Sachsen-Anhalts Landtag für Widerspruchslösung bei der Organspende
Die aktuelle Debatte zur Einführung einer Widerspruchsregelung für Organspenden stößt bei den Parteien im Landtag von Sachsen-Anhalt auf Interesse. CDU, SPD und Grüne begrüßen den Vorschlag, die AfD hat dagegen einige Bedenken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Vorschlag gemacht.
„Als CDU-Landtagsfraktion stehen wir der Debatte zur Einführung der Widerspruchsregelung für Organspenden offen gegenüber. Der Vorteil der Widerspruchslösung wäre unter anderem, dass der Gegensatz zu der laut Umfragen hohen Bereitschaft zur Organspende und der relativ geringen Dokumentation dieses Willens, zum Beispiel in Form von Organspendeausweisen, aufgelöst werden könnte“, sagt der der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Tobias Krull. „Eine intensive Informations- und Aufklärungsarbeit zum Thema Organspende wäre aus unserer Sicht ebenfalls extrem wichtig. Auch die organisatorischen Rahmenbedingungen, inkl. der finanziellen Ausstattungen für die Kliniken wären mit zu betrachten.“
„Ich halte die Widerspruchslösung bei der Organspende für einen guten Weg. Viele Menschen sind sehr dafür, dass mit ihrer Hilfe nach ihrem Tode Menschenleben gerettet werden, aber viel zu wenige kümmern sich aktiv um einen Spenderausweis. Mit der Widerspruchslösung kann man das Organspendenaufkommen deutlich erhöhen und gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht derer schützen, die ihre Organe nicht spenden wollen“, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle. „Dass Minister Spahn sich jetzt auch dafür ausspricht, ist schön, aber das Problem liegt hauptsächlich bei den Gesundheitspolitikern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wenn es ihm ernst ist, sollte er die jetzt überzeugen.“
Cornelia Lüddemann, Vorsitzende und gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt ebenfalls die erneute Debatte. „Ich bin für die Widerspruchslösung. Die Zahlen der Organspender gehen kontinuierlich zurück, weil Vertrauen durch Missstände verspielt wurde, aber auch vor allem, weil sich immer weniger Menschen mit dem Thema beschäftigen“, so Lüddemann. „Das Selbstbestimmungsrecht der Menschen über den eigenen Körper muss dabei gewahrt bleiben. Es braucht hohe Transparenz und klare, einfache Regelungen für den Widerspruch. Außerdem braucht es eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, damit mehr über das wichtige Thema Organspende gesprochen wird. Ich konnte heute wahrnehmen, dass die Koalitionspartner CDU und SPD sich ebenfalls für eine Widerspruchslösung aussprechen. Eine gemeinsame Initiative auf dem Weg zu bringen bietet sich deshalb an, um das Leben von zahlreichen Menschen zu retten.“
„Angesichts des großen Bedarfs an Spenderorganen und der gleichzeitig sehr geringen Zahl an Organspendern in Deutschland und Sachsen-Anhalt ist jede Debatte über eine Verbesserung dieser desolaten Situation grundsätzlich zu begrüßen. Das Thema Organspende ist etwas sehr Persönliches und Individuelles. Daher kann und sollte die Organspender-Frage nur von jedem Einzelnen für sich selbst beantwortet werden“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. „Zur Widerspruchslösung wäre ein Volksentscheid auf Bundesebene absolut angebracht – wenn es ihn denn gäbe. Wenn die Widerspruchslösung kommen sollte, müssten zuvor eindeutige gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die die Art und Weise der Widerspruchseinlegung sowie deren Archivierung, Dokumentation und Einsehbarkeit unmissverständlich regeln. Auch die Frage einer möglichen Einflussnahme nach dem Tod durch die Hinterbliebenen muss dabei unbedingt berücksichtigt werden. Eine Alternative zur Widerspruchslösung wäre zum Beispiel die Beantwortung einer diesbezüglichen Pflichtfrage gegenüber den Krankenkassen oder den Einwohnermeldeämtern. Dies würde langfristig ebenfalls mehr Organspenden ermöglichen.“
Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und Botschafterin für den „anderen Organspende-Ausweis“, Ilse Junkermann, lehnt die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geforderte Widerspruchslösung bei der Organspende klar ab: „Das Wort ‚Spende‘ steht für freiwilliges Geben. Bei der sogenannten Widerspruchslösung wird daraus ein Zwang, dem ich nur durch meinen expliziten Widerspruch entkommen kann. Das ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Integrität und individuelle Gewissensfreiheit. Das degradiert einen sterbenden Menschen zu einem Materiallager für andere. Dabei ist die Gleichsetzung des Hirntodes mit dem Tod nach wie vor und weltweit umstritten. Organspende muss Spende bleiben: eine individuelle, freie Entscheidung.“ Landesbischöfin Junkermann ist Botschafterin für den „anderen Organspende-Ausweis“, einer Kampagne der Evangelischen Frauen in Deutschland. Auf diesem alternativen Ausweis wird unterschieden zwischen der Organ- und der Gewebespende, da die Vorrausetzungen für diese beiden Spendearten sehr unterschiedlich sind. Organe spenden können nur Menschen, die bei Eintritt des Hirntodes weiter beatmet werden, da zur Transplantation durchblutete Organe benötigt werden. Gewebeentnahmen, egal ob sie für Transplantationszwecke oder zur Arzneimittelherstellung genutzt werden, können auch noch Stunden nach Eintritt des Todes erfolgen. Zudem müsse die Organspende unter „Vollnarkose erfolgen und mit der Begleitung von Angehörigen bzw. einer Vertrauensperson“, so Junkermann. Hirntote seien Sterbende, deren Sterbeprozess erst mit der Organentnahme endgültig abgeschlossen sei. Niemand könne mit letzter Sicherheit ausschließen, dass Hirntote während der Organentnahme keine Schmerzen mehr empfinden können.
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