Toter Polizeischüler: Eltern kritisieren Behörden

Ein halbes Jahr nach dem Tod eines Polizeischülers in der Reilstraße in Halle wenden sich die Eltern nun in einem Schreiben an Innenminister Holger Stahlknecht. Sie glauben nicht, dass ihr Sohn zuvor eingebrochen sein soll und kritisieren auch die Ermittlungsarbeit. „Den Umgang mit uns als Eltern durch die ermittelnden leitenden Polizeibeamten empfinden wir zum wiederholten Mal als Schlag ins Gesicht.“, heißt es in dem Brief.
Die Polizei geht davon aus, dass der Polizeischüler bei einem Einbruch erwischt wurde und flüchten wollte. Dabei sei er abgestürzt. Eine These, der die Eltern widersprechen. „Dem Prinzip der Unschuldsvermutung wollte keiner folgen. Der erste Anschein und die präsentierten Zeugenaussagen passten ja so schön“, kritisieren sie. „Dem Folgend sind keine Spuren am augenscheinlichen Fluchtweg in der Abstellkammer gesichert worden. Ebenso wenig an der aufgebrochenen Außentür. Es wird unterstellt, dass ausschließlich Pauls Spuren zu finden wären.“ Im Zuge der angeblichen Diebstahlshandlung hätten sich Zeugen widersprochen.
Die Eltern habe eine andere These. Sie vermuten, ihr Sohn habe eine Straftat beobachtet und sich selbst in den Dienst versetzt. Deshalb musste er sterben, so ihre These. „Unsere Annahme, dass Paul sich auf Grund von Beobachtungen einer vermeintlichen oder tatsächlichen Straftat in den Dienst versetzt hat, und der Sache nachgegangen ist, wird von den Polizeibeamten mit dem Verweis auf seine Alkoholisierung nicht ernst genommen. Die Tatsache, dass Paul in der jüngeren Vergangenheit aber schon mehrfach gerade so reagiert hat, bleibt unbeachtet. Zweifel erheben die Eltern auch wegen der Schäden am Handy. „Denn für das Schadensbild und die Bruchrichtung am Telefon kann der Sturz nicht ursächlich sein. Diesem Umstand ist bis heute keiner wirklich nachgegangen.“ Die Krafteinwirkung auf das Handy müsse außerordentlich gewesen sein. „Wir haben in einem Selbstversuch mit einem vergleichbaren Gerät die Zerstörung durch einen Sturz auf einer Stahltreppe und durch einschlagen auf eine Stahlkante nachvollzogen. Es ist uns nicht gelungen, das Schadensbild von Pauls Handy auch nur ansatzweise zu erreichen. Das Video von dem Versuch haben wir entgegen dem Willen der ermittelnden Polizeibeamten über unseren Anwalt zur Ermittlungsakte eingereicht.“
Wir schreiben Ihnen diesen Brief, weil wir die Art und Weise der Ermittlungsarbeit im Fall unseres Sohnes PAUL LORENZ nicht unkommentiert lassen wollen.
Dass Paul nicht mehr nach Hause kommt, damit lernen wir gerade mühsam umzugehen.
Den Umgang mit uns als Eltern durch die ermittelnden leitenden Polizeibeamten empfinden wir zum wiederholten Mal als Schlag ins Gesicht.
Wir hatten gehofft und immer den Wunsch geäußert, dass die ermittelnden Polizeibeamten auch und vor allem in eigener Sache ermitteln sollten. Schließlich ist in Pauls Fall zu allererst ein Polizeischüler zu Tode gekommen. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Straftat ist es ein Politikum. Die bundesweite mediale Wirkung ist bekannt.
Wir haben schon bei den ersten Berichten und bei jeder weiteren Gelegenheit einer Straftatbegehung durch Paul entschieden widersprochen.
Für uns ist die Wiederherstellung des guten Rufes der Polizei und von Paul immer eine Einheit gewesen. Paul wollte Polizist aus Überzeugung werden. Er hat sich nach seiner Dachdeckerausbildung nicht aus Mangel an Alternativen für den Polizeidienst entschieden, sondern ganz bewusst. Für das letzte Revierpraktikum in Halle (Kurallee) hat er die beste Bewertung seiner Ausbilungseinheit erhalten!
In jeder Polizeidienststelle hängen schicke Werbeplakate für Zivilcourage aus. Paul hat das ernst genommen und nicht weggesehen. Diese Eigenschaft hat uns gegenüber bei uns zu Hause am 10.09.2018 ein leitender Polizeibeamter als Helfersyndrom abgetan!
Strafanzeige
Der Geschichte vom Einbruchdiebstahl haben wir von Anfang an vehement widersprochen. Dem Prinzip der Unschuldsvermutung wollte keiner folgen. Der erste Anschein und die präsentierten Zeugenaussagen passten ja so schön!
Dem Folgend sind keine Spuren am augenscheinlichen Fluchtweg in der Abstellkammer gesichert worden. Ebenso wenig an der aufgebrochenen Außentür. Es wird unterstellt, dass ausschließlich Pauls Spuren zu finden wären.
Die Diebstahlanzeige wird das erste Mal am 03.05.2018 durch die Anzeigenerstatterin A. selbst erschüttert. An dem Tag gibt sie zu Protokoll, dass sie das vermeintliche Diebesgut
„Bademantel“ selber aus der Wohnung Brandt entfernt und verwendet hat. Diesen Fakt nimmt keiner wirklich zur Kenntnis. Final erledigt sich die Diebstahlanzeige am 12.06.2018 mit der Spurenauswertung. An dem vermeintlichen Diebesgut „Werkzeugkoffer“ gibt es gar keine Spuren. Keine von Paul oder von Irgendwem.
Aber das interessiert keinen Ermittler.
Die Frage, warum die Zeugen falsche Anschuldigungen erheben, wird nicht gestellt. Die Perspektive auf den Fall wird durch die Ermittler durch diese Fakten nicht verändert.
Unsere Annahme, dass Paul sich auf Grund von Beobachtungen einer vermeintlichen oder tatsächlichen Straftat in den Dienst versetzt hat, und der Sache nachgegangen ist, wird von den Polizeibeamten mit dem Verweis auf seine Alkoholisierung nicht ernst genommen. Die Tatsache, dass Paul in der jüngeren Vergangenheit aber schon mehrfach gerade so reagiert hat, bleibt unbeachtet.
Smartphone
Bei Pauls Leichnam wurde sein Handy sichergestellt. Der schwere Bruch des Telefons wurde aktenkundig gemacht. Allerdings nur verbal. Keiner hat es für nötig erachtet, Fo- tos von dem völlig zerstörten Handy zu machen (der Kernspeicherchip ist beschädigt)! Keiner hat sich die Mühe gemacht, über die Auffindesituation nachzudenken. Denn für das Schadensbild und die Bruchrichtung am Telefon kann der Sturz nicht ursächlich sein. Diesem Umstand ist bis heute keiner wirklich nachgegangen.
Die Krafteinwirkung auf das Handy muss außerordentlich gewesen sein. Wir haben in einem Selbstversuch mit einem vergleichbaren Gerät die Zerstörung durch einen Sturz auf einer Stahltreppe und durch einschlagen auf eine Stahlkante nachvollzogen. Es ist uns nicht gelungen, das Schadensbild von Pauls Handy auch nur ansatzweise zu erreichen. Das Video von dem Versuch haben wir entgegen dem Willen der ermittelnden Polizeibeamten über unseren Anwalt zur Ermittlungsakte eingereicht.
Zeitfenster
Nach Zeugenaussagen muss Paul gegen 04:30 Uhr den letzten Club verlassen und sich auf den Heimweg gemacht haben. Bis zum Tatort wird er zu Fuß ca. 30 Minuten benötigt haben. Wir haben es unter dem Gesichtspunkt von 1,7 Promille nachvollzogen. Bis zum Betreten der Wohnung B. macht sich für uns eine Fehlzeit von 45 Minuten auf. Wo da Paul war, was in dieser Zeit passiert ist und ob das eventuell ursächlich für Pauls Eindringen in das Haus Reil 76 ist, wird nicht wirklich ermittelt. Eine Funkzellenabfrage war für die Ermittler nicht relevant.
Auffällig für uns ist das erkennbare Bemühen der Zeugen und anderer Befragter, den benachbarten Club der linken Szene Reil 78 unter allen Umständen aus dem Fall heraus zu halten.
Unsere Überlegungen werden als Spekulativ von den Ermittlern abgetan.
Fazit
Auf Nachfrage der Presse wird in einer dürren Antwort das Abhandenkommen einer Straftat bestätigt. Die Wiederherstellung des guten Rufes der Polizei und von Paul stellen wir uns anders vor.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt über den Tod hinaus. Das können wir hier nicht erkennen. Viel eher sehen wir uns zur Selbsthilfe, ähnlich wie im Fall Kachelmann, genötigt.
Ohne unsere massive Intervention wäre das Verfahren schon längst geräuschlos beendet und Paul mit dem Mühlstein „Straftäter“ versenkt worden.
Paul wird als Nummer behandelt und als solche aus dem Register der Polizeibeamten ohne viel Aufhebens gestrichen. Gutes Fürsorgeverhalten eines Dienstherrn sieht für uns anders aus.
Was soll man vom inneren Zustand der Polizeigemeinschaft halten, wenn der einzelne nichts mehr zählt?
Wir empfinden es als unendlich anstrengend und zusätzlich belastend, Polizeiarbeit leisten zu müssen, um die Lücken in der Sachverhaltsaufklärung zu schließen und das Verfahren voran zu bringen. Denn für uns erkennbar fehlt den gesetzlich Berufenen jegliche Motivation, in diesem sicher nicht einfachen Fall, plausible Antworten zu finden und nicht im Unwissen zu verharren.
Dass jetzt ein studierter und gut beleumundeter Brandursachenermittler die Todesursachenermittlung bearbeitet, spricht klar für sich.
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