesen Spendern und ihren Familien eine stärkere Wertschätzung und Anerkennung zu teil werden zu lassen, wie heute hier in Halle.“

Auch Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer DSO-Vorstand hob die Bedeutung der jährlichen Veranstaltung in Halle hervor, um die gesellschaftliche Wertschätzung für Organspender dauerhaft zu etablieren: „Über den eigenen Tod hinaus retten sie Leben. Eine Organspende ist das größte Geschenk, das ein Mensch weitergeben kann. Was daraus entstehen kann, zeigten uns und der ganzen Welt erst kürzlich die World Transplant Games in Dresden. Die Spiele sind ein Zeichen der Solidarität und ein Fest des Sports für das Leben. So wie wir heute hier in Halle Danke sagen, stand auch der Dank an ihre Spender bei allen transplantierten Sportlerinnen und Sportlern während der World Transplant Games im Mittelpunkt.“ Dies untermauerten Gespräche mit anwesenden Medaillengewinnern des deutschen Teams, die den Geist der Spiele in die Händel Halle holten und eindrucksvoll demonstrierten, wie sehr sie ihr geschenktes Leben feiern, Grenzen überwinden und Zeichen setzen.


Ein Park als bundesweites Denkmal

Der Park des Dankens, des Erinnerns und des Hoffens erfährt seit 2019 überregionale Aufmerksamkeit. Seine Historie begann aber schon weitaus früher: Auf Initiative vom „Verein zur Förderung der Organspende e.V.“, der auch heute noch aktiv ist und mit seiner Vorstandsvorsitzenden Dr. med. Christa Wachsmuth, bis 2020 Geschäftsführende Ärztin der DSO-Region Ost, eine engagierte Fürsprecherin hat, fanden dort seit 2008 regionale Dankes-Veranstaltungen statt.

Den Grundstein zu einer überregionalen Veranstaltung legte der Gemeinschaftliche Initiativplan Organspende, der eine bundesweite Veranstaltung zur Würdigung der Organspender vorsah. Der Plan ergänzte das am 1. April 2019 in Kraft getretene „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ und verankert seit 2019 den Park in Halle (Saale) als einzigartige Begegnungsstätte für alle, die das Thema Organspende verbindet: Organempfänger, die große Dankbarkeit gegenüber ihren Spendern empfinden, Angehörige, die sich an geliebte Menschen erinnern, sowie Patienten, die auf eine lebensverlängernde Transplantation hoffen. Das Danken und Gedenken wird durch eine Baumpflanzaktion als Zeichen der Verbundenheit von Organspendern und -empfängern begleitet, die Bäume erinnern symbolisch an die verstorbenen Organspenderinnen und -spender.

Für Christa Petsch ist dieses Symbol der Dankbarkeit von großer Bedeutung: „Wir fahren mehrmals im Jahr aus Nordrhein-Westfalen zu „meinem“ Baum im Park in Halle, das ist mir sehr wichtig. Durch den Park und insbesondere durch den Baum, eine Heimbuche, fühle ich mich sehr mit meinem unbekannten Organspender verbunden. Wir nehmen sogar Wasser in 2 Kanistern zum Gießen mit! Zuletzt waren mein Mann und ich Ende Juni dort und haben unter dem Baum ein kleines Picknick gemacht, das hatte ich mir schon sehr lange gewünscht. Er hat uns sogar Schatten gespendet, so dass wir fast eine Stunde dort bei Eiskaffee und Kuchen verweilen konnten, trotz der Wärme. Es sieht sogar so aus, als ob die ersten Bucheckern entstehen würden.“

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2 Antworten

  1. PaulusHallenser sagt:

    „Das heißt: Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel in einem Widerspruchsregister, können Organe zur Transplantation entnommen werden.“

    Das ist Diebstahl von Organen. Ich hoffe, so etwas wird sich niemals durchsetzen. Freiwillige Spenden ja, aber nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen im Rahmen von Spendeausweisen.

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